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Nicht den Mut verlieren! Menschen in Attac

Foto: Stephanie Handtmann

Hanni Gramann, 80, ist fast von Beginn an bei Attac und in der AG Welthandel und WTO aktiv. Auf der Straße oder bei Aktionen trifft man sie aber auch zu vielen anderen Attac-Themen. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, was sie antreibt, immer weiter zu machen, auch wenn ein rauer Wind weht.

Hanni, wann und wie bist du zu Attac gekommen?

Anfang der Nullerjahre stand ich sehr unter dem Eindruck dessen, was 2001 bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua passiert ist. Meine Tochter war dort, und ich war schockiert von der Polizeigewalt, der sie ausgesetzt war. Der Tod des Aktivisten Carlo Giuliani, der Überfall der Polizei auf schlafende Menschen – da hab ich mich gefragt: Was passiert hier eigentlich? Das führte mich zum Attac-Kongress in Berlin im Herbst 2001. Und so bin ich ins Engagement bei Attac gerutscht.

Warst du davor schon politisch interessiert?

Ich war ja Lehrerin, und meine Unterrichtsfächer wie Geschichte, Religion, Sozialkunde oder Geografie bilden schon ab, dass ich gesellschaftspolitisch interessiert war, auch wenn sich das vorher vielleicht nicht in aktiver Arbeit gezeigt hat. Das kam erst in den 1990er Jahren, als wir gegen den ersten Irakkrieg auf die Straße gegangen sind und uns später auch in kirchlichem Kontext in unserer Kleinstadt gegen die zunehmende Ausländer*innenfeindlichkeit engagiert haben.

Bei Attac bist du vor allem zum Thema Welthandel engagiert. Warum ist das dein Schwerpunkt geworden?

Für mich ist der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus wichtig: Welche Auswirkungen haben die deutsche und die EU-Politik auf Menschen insbesondere in den Ländern des globalen Südens? Augenblicklich ist es schwer, Menschen für Welthandelsfragen zu interessieren, weil sie in der Unordnung um sie herum andere Probleme als bedrängender empfinden. Das ist nachvollziehbar, dennoch ist es uns wichtig, auch auf die großen Veränderungen in der Welthandelspolitik zu reagieren. Momentan ist, verstärkt durch den Einfluss von Trump, der profitorientierte Protektionismus wieder auf dem Vormarsch. Deshalb ist die zentrale Frage: Welche Welthandelsregeln brauchen wir, ohne einen »America first«-Protektionismus, ohne grenzenlosen Freihandel, um Handel zu einem Instrument zu machen, das allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht?

Zurzeit beschäftigen wir uns intensiv mit dem EU-Mercosur-Abkommen. Es ist ein empörendes Beispiel für den neokolonialen Charakter vieler dieser Abkommen: Die EU importiert für die Entwicklung ihrer sozial-ökologischen Transformation mineralische Rohstoffe aus Ländern Lateinamerikas und exportiert dorthin Industrieprodukte wie Verbrenner und Pestizide. Die Gewinne, die in der EU durch die Verarbeitung der Rohstoffe erzielt werden, sind dabei ungleich höher als die, die dort über den Export der Rohstoffe hängenbleiben. Damit gehen die Kosten dieser Wirtschaftsweise zu Lasten der betroffenen Länder und Menschen, deren Ressourcen ausgebeutet und deren eigene sozial-ökologische Transformation verhindert wird.

Doch das Abkommen kann noch aufgehalten werden – einige EU-Staaten und viele zivilgesellschaftliche Organisationen auf beiden Seiten des Atlantiks stellen sich dagegen. Unsere Aufgabe ist es, auch hier in Deutschland Druck zu machen auf die zukünftige Regierung, sich auf EU-Ebene gegen dieses Abkommen zu positionieren.

Du warst auch in kirchlichen Zusammenhängen aktiv. Hat dein Menschenbild, das hinter deinem Engagement steht, auch etwas damit zu tun?

Zum Teil sicher. Im christlichen Menschenbild sind alle Menschen gleich viel wert. Und auch Attac kämpft ja dafür, dass alle Menschen gleiche Rechte haben – egal welchen finanziellen Hintergrund sie haben, wo sie herkommen, welche Ausbildung sie haben. Das ist mir das Wichtigste, und es ärgert mich, dass es auch heute noch so ist, dass zum Beispiel Kinder, die aus einem bildungsferneren Elternhaus kommen, viel schlechtere Chancen auf ein gutes Leben haben.

In der momentanen politischen Weltlage sehen wir diskriminierende Politiken auf dem Vormarsch. Wo siehst du die Rolle von Attac?

Wir müssen uns als Attac auf die Seite derer stellen, die konkret bedroht sind. Zu einer demokratischen Gesellschaft gehört, dass nicht persönliche Machtinteressen an erster Stelle stehen, sondern für alle gesorgt wird, auch für die nächsten Generationen. Wir sollten dazu beitragen, dass junge Menschen nicht völlig verzweifeln und sagen »mir ist egal, was in der Politik passiert, ich muss sehen, dass ich irgendwie durchkomme«. Eine Verkäuferin, ein Pfleger, Menschen auf dem Bau – die arbeiten hart, sind fleißig und haben trotzdem Probleme, ihre Familien über die Runden zu bringen. Sie bekommen zu hören, Leistungsträger seien die Wohlhabenden, sie selbst müssten eben mehr arbeiten. Sie fühlen sich von der Politik nicht oder falsch gesehen, und viele von ihnen wenden sich dann an die, die ihnen populistische Versprechen machen. Und auch wenn es linke Standpunkte gerade schwer haben, sollten wir diesen Menschen Handlungsangebote machen. Es lohnt sich immer – und ganz bestimmt gerade jetzt – für eine solidarische Gesellschaft zu kämpfen. Das braucht einen langen Atem. Aber auch wenn es Rückschläge gibt und in dieser Phase schwer fällt: Aufstehen und neuen Mut fassen! Es ist längst nicht alles verloren – venceremos!

Alle Texte aus dem Attac-Rundbrief 01/2025