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19. Juni

Letzter Sem-Teil / Zurück nach Athen

Am Sonntag ging es nach um Finanzen, die Webseite des europäischen Attac-Netzwerks www.attac.org, die Kommunikationsstruktur von Attac Sem, die Vernetzung der Pressearbeit und das nächste Treffen (25.-27.11. in Barcelona).

Anschließend gab es ein Update über die Aktivitäten der verschiedenen Chapters. Interessant fand ich, dass die Finanztransaktionssteuer nach wie vor fast überall an einigermaßen prominenter Stelle noch vorhanden ist. Zudem wurden mehrfach Aktivitäten zu Steuerflucht, Privatisierung und Bankenregulierung genannt. Aktuell gewinnt zudem überall die Eurokrise an Bedeutung für Attac. Die Chapters in Griechenland und Spanien scheinen sehr gut in den neuen Bewegungen vernetzt zu sein. Für detailiertere Infos verweise ich erneut an das Protokoll. Vielleicht noch sehenswert ist die folgende Grafik, die Attac Spanien gemacht hat um die Struktur der 15M-Bewegung zu veranschaulichen.

Struktur der 15M-Bewegung
Struktur der 15M-Bewegung

Interessant ist vielleicht auch noch die Feedbackrunde. Das Treffen wurde rundum positiv bewertet, sowohl von den Diskussionen (der Diskussionsstil war wohl in der Vergangenheit nicht immer so gut), als auch von der Vorbereitung seitens Attac Hellas. Unsere griechischen Freunde haben da wirklich großartiges geleistet. Die Arbeitsbedingungen waren sehr gut und über das Treffen hinaus haben sie verschiedene Elemente eingebaut, die uns einen guten Einblick in die Lage vor Ort gegeben haben.

Athen am 19. Juni

Nach dem Treffen bin ich dann wieder nach Athen gefahren. Nach einigem Zeitverlust, durch U-Bahn-Chaos und verlaufen, war ich dann nur ganz kurz im Hotel. Anschließend war ich mit ein paar Attacies zum Essen verabredet. Bei der Gelegenheit konnte ich noch etwas mehr über die soziale Entwicklung in Griechenland erfahren. Wenn man sich die Details der Sparpakete anschaut wird nochmal ganz deutlich, was man eigentlich schon weiß: es geht überhaupt nicht darum, die Krise damit zu lösen, sondern nur, die Kosten nach unten umzuverteilen. Wenn es um Schuldenabbau gehen würde, dann würden sie die direkten Steuern erhöhen, den Militäretat kürzen und die Steuerflucht bekämpfen. All das passiert nicht. Was passiert ist Privatisierung, Sozialabbau und Lohnkürzung. Ich habe mit Leuten gesprochen, die seit sechs Monaten kein Gehalt mehr bekommen haben (und weiterhin arbeiten) und von Leuten gehört, die ohne Lohn arbeiten, nur um sozialversichert zu sein. Ich bin ja eigentlich kein Freund der Kritik an zu hohen PolitikerInnengehältern, aber hier scheint es da in der Tat ein drastisches Gefälle zu geben. Die Situation vieler Menschen ist, wie ich sie angerissen habe – bei 16 Prozent Arbeitslosigkeit (vor dem Spardiktat 9 %) und weit mehr als 20 % Armut. Dagegen sind die griechischen PolitikerInnen, die sehr schnell sehr hohe Rentenansprüche generieren und zudem in vielen Fällen von Korruption und Klientelismus profitieren, in der Tat völlig überausgestattet. Ich will damit nicht sagen, dass die Kleintelstaat die Kernursache der Krise liegt. Das ist keineswegs meine Position. Aber die Wut der Menschen hier auf die nationale politische Klasse ist sehr gut nachvollziehbar und sehr berechtigt.

Nach dem Abendessen sind wie dann wieder zum Syntagma-Platz. Dort war eine Menge los. Nach meiner Einschätzung waren deutlich mehr als 10.000 Menschen vor dem Parlament um ihren Unmut zu artikulieren. Angesichts dessen, dass es heute keine Sitzung oder einen anderen konkreten Anlass gab, ist das sehr beachtlich. Das ist nach meinem Eindruck eine Art allabendlicher Basismobilisierung auf der größere Mobilisierungen aufbauen, wenn es den konkreten Anlass gibt. Vielleicht war es auch wegen dem spanischen Aufruf zum Aktionstag und dem Wochenende etwas mehr, das kann ich nicht einschätzen. Allerdings habe ich auch ein paar weniger optimistische Stimmen gehört, die davon ausgehen, dass die Kraft der Bewegung am Mitte Juli stark abnimmt, wenn die Urlaubszeit beginnt. Athen ist in der Urlaubszeit ziemlich leer, da viele AthenerInnen ursprünglich aus anderen Regionen in Griechenland kommen und enge Kontakte zu ihrer Heimat aufrecht erhalten.

An dieser Stelle endet mein Bericht. Morgen werde ich noch schnell die Akropolis erklimmen und dann geht’s zurück nach Berlin. Ich bin sehr froh, dass ich die Gelegenheit hatte, in diesen Tagen in Griechenland zu sein, mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen und einen Einblick in die Bewegung zu erhalten. Für Fragen und Gespräche dazu stehe ich natürlich gerne zur Verfügung!

Steffen Stierle, Juni 2011