Solidarisch und nachhaltig aus der Krise
Die Finanzkrise von 2008, die sich weltweit zuspitzende Klimakrise und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der gegenwärtigen Corona-Pandemie haben ihre Ursache in unserem Wirtschaftssystem. Es beruht auf unbegrenztem Kapitalwachstum, der Konzentration von Reichtum und Umweltzerstörung. Die Häufigkeit derartiger Krisen nimmt zu, sie können gleichzeitig stattfinden, und ihre katastrophalen Folgen bedrohen die gesamte Menschheit. Diese Krisen machen es immer deutlicher: Das globale Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist weder gegenwartstauglich noch zukunftsfähig. Es darf deshalb nicht wieder wie in der Krise 2008 mit Milliardenbeträgen gerettet werden, sondern muss grundlegend umgebaut werden.
Gesundheitsbereich bedarfsgerecht ausbauen – Fallpauschalen abschaffen
Die Versorgungskrise im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie führt uns drastisch vor Augen, was die Durchsetzung der Profitlogik im Gesundheitssystem angerichtet hat, an vorderster Stelle die Finanzierung der Krankenhäuser über Fallpauschalen. Der damit verbundene Personalabbau, die Arbeitsverdichtung und schlechte Bezahlung sowie der gravierende Abbau von Kapazitäten haben diesen Sektor in der jetzigen Krise an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Trotz fast übermenschlicher Anstrengungen der Beschäftigten ist die notwendige Gesundheitsversorgung der Menschen nicht gewährleistet. Das System der Fallpauschale ist deshalb sofort zu beenden.
Darüber hinaus fordern wir sofortige Verbesserungen der Situation im Gesundheitsbereich wie
• Maßnahmen zur Ausweitung der Betten- und Pflegekapazitäten in geeigneten Gebäuden auch außerhalb der Krankenhäuser,
• die Mobilisierung vorhandener Ressourcen zur Herstellung von Schutzausrüstung für Personal und Patient*innen sowie Medikamenten,
• eine deutlich bessere Bezahlung der Beschäftigten im Gesundheitsbereich.
Unser Ziel ist ein Gesundheitssystem das frei von Konzerninteressen ist und in dem Gesundheit nicht zur Ware gemacht wird.
Existenzsichernde Maßnahmen für die von der Krise Betroffenen
Von den Folgen der Corona-Pandemie sind die Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen betroffen. Statt die Profite der Wenigen zu sichern, müssen Politik und Staat die wirtschaftliche und soziale Sicherheit der Vielen sofort und dauerhaft gewährleisten. Deshalb unterstützen wir Forderungen von Gewerkschaften und anderen Interessenverbänden, die dies zum Ziel haben.
Dazu gehören
• die Aufstockung der Vergütung bei Kurzarbeit zum Ausgleich von Lohneinbußen,
• die Absicherung der Beschäftigten bei Arbeitsplatzverlust durch zunehmende Firmenpleiten,
• die ausreichende Unterstützung von Solo-Selbstständigen und Kulturschaffenden,
• die Ablehnung des Versuchs, die Krise zu nutzen, um sonntägliche Öffnungszeiten von Geschäften dauerhaft durchzusetzen.
Ziel ist eine armutsfeste grundlegende Existenzsicherung für alle Menschen, unabhängig von den Gründen, aus denen sie diese benötigen.
Öffentliche Daseinsvorsorge stärken – dem Profit entziehen
Als erste Reaktion auf die Corona-Pandemie hat Attac gefordert, den gesamten Bereich medizinischer Versorgung in ein gemeinwohlorientiertes Gesundheits- und Pflegesystem umzuwandeln. Parallel dazu müssen jedoch die öffentliche Daseinsvorsorge und soziale Infrastrukturen insgesamt gestärkt und der Profitlogik entzogen werden. Neben der Gesundheit bedeutet dies einen verbesserten Ressourceneinsatz, aber auch Transparenz und Regulierung bei Bildung, Betreuung, Kultur, Wohnen, Mobilität und Information.
Kernforderungen dazu sind:
• Wohnen muss zum Gemeingut werden und der Profitlogik entzogen werden, indem profitorientierte Wohnungskonzerne enteignet und öffentliche Wohnungen geschaffen werden.
• In der Mobilitätspolitik brauchen wir eine Abkehr vom motorisierten Individualverkehr und einen Ausbau eines gemeinwirtschaftlich organisierten, klimagerechten und allen Menschen zugänglichen Verkehrssystems.
• Das profitorientierte Gesundheitswesen ist gemeinwohlorientiert umzubauen.
Ziel ist eine gut ausgebaute öffentliche Daseinsvorsorge, frei von Profitinteressen und demokratisch bestimmt.
Nachhaltige Wirtschaft ausbauen – überflüssige Bereiche beenden
Die Erfahrung realer Gefährdung durch Covid-19 dürfte bei vielen Menschen dazu führen, auch die sich zuspitzende Umwelt- und Klimakrise nicht mehr als etwas Fernes, sondern als reale Bedrohung zu empfinden. Die Folgen des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells sind nicht mehr zu übersehen. Forderungen nach einer Industrie, die sich nicht in erster Linie am Profit sondern an Grundbedürfnissen der Menschen orientiert, werden dadurch vorstellbarer und akzeptabler.
Dies muss auch der Maßstab bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise sein, die sich im Zuge der Corona-Pandemie anbahnt . Das bedeutet, auch zu fragen, welche (vor allem industrielle) Bereiche gesellschaftlich überflüssig und sogar schädlich sind und diese herunterzufahren oder vollständig umzubauen. In der Krise wurden beispielweise die Produktion in der Automobilindustrie gedrosselt und der Flugverkehr deutlich reduziert. Dieser Zustand sollte genutzt werden, danach nicht wieder die alten klimaschädlichen Kapazitäten hochzufahren, sondern direkt in neue, gesellschaftlich wichtigere und nachhaltigere Bereiche umzulenken. Dadurch sollten insbesondere die kommunale Wirtschaft sowie kleine und mittelständische Betriebe in ihrer Nachhaltigkeit gestärkt werden, gerade mit Blick auf verkürzte Liefer- und Produktionsketten.
Realitätsnahe Vorschläge dazu sind
• der beschleunigte Ausstieg aus der fossilen Energie ,
• ein sofortiger Stopp jeglicher Rüstungsproduktion,
• der Umbau des Automobilsektors in eine Mobilitätsindustrie mit dem Ziel, verschiedene Verkehrsträger zu integrieren, um den öffentlichen Verkehr zu stärken,
• die Reduzierung des Flugverkehrs und Umbau der Luftfahrtindustrie,
• die Umlenkung der gigantischen Subventionen aus fossilen Industrien in den sozialen Bereich sowie zur Stärkung und Ausweitung einer ökologisch nachhaltigen, regionalen Wirtschaft.
Ziel ist eine Wirtschaft, die auf Kooperation und nicht auf Konkurrenz aufgebaut ist und die natürliche Umwelt nicht zerstört.
Kein öffentliches Geld für Finanzmärkte
In der vergangenen Finanzkrise wurden die Banken mit drastischen Staatsinterventionen gerettet. Seitdem hat sich die Zahl der Milliardäre weltweit bereits wieder fast verdoppelt. Die abstürzenden Finanzmärkte dürfen nicht erneut durch öffentliches Geld stabilisiert werden, sondern müssen geschrumpft und reguliert werden. Öffentliches Geld muss stattdessen, wie zuvor beschrieben, in die soziale Absicherung und die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft fließen.
Um solidarisches Handeln der Euro-Länder zu ermöglichen, muss Deutschland seinen Widerstand gegen gemeinsame fiskalische Maßnahmen aufgeben. Mit Eurobonds können EU-Staaten gemeinsam Kredite aufnehmen, die Mittel unter sich aufteilen und gemeinsam Zinsen und Rückzahlung verantworten. Damit ergeben sich günstige Kreditkonditionen für besonders betroffene Länder wie Italien oder Spanien.
Ziel ist, dass öffentliches Geld nur eingesetzt wird, um Strukturen zu schaffen und zu erhalten, die für ein gutes Leben für alle unter Berücksichtigung der natürlichen Grenzen notwendig sind.
Einschränkung von Freiheitsrechten rechtzeitig beenden – "Demokratie jetzt"
Die staatlichen Maßnahmen zur Verringerung beziehungsweise Eindämmung der Verbreitung des COVID-19-Virus waren insgesamt sicher sinnvoll und kamen teilweise eher zu spät. Gleichzeitig bedeuten sie jedoch neue Techniken sozialer Kontrolle sowie der Krisenreaktion und sind deutliche Elemente des autoritären Staates, die auch dann eingesetzt werden können, wenn es nicht um unsere Gesundheit, sondern um Machtinteressen geht. Umso wichtiger ist es, den Ausnahmecharakter dieser Maßnahmen zu betonen und ihre sofortige Rücknahme mit dem Abflauen der Corona-Pandemie sicherzustellen. Die Krise darf kein Vorwand für Demokratieabbau werden.
Ziel ist mehr statt weniger Demokratie in allen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Wirtschaft.
Internationale Solidarität ist jetzt besonders gefragt
In diesen Zeiten von COVID-19 müssen wir den Blick aber auch über Deutschland und Europa hinaus richten. Ob in den syrischen Fluchtgebieten, in afrikanischen Townships oder in lateinamerikanischen Metropolen – das Virus trifft die dortige arme Bevölkerung besonders hart. Gerade auch gegen die Haltung von Rechtspopulisten und Nationalisten geht es jetzt darum, die internationale Hilfe zu verstärken. Dafür müssen größere Ressourcen für regionale und internationale Organisationen, vor allem für vor Ort tätige Nichtregierungsorganisationen, bereitgestellt werden. Außerdem geht es um die sofortige Hilfe für die Geflüchteten im Grenzbereich Europas, insbesondere in den Lagern auf den griechischen Inseln. Aufgrund der dortigen Bedingungen ist bei einer Verbreitung des Virus eine Katastrophe zu erwarten. Das muss durch die Aufnahme der Menschen aus den Lagern bei uns verhindert werden. Zur internationalen Solidarität gehört zudem ein sofortiger globalen Waffenstillstand in allen Kriegs- und Krisengebieten der Welt. Ebenso sind Sanktionen gegen Länder einzustellen.
Ziel ist eine gerechte globale Wirtschaftsordnung als Lebensgrundlage für die Menschen in den Ländern des Südens und um zu vermeiden, dass immer neue Fluchtursachen entstehen.
Diskussion über Wege zu gemeinwohlorientierter Gesellschaft
Die Erschütterungen durch die gegenwärtige Krise müssen wir nutzen, um grundlegende gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Wir verfügen über Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen solidarischen Wirtschaftens, die versuchen, nachhaltig und am Gebrauchswert statt am Profit orientiert zu agieren. Dies sind wertvolle Erfahrungen, die uns helfen, Vorstellungen einer klimagerechten Zukunft nach Corona zu entwickeln! Sie reichen aber nicht aus, um eine arbeitsteilige, international verflochtene Wirtschaft ökologisch nachhaltig zu gestalten. Die dafür notwendigen Schritte müssen noch entwickelt werden. Dafür bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Diskussion, um den Weg in solidarischer Weise zu beschreiten.
Spezifische Informationen mit Bezug zur Corona-Krise von Attac Arbeitsgruppen:
Wohnen und Corona
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