11. Februar 2022
Liebe Frau Darmstadt!
Vielen Dank für Ihre Antwort auf unsere Stellungnahme. Leider müssen wir Sie aber enttäuschen: Unser Statement war keine versehentliche Vorverurteilung, sondern wohlüberlegt. Deshalb haben wir davon auch nichts zurückzunehmen.
Wir nehmen Ihre Bemühungen, sich von rechts abzugrenzen, durchaus zur Kenntnis. Wir sind aber davon überzeugt, dass das in einer Bewegung wie den aktuell in vielen Städten stattfindenden Straßenprotesten zu den Corona-Maßnahmen kaum gelingen kann. Bei dieser handelt es sich um eine massiv von Rechten angestoßene, instrumentalisierte und unterstützte Bewegung. Wer sich unter diesen Umständen wirkungsvoll von rechts abgrenzen will, dem kann das nur gelingen, wenn er sich von dieser Bewegung in ihrer Gesamtheit glaubwürdig distanziert und praktisch fernhält.
Der Argumentation auf Ihrer Webseite ist immer wieder anzumerken, dass Sie Menschen aus dieser von Rechten dominierten Bewegung nicht zu sehr vor den Kopf stoßen wollen. Begrüßenswert ist, wie Sie am Beispiel von Alexander Gauland und seiner Rolle in der AfD argumentieren, dass diese Partei eindeutig gegen Ihre Werte und Forderungen stehe. Aber im nächsten Abschnitt fahren Sie fort, dass auch Vertreter:innen von SPD oder Grünen gegen Ihre Werte und Forderungen stünden. Beide Male sprechen Sie von Ausgrenzung, das eine Mal durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, das andere Mal durch sogenannte 2G-Diskriminierung. Damit stellen Sie nicht nur demokratische Parteien mit der in großen Teilen faschistischen AfD auf eine Stufe, sondern auch die 2G-Regelung mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Ähnliche Gleichsetzungen finden sich in Ihren Forderungen. Dort setzen Sie sich für einen Runden Tisch und eine Aufarbeitung einer angeblich gesellschaftlich traumatischen 2G-Ausgrenzung und Abwertung Ungeimpfter ein. Derartige Prozesse finden normalerweise zur Aufarbeitung von in Diktaturen begangenem schwerem Unrecht statt. Beispiele dafür sind die Prozesse nach dem Ende der Apartheid in Südafrika oder dem Zusammenbruch der SED-Diktatur in der DDR.
In Ihrem Selbstverständnis heißt es, Sie würden sich „eindeutig zur Tradition der Aufklärung und einem wissenschaftsbasierten Diskurs“ bekennen. Aber in Ihrer Antwort auf unsere Stellungnahme schreiben Sie, Sie könnten im Moment „nicht ausreichend überblicken und beurteilen, wie umgreifend unsachlich-verschwörungstheoretische Tendenzen bei Teilnehmenden von ‚Querdenken‘ oder z.B. Sympathisanten der Partei „dieBasis“ tatsächlich vorhanden sind.“ Da dürfte es dann schwierig werden, dieses Selbstverständnis in der Praxis mit Leben zu füllen.
Um jedes Missverständnis auszuschließen: Wir unterstellen Ihnen nicht, selbst rechtsradikal zu sein oder Sympathien für rechtsradikale Ansichten zu hegen. Wie Sie unserer Stellungnahme entnehmen können, ist es Teil unseres Selbstverständnisses, mit Rechtsradikalen erst gar nicht politisch zu sprechen. Im Gegensatz dazu sehen wir in Ihren Bemühungen aber leider ein Muster: Wer in einer von Rechten so stark dominierten Bewegung erfolgreich mobilisieren will, muss Zugeständnisse an den dort herrschenden rechten Diskurs machen. Dabei ist es unerheblich, ob dies bewusst oder unbewusst geschieht. Die drei oben genannten Beispiele sind deshalb nur stellvertretend für viele weitere und alles andere als Zufall.
Leider hat das fatale Konsequenzen. Denn so werden gesellschaftliche Milieus für rechte Sichtweisen geöffnet, die für Angehörige aus der rechtsradikalen Szene bis jetzt noch verschlossen waren. Der gesellschaftliche Diskurs verschiebt sich damit insgesamt immer weiter nach rechts.
Attac Deutschland tritt deshalb der Bewegung, zu der auch die von Ihnen organisierten Demonstrationen und Kundgebungen gehören, konsequent entgegen. Wer sich glaubwürdig von rechts abgrenzen will, der wird nicht um die Erkenntnis herumkommen, dass dazu ein unmissverständlicher Bruch mit dieser Bewegung als Ganzem notwendig ist. Zu Themen wie Impfpflicht, 2G-Maßnahmen und einer Verbesserung der Situation im Gesundheitsbereich gibt es auch zahlreiche Möglichkeiten, sich andernorts zu engagieren.
Mit freundlichen Grüßen
Koordinierungskreis von Attac Deutschland