"HRE-Akten offen legen – Banken zur Kasse!"
Aktivistinnen und Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac haben am heutigen Donnerstag im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate (HRE) in Berlin überraschend ein Banner mit der Forderung "HRE-Akten offen legen – Banken zur Kasse!" von der Zuschauertribüne entrollt. Die von Sprechchören begleitete Aktion begann unmittelbar vor der Zeugenanhörung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.
Zur Begründung hieß es, der HRE-Untersuchungsausschuss, der mit Steinbrück heute seinen letzten Zeugen anhört, sei seinen Aufgaben nicht gerecht geworden. "Insbesondere die Bundesregierung hat die rückhaltlose Aufklärung verhindert und dem Ausschuss wichtige Informationen vorenthalten. Den Ausschussmitgliedern war es daher gar nicht möglich zu beurteilen, ob eine Rettung der HRE auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tatsächlich gesellschaftlich sinnvoll und alternativlos war. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier private Interessen von Anteilseignern vor die Interessen der Gesellschaft gestellt wurden", sagte Wolfgang Thomas von Attac München.
Mit der Rettungssumme von 100 Milliarden Euro für den Immobilienfinanzierer verausgabt der Bund potenziell die Steuereinnahmen von etwa fünf Monaten. Deshalb ist die Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung laut Attac besonders skandalös. Die Regierung habe in einer Demokratie die Pflicht, Parlament und Bürger über so große Ausgaben ausreichend zu informieren.
"Die Geheimhaltungsauflagen haben den Ausschuss zur Farce gemacht. Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit war zu keiner Zeit vorgesehen", stellte Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. So erhielten die Mitglieder des Ausschusses angeforderte Akten – wenn überhaupt – erst kurz vor den Zeugenbefragungen. Sie durften weder Kopien machen, noch die gewonnenen Informationen in den öffentlichen Sitzungen gegenüber den Zeugen verwenden. Insbesondere die Zeugen aus der Finanzaufsicht und der Bankenszene wiederholten im Ausschuss ohne sachliche Begründung ihre Behauptung, das Finanzsystem und die deutsche Wirtschaft wären ohne Rettung der HRE zusammengebrochen. "Jochen Sanio, der Chef der Bankenaufsicht Bafin, verstieg sich gar dazu, ein Weltuntergangs-Szenario zu entwerfen und sprach von Apocalypse Now. So verbreitet man Angst, um Aufklärung zu verhindern", sagte Jutta Sundermann.
Nach Ansicht von Attac hat der Untersuchungsausschuss gezeigt, dass die Finanzaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Bundesbank wegen der gesetzlichen Vorgaben nicht funktioniert. Daran wolle die Regierungskoalition offensichtlich nichts ändern. Dazu Werner Rügemer, Publizist und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac: "Die Regierung ist nicht gewillt, aus der Krise die notwendigen Lehren zu ziehen. Sie regiert nicht, sondern erfüllt, umgeben von einer Mauer der Geheimhaltung, die Forderungen der Großbanken und Versicherungskonzerne – sprich der HRE-Gläubiger und Mitverursacher der Krise. Die müssen zur Verantwortung gezogen werden, nicht die Steuerzahler."
Attac fordert im Einzelnen:
- Die Offenlegung der Akten zur HRE
- Den Stopp der intransparenten Bankenrettung
- Die Schließung aller Tochtergesellschaften, Fonds und Beteiligungen der HRE in Finanzoasen
- Das Verbot riskanter Finanzpraktiken wie die Bündelung von faulen Krediten und deren Weiterverkauf (Verbriefungen)
- Den Einsatz der staatlichen Mittel für direkte Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und für die Entwicklung eines Systems von "Good Banks"
Für Rückfragen und Interviews:
- Jutta Sundermann, Attac-Koordinierungskreis, Tel. (0175) 866 6769
- Werner Rügemer, Wissenschaftlicher Beirat von Attac, Tel. (0163) 868 9945
- Wolfgang Thomas , Attac München, Tel. (0179) 397 5229