Die rechtsextreme Erzählung vom „Deep State“

Die Springermedien verbreiten das rechtsextreme Narrativ des „Deep State“ – und die Union springt in ihrer viel kritisierten kleinen Anfrage zu NGOs auf den Zug auf. Aber was genau ist so schlimm an der Erzählung vom angeblichen Deep State? Und warum ist unregulierter Wirtschaftslobbyismus das wirkliche Problem für die Demokratie?
Die einflussreiche Zeitung „Die Welt“ aus dem Hause Springer behauptet, Organisationen wie Attac, Greenpeace und Omas gegen Rechts würden in Deutschland als „Staat im Staate“ agieren und man müsse die „manipulative Macht dieser verfassungswidrigen Institutionen“ brechen. In den Ministerien der Grünen hätten sich „NGOs wie Kraken ausgebreitet“.
CDU/CSU knüpfen mit ihrer kleinen Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ vom 24. Februar an diese Erzählung an. Anlass sind die Proteste gegen Rechtsextremismus und das gemeinsame Votum der Union mit der AfD im Bundestag. Vordergründig wollen CDU/CSU mit ihren 551 Fragen von der Bundesregierung wissen, ob Attac, Correctiv, die Omas gegen Rechts, Greenpeace, das Netzwerk Recherche, Animal Rights Watch und andere staatlich finanziert sind und welchen politischen Einfluss sie ausüben. Als Ganzes gelesen unterstellt die Anfrage, die genannten Organisationen würden illegalerweise Steuermittel für parteipolitische Kampagnen gegen die Union nutzen.
Die rechte Wahnvorstellung vom „Deep State“
„Die Welt“ und CDU/CSU beziehen sich bei ihrer Kampagne auf die Erzählung vom „Deep State“, zu Deutsch „Schattenstaat“ oder auch „Staat im Staate“. Der Begriff des „Deep State“ kommt aus dem verschwörungsideologischen Milieu. Dort wird er schon seit Jahrzehnten genutzt, um zu behaupten, nicht die demokratischen Institutionen wie Parlamente würden das staatliche Handeln bestimmen, sondern finstere Mächte. Während damit früher vor allem Geheimdienste und ähnliche Akteure gemeint waren, zielen Rechtsextreme auf jene Teile der Zivilgesellschaft, die sie für „links“ halten. Oft werden dabei Bilder aus antisemitischen Verschwörungsmythen benutzt. Das gilt auch für die Behauptung des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, NGOs würden sich im Staat „wie ein Kraken“ ausbreiten: Die Krake wurde bereits im 19. Jahrhundert von Antisemit*innen als Bild für die angebliche weltumspannende „jüdische Weltverschwörung“ genutzt.
Das Problem heißt Wirtschaftslobbyismus
Lobbyorganisationen nutzen ihre Kontakte zu Politik und staatlicher Verwaltung, um Einfluss auf Politik auszuüben. Ihre Spenden an Parteien verbinden sie mit der Erwartung, dass diese Politik in ihrem Sinne machen. In einem gewissen Rahmen gehört dies zu demokratischen Prozessen. Allerdings darf in einer Demokratie nicht das Geld darüber bestimmen, wer wie viel politischen Einfluss hat. Darum weist Attac immer wieder darauf hin, dass der Einfluss besonders reicher Menschen und finanzkräftiger Konzerne auf die Politik demokratieschädlich ist. Er muss über klare Regeln begrenzt werden. Instrumente wie das Lobbyregister sind wichtig, um Lobbyeinfluss sichtbar zu machen. Eine Deckelung von Parteispenden wäre nach Ansicht von Attac ein weiteres gutes Mittel. Zugleich muss aber auch die tatsächliche Ursache angegangen werden, warum manche so viel mehr Einfluss als andere haben: die massive soziale Ungleichheit. Darum streitet Attac mit der Kampagne „Tax the Rich“ für eine gerechte Besteuerung von großen Vermögen.
Union kritisiert nur politisch unliebsame Organisationen
Kritik an Lobbyarbeit ist gerechtfertigt – sie darf aber nicht benutzt werden, um demokratische Proteste zu unterdrücken. Die Springermedien und die Union werfen politisch unliebsamen Teilen der Zivilgesellschaft, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, vor, sich politisch zu sehr einzumischen. Über den massiven politischen Einfluss des eigenen Klientels wie den Verband der Automobilindustrie (VDA) oder den Deutschen Bauernverband (BDV) verlieren sie hingegen kein Wort. Zudem bedienen sie sich verschwörungsideologischer Erzählungen. Das zerstört Demokratie.