Bela B.
"Über den Zustand der Welt zu jammern reicht nicht. Selbst den Arsch hochzukriegen, sich zusammenzutun,um was zu verändern, darauf kommt es an!"
Bela B. ist Schlagzeuger, Songwriter und Sänger der Band Die Ärzte und als Schauspieler und Synchronsprecher tätig. Bela B. ist seit dem 28. Juni 2007 Mitglied bei Attac.
„Schleichwerbung im positiven Sinne“
Das Attac-Mitglied Bela B. im Gespräch über soziales Engagement, Prominenz und Hoffnungen für die Zukunft.
(Die Kurzfassung dieses Interviews findet sich im Attac-Rundbrief 2/2009)
Bela, Du engagierst Dich seit einiger Zeit auch öffentlich für Attac. Wie stehst Du ganz allgemein zu ehrenamtlichem Engagement von so genannten Promis, zu denen Du ja auch gehörst?
Ich sehe ein ziemliches Problem darin, dass viele Leute jede Gelegenheit nutzen, sich durch die Medien öffentlich zu produzieren. Da habe ich gerade gestern was lustiges gelesen: Olivia Jones, die bekannteste Transe hier auf der Reeperbahn, hat eine Bar, in die sie Touristen führt, die die Reeperbahn mal kennenlernen wollen, und die hat jetzt ne werbewirksame Kampagne gemacht, indem sie jetzt gesagt hat, das sei eine „pelzfreie“ Bar – also wer Pelz trägt, kommt nicht rein. [ironisch:] Danke Peta…Peta ist auch so ein Fall, hab ich immer gedacht, wo man sich auch mal physisch engagieren kann – normalerweise finde ich, dass man so als Großverdiener, als Gutverdiener reicht es ja schon mal, dass du dich monetär in irgendeiner Form engagierst, das wäre schon mal ein großer Schritt für viele Organisationen, und das kann man auch außerhalb der Öffentlichkeit tun. Es geht ja nur darum, was zu tun – Du kannst Dich mit Deinem Gewissen ja auch einfach in die Ecke setzen und einen heben, Du musst ja nicht Leute dazu einladen und sagen „das hier ist übrigens mein gutes Gewissen“. Und bei Peta war das aber dann so, dass ich das dann extrem seltsam finde, wenn sich da Leute extrem für Tierrechte einsetzen und gleichzeitig aber Sendungen moderieren, in denen dann lebende Tiere gegessen werden, das finde ich echt ziemlich seltsam. Oder wenn dann nach so einer Peta-Modenschau, wo ich noch angemacht werde, weil ich kein Vegetarier bin, danach dann erst mal alle Prominenten gemeinsam zu MacDonalds gehen, inklusive einiger hochrangiger Peta-Leute. In der Nacht kann man sich das wenigstens verkneifen. Ja, auch ich kaufe manchmal Pommes bei MacDonalds – ich finde es natürlich grundsätzlich beschissen, zu MacDonalds zu gehen, aber selbst ich mach das manchmal – aber in der Nacht, in der Du so mit Deinem Engagement hausieren gehst, dann, weil Du so einen Suffhunger hast, Dich so auf den Big Mac zu stürzen, weil der gerade so schmackig ist, das verstehe ich nicht. Ich will jetzt gar nicht so über Peta herziehen, weil das natürlich ne unterstützenswerte Organisation ist …
Wir nehmen die Drüberherziehstellen einfach raus.
[lacht] Nee, man kann das ja mal sagen, aber es ist inzwischen so, dass ich mich da etwas rausgezogen habe, weil da einfach zu viele Prominente sind. Peta funktioniert eben darüber, über Prominente, die gerne in der Öffentlichkeit stehen wollen, wer sind die prominenten Kämpfer für Peta? Das sind Pamela Anderson…
Alle!
Alle, ja, eigentlich alle Prominenten, die gerne mal ein gut fotografiertes Foto von sich haben wollen, schön in Schwarzweiß, von Jim Rakete oder anderen großen Fotografen, und „lieber nackt als mit Pelz“. Es gibt nicht wenige Leute, die sich da als Vegetarier hinstellen oder Jahre später dann nicht nur Fleisch essen, sondern auch mal mit Pelzmänteln auf den Laufsteg gehen; alles eine komische Nummer. Und allein um sich das dann zu ersparen, dass man dann mal „erwischt“ wird bei so ner Inkonsequenz, da kann ich doch den meisten Prominenten schon sagen, hey, wir wollen Euch doch gar nicht mehr sehen, wir wollen nicht mehr sehen, wie ihr „Gutes“ tut. Das muss man den Leuten nicht mehr zumuten. Ich habe zwei Fotokampagnen gemacht für Peta – eine eher so im Stillen – und ich will jetzt nicht mehr. Da gibt es einfach zu viel Konsens mit Daimler und jeder Menge anderer Firmen, mit denen ich nicht einverstanden bin. Und ich denke, dass ich mir in dem Bereich ein gewisses Schwarz-Weiß-Denken durchaus erhalten kann.
Das beschädigt ja unterm Strich auch die NGO, wenn man die nur assoziiert mit den Promis, die für die Organisation Schaulaufen, statt mit ihren Inhalten.
Ja, klar, natürlich. Das ist dabei das Problem. Du gibst den Gegnern der Organisation damit natürlich auch Futter, um gegen diese extreme Einbindung von Promis zu wettern. Nur: Das macht inzwischen fast gar keiner mehr. Es ist inzwischen so einfach, im Aufsichtsrat von einem Rüstungskonzern zu sitzen und gleichzeitig ein verhungerndes Kind auf den Arm zu nehmen und hundert Euro aus dem Portemonnaie zu holen und zu sagen, seht alle her, was für ein guter Mensch ich bin.
Der „Glanz der Promis“ darf die Inhalte der Organisation auf keinen Fall überdecken. Ich denke zum Beispiel, dass der erste WorldAid-Tag tatsächlich noch was gebracht hat und ne abgefahrene Sache war. Aber nehmen wir heutzutage diesen „Klimaevent“ in Hamburg, LiveEarth: Der Hauptsponsor war Smart, hinter dem „Ökoauto“ Smart steckt Mercedes, ein Rüstungskonzern, die stecken in so vielen Kriegen, in so viel Elend auf dieser Welt – ich will nicht helfen, deren Image aufzupolieren als Prominenter. Da arbeite ich zwanzig, fünfundzwanzig Jahre daran, werden bekannt und berühmt, weil Leute mögen, was ich tue, und weil ich vielleicht auch eine gewisse Integrität bewiesen habe, und dann werfe ich das alles über den Haufen und lasse dann irgendeine Firma wie Mercedes das benutzen, das kann ich nicht verstehen.
Haben denn Promis wirklich die Chance genau zu durchschauen, für wen sie sich gerade einsetzen? Die sind ja nicht nur prominent, die arbeiten zum Teil ja auch viel …
Na ja, wir haben ja eine hohe „Promidichte“ in Deutschland, und ungefähr ein Drittel davon sind bekannt für etwas, das sie tun, für das, was sie kreativ produzieren, also für das, was sie tatsächlich arbeiten. Es gibt daneben sehr viele „Kader Loths“ da draußen, und es gibt sehr wenige „Tote Hosen“. Die gibt es natürlich, und die machen was, und natürlich behaupten viele Leute, das was wir [Die Ärzte] machen sei auch nicht gerade schwere Arbeit [Gelächter] und das kann ich ihnen auch gar nicht verübeln, aber immerhin: wir denken uns was aus, wir tun was, und wir machen uns auch Gedanken darüber, wie wir unsere Fans behandeln, und ich denke, dass wir in dem, was wir machen und wie wir es machen „gute Menschen“ sind und unser Gewissen keinen Schaden nimmt.
Wie weit reicht denn dann die Verantwortung, die ein Promi übernehmen muss für das, was er unterstützt?
Ich finde es grundsätzlich nicht cool, seinen Status als Prominenter zu missbrauchen, um den Leuten zu erzählen, was sie kaufen sollen – also mit Deinem guten Namen Werbung zu machen für irgend eine Scheiße. Und wenn dann so jemand wie Harald Schmitt, der ja nun eher ein Idol der intelligenteren Menschen in diesem Land ist, dann Reklame macht für Nescafé, wo es so leicht ist herauszufinden, wofür Nestlé steht, was das für ein Verbrecherkonzern ist, womit kann man das denn entschuldigen? Oder Nena, die ihr ganzes Leben „den Kindern“ widmet und dann so ne doofe Waschmittelwerbung macht, oder für Deichmann oder jeden Scheiß. Da heißt es dann doch oft „Die Summe stimmt.“
Wir [Die Ärzte] haben mal ne Million von Coca Cola geboten bekommen bei einer Aktion, bei der fast alle großen deutschen Acts auf den Dosen abgebildet waren. Die einzigen, die es dann nicht gemacht haben, waren die Toten Hosen und wir. Und ich glaub, Fettes Brot, die gab es noch nicht zu dem Zeitpunkt, die wären dann sicher auch nicht draufgegangen. Natürlich, man hätte das Geld auch spenden können…
… „Blutgeld“?
Eben. Wir kennen Leute, die haben so ähnliche Sachen gemacht. Da denke ich, gut, kann man machen, aber das dient dann eben diesem Konzern dazu, seine Weste zu säubern, und das will ich nicht. Die sollen schön geradestehen für das, was sie anrichten, und nicht das Image integerer Personen für ihre Zwecke nutzen. Aber da gehören eben immer zwei dazu – viele nehmen das Geld auch gerne, [ironisch:] man kann dann ja immer noch anschließend ins Greenpeace-Boot steigen oder in Namibia ein kleines Kind auf den Arm nehmen, dann ist die Sache wieder gut…
Ich gehe ja nun auch inzwischen in die Öffentlichkeit mit meinem Engagement für Attac, aber einfach weil ich finde, hier tut’s das pure Spenden einfach nicht. Wir wollen ja, dass Attac bekannter wird, und ich denke, dass dadurch euer öffentlicher Auftritt vielleicht etwas…[stockt und grinst]…
…sexier wird?
…sexier wird und profitiert, denn das ist manchmal schon etwas abschreckend, weil eure Inhalte erst mal so kompliziert klingen. Das, was manche Organisationen an Nähe zur Breite der Bevölkerung zu viel haben, habt Ihr vielleicht manchmal zu wenig.
Im Augenblick denke ich, habt ihr – haben wir, das kann ich als Mitglied ja sagen – gute Möglichkeiten, weil die Krise uns noch lange begleiten wird. Wohin der Raubtierkapitalismus führt, das kann jetzt jeder sehen, damit erreicht man die Leute.
Und wie siehst Du das bei jungen Leuten?
Die kriegt man natürlich mit Antifa-Arbeit viel leichter. Da kann ich einfach sagen, „Du kannst gern Bela B. oder Die Ärzte hören, aber das passt nicht zusammen mit rechtem Gedankengut“. Das, was Attac macht, ist natürlich viel komplexer. Aber da seid ihr, da sind wir schon weit gekommen auf dem Weg in die Öffentlichkeit. Die Aktionen von Attac sind inzwischen durchaus Greenpeace ebenbürtig, die Börsen-Aktion war grandios! Und um tatsächlich Menschen zu erreichen, die sich bisher noch gar nicht für Politik interessiert haben, dafür kommen dann vielleicht auch Leute wie ich ins Spiel, und wenn es nur ist, dass jemand denkt „Oh, Bela B. ist Attac-Mitglied, da schau ich mal im Internet nach, was das ist“. Wir müssen nach mehr kreativen Möglichkeiten suchen, Attac bekannter zu machen: Schleichwerbung im positiven Sinne. Die Gegenseite schläft ja auch nicht.
Du als einer der „sympathischen Millionäre“*: Wie stehst Du als potenziell Betroffener zur Forderung von Attac nach einer Abgabe auf große Vermögen? Hört das Engagement da auf?
* eine ironische Selbstbetitelung der „Ärzte“
[lacht] Es ist ja so: Seit zwanzig Jahren bin ich damit beschäftigt, in Kneipen ständig Runden zu schmeißen und mich permanent bei irgendwelchen Freunden für mein Geld zu entschuldigen, das muss ich dann nicht mehr, dann habt ihr schon was Gutes für mich getan [Gelächter]. Nein, im Ernst, ich finde das natürlich richtig, auch wenn es mich selbst betrifft. Wir werden das im Wahljahr jetzt öfter zu hören bekommen – gestern erst von Steinbrück – dass die Reichen mehr zur Kasse gebeten werden. Aber mir ist das nach einem Modell von Attac natürlich viel lieber, wenn ich dann weiß, dass das bedeutet, dass mein Geld sinnvoll verwendet wird, also eben nicht in die Bundeswehr, oder in ein marodes Wirtschaftssystem, dessen Gewinne sich vorher aber Privatleute eingesteckt haben.
Und Deine Wünsche für Attac?
Ich wünsche mir, dass wir größer werden, weil Attac ein gutes Bindeglied ist zwischen systemkritischen Ansätzen und den Möglichkeiten für jeden einzelnen, was zu tun. Ich finde es gut, dass wir den Leuten zeigen können, dass man nicht zu einer Partei gehen muss, um politisch was zu bewegen. Jede Wählerstimme, die nicht rechts wählt, ist zwar wichtig, aber die größere Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung setze ich auf die Bewegung außerhalb des Parlaments.
Bela, vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Jule Axmann