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Da war ja was Wahlen in Frankreich

Frankreich hat Anfang Juli gewählt, und auch wenn das mittlerweile durch das olympische Spektakel und andere tagesaktuelle Geschehnisse in den medialen Hintergrund gedrängt wurde, bleiben die Geschehnisse rund um die Wahlen aktuell und sollten uns auch in Deutschland interessieren.

Die Parlamentswahlen in Frankreich, die am 30. Juni und 1. Juli stattfanden, bedeuteten schließlich neun Millionen Stimmen für eine Partei, die von SS-Angehörigen gegründet wurde. Andererseits heißt das Ergebnis aber auch: Fast genauso viele Stimmen gingen an ein Bündnis, das von der radikalen Linken bis zum ehemaligen Präsidenten François Hollande reicht, der bei Linken zurecht sehr unbeliebt ist.

Eigentlich hatte Frankreich ja gerade erst gewählt. Im Sommer 2022 fanden die Wahlen für die letzte reguläre Nationalversammlung statt, aus der sich eine Regierung geprägt von Macron-Unterstützer*innen bildete. Macron bewies seit 2022 aber vor allem eines: Wie liberale Politik schnell zum besten Freund der extremen Rechten werden kann und deren Wahlerfolge mit erkämpft. Nach der EU-Wahl im Juni löste er das Parlament auf, in der Hoffnung, sich durch Neuwahlen eine stärkere gesellschaftliche Unterstützung sichern zu können. Aber statt stärkerer Unterstützung für Macron brachte diese Wahl vor allem einen weiteren Aufschwung für die extreme Rechte und großer Sorge für viele Menschen, die in Frankreich leben.

Für migrantische, queere (also lesbische, schwule, trans und viele weitere) oder behinderte Menschen in Frankreich waren die Wochen vor der Wahl geprägt von Angst. Unsicherheit, ob man bei einem Wahlsieg der Rechtsextremen in Frankreich bleiben könnte, Angst, mit mehr Anfeindungen konfrontiert zu werden oder keinen Zugang mehr zu notwendiger medizinischer Versorgung (insbesondere für trans Personen oder behinderte Menschen) zu bekommen. Und auch nach der Wahl bestätigt das Ergebnis eine allgemeine Unsicherheit, die marginalisierte Gruppen seit Jahren spüren.

Wenn von Regierungsmitgliedern und Macron selbst rassistische, transfeindliche oder ähnliche Aussagen kommen, zeigt das, dass das liberale Establishment längst die Sprache, Rhetorik und Inhalte der Rechtsextremen übernommen hat. So kann zum Beispiel das im Frühjahr beschlossene Zuwanderungsgesetz als Erfolg für das rechtsextreme Rassemblement National (RN) verstanden werden, da es nicht wenige seiner Forderungen zum Gesetz macht. Und auch andere rassistische, autoritäre oder queerfeindliche Aussagen und Taten der Macron-Regierung zeigen, dass der »Sozial-Liberalismus«, mit dem Macron bei seinem ersten Wahlkampf warb, nur eine Fassade ist.

Neben allen beängstigenden Entwicklungen zeigt Frankreich aber auch, wie rechtsextreme Wahlerfolge abgemildert und bekämpft wer- den können. Zur Parlamentswahl schlossen sich linke Parteien von der radikalen Linken bis zur linken Mitte zusammen, um den RN zu stoppen. Das Bündnis, das sich nach seinem historischen Vorbild als »Neue Volksfront« bezeichnet, schaffte es schließlich in beiden Wahlgängen auf den zweiten Platz und konnte viele Wahlkreise gewinnen. Zudem brachte es in den Wochen vor den Wahlen tausende Menschen auf die Straße, die gegen rechts demonstrierten und zeigten, dass Antifaschist*innen selbst in rechten Hochburgen präsent und laut sind.

Insgesamt hat der französische Wahlkampf vor allem zwei gegensätzliche Pole offensichtlich werden lassen: auf der einen Seite eine gesellschaftliche Linke, die sich in der Krise verbündet, und auf der anderen Seite ein liberales Lager, das um jeden Preis an der Macht bleiben will und dafür sogar eine rechtsextreme Regierung riskiert.

Doch auch nach der Wahl bleibt die politische Lage Frankreichs instabil: Präsident Macron weigerte sich, zeitnah eine*n neue*n Premierminister*in zu benennen und somit den Weg zur Regierungsbildung freizumachen. Für Macron stand seit Ende Juli vor allem die Inszenierung rund um die Olympischen Spiele im Mittelpunkt, da wäre ein*e neue*r Regierungschef*in als Medienthema wohl ungünstig gewesen – Stabilität des Landes hin oder her.

Schließlich scheinen für viele Menschen in Frankreich die Wahlen schon wieder lange her und die eigentliche Debatte rund um die Regierungsbildung auf nach der Sommerpause verschoben zu sein. Doch Anlass zur politischen Auseinandersetzung gibt es trotzdem: Seien es die Millionen Staatsgelder, die in die Reinigung der Seine für die Olympischen Spiele versenkt wurden, die Studierenden, die aus demselben Grund aus den staatlichen Wohnheimen ausziehen mussten, oder auf der anderen Seite die Eröffnungszeremonie, welche für manche Konservative einen weiteren Anlass für Kulturkampf bot. Die politischen Probleme in Frankreich bleiben aktuell, auch wenn sie zeitweise von den Olympischen Spielen überlagert wurden.

Für marginalisierte Menschen heißt das, dass ihre Sicherheit und Rechte erneut für unwichtig befunden wurden und erst zum nächsten Wahlkampf wieder als Diskussionsthema hervorgeholt werden, wenn es darum geht, Wählerstimmen zu gewinnen.

Noa Neumann studiert in Frankreich und Deutschland und ist aktiv bei der Attac-AG Internationales und bei Junges Attac.