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An vielen Schrauben drehen! Menschen in Attac

Alfred Eibl, 75, ist aktiv in der Attac-Arbeitsgemeinschaft Finanzmärkte und Steuern und seit vielen Jahren im Koordinierungskreis von Attac. Wir haben mit ihm über das Steuerkonzept der AG gesprochen und darüber, warum Finanzmärkte ein spannendes Thema sind.

Alfred, wie hat es mit dir und Attac angefangen?

So genau weiß ich das nicht mehr. Nach meiner Berufstätigkeit habe ich mich gefragt: Wo engagiere ich mich jetzt? Und irgendwie war Attac schon immer auf meinem Radar. Ich wollte mich nicht in einer Partei engagieren, weil man da eben ein ganzes Parteiprogramm vertreten muss, und damit auch Positionen, mit denen man nicht übereinstimmt. Mich auf Steuerund Finanzpolitik zu konzentrieren, das war schon eher mein Ding. Und dann ist es 2014 Attac geworden, und ich bin schnell bei der AG Finanzmärkte und Steuern gelandet. Die hat mir dann nahegelegt, die AG auf Bundesebene zu vertreten, und schon war ich im Koordinierungskreis.

Du hast ja eine lange Gewerkschaftserfahrung, engagierst dich also nahezu immer schon politisch. Wie kam es dazu?

Mein Elternhaus war ursprünglich kleinbäuerlich. Es wurde kleinbürgerlich, weil der Krieg meiner Mutter in Schlesien das Land genommen hat, und meinem Vater das Bein. So konnten sie keine Landwirt*innen mehr sein und fanden Arbeit bei der Eisenbahn. Ich war der Erste in der Familie, der dann nicht nur die Volksschule besucht hat, sondern nach der Realschule noch die Ingenieursschule – eine klassische Aufstiegschance für Menschen ohne bildungsbürgerlichen Hintergrund. Schon an meinem ersten Studientag stand ich am Salvatorplatz in München und skandierte bei den Protesten gegen den damaligen bayrischen Kultusminister »Haut den Huber in den Zuber!«. Das war der Startpunkt meines politischen Engagements, das ich dann im Allgemeinen Studentenausschuss als Verantwortlicher für die Kasse fortgeführt habe.

Ähnliches machst du als Mitglied der Finanz AG des Kokreises ja auch für Attac. Finanzen sind also schon lange dein Thema?

Ja, für Finanzthemen hatte ich was übrig. Das hat auch dazu geführt, dass ich mich früh in der Gewerkschaft engagiert habe – weil es da auch um Geld geht, nämlich darum, mehr Geld rauszuholen. Ich wurde Betriebsrat, Betriebsratsvorsitzender und, nachdem mein Tätigkeitsbereich als Infineon verselbstständigt wurde, dort auch Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Eine spannende Zeit hatte ich in meinen zehn Jahren im Aufsichtsrat von Infineon; da habe ich viel gelernt darüber, wie Kapitalismus funktioniert. Das einschneidendste Erlebnis war, dass 2008 das Unternehmen kurz vorm Konkurs stand und dann von der amerikanischen »Heuschrecke« Apollo gerettet wurde: Infineon brauchte Kapital, um eine Anleihe abzulösen. Das Unternehmen schrieb zwar schwarze Zahlen, brauchte dafür aber Geld – genau zur Hochzeit der Finanzkrise, in der es keine Chance gab, an Kredite zu kommen. Deshalb musste der Kapitalmarkt angezapft werden. Apollo kündigte an, alle Aktien, die vom Markt nicht aufgenommen werden, aufzukaufen, weil sie an das Unternehmen glauben – und schon war die Welt eine andere. Der Markt vertraute der Einschätzung von Apollo und kaufte Aktien, die Banken waren nach dieser Aussage auch plötzlich bereit, Geld zu geben, und am Ende landete keine einzige Aktie bei Apollo, weil alle vom Markt aufgenommen wurden. Das war für mich der Auslöser für mein Interesse am Kapitalmarkt.

Ihr habt mit der AG ein umfassendes Steuerkonzept veröffentlicht. Was war dabei der Hintergedanke?

Wir haben in der Vergangenheit viel an einzelnen Punkten gearbeitet, ohne dass immer klar war, ob und wie sie zu veränderten Strukturen führen. Jetzt wollten wir ein Gesamtbild herstellen: Wie stellen wir uns ein ideales Steuerkonzept vor? Davon ausgehend haben wir uns Einzelmaßnahmen überlegt, um diesem Bild nochmal näher zu kommen. Und wenn ich an einer Schraube drehe, muss ich auch an anderen drehen, um dem Ideal näher zu kommen. Das Gesamtbild ist ein notwendiger Ansatzpunkt, um die Reichtumsumverteilung von unten nach oben wieder umzudrehen.

Finanzmärkte und Steuern gilt ja als vergleichsweise »trockenes« Thema. Wie kann man Menschen für diese Themen begeistern?

Am besten geht das an konkreten Beispielen. Wie bei unserem aktuellen Thema »Tax the Rich«: Wir brauchen Geld, um unsere Lebens- und Wirtschaftsweise auf Nachhaltigkeit hin zu transformieren. Woher kommt das Geld dafür? Und schon ist man beim Thema Steuern. Außerdem finde ich es wichtig, nicht nur kluge Papiere zu schreiben, sondern auch mit Aktionen auf die Straße zu gehen. Unsere Inhalte weiterzugeben funktioniert über unsere Bildungsarbeit, unsere Regionalgruppen, aber eben auch über unsere Aktionen. Das ist ein essenzieller Bestandteil von Attac: Schnittstelle zu sein zwischen wissenschaftlicher Information, politischen Forderungen und ihrer Platzierung in der Öffentlichkeit.