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Rosenmontag: Wachstumskritisch aus der Reihe tanzen

Globalisierungskritische Pappnasen mischen Kölner Karneval auf

Kölsche Traditionskarnevalisten geben sich gern wortradikal. "Mer Kölsche danze us der Reih" lautet das Motto in diesem Jahr. So richtig aus der Reihe getanzt sind am heutigen Rosenmontag aber nur die globalisierungskritischen Pappnasen Rotschwarz im inoffiziellen "Zoch" vorm Kölner Rosenmontagszug. Unter dem Motto "Mer klääve nit am Wachstumswahn, mer danze us der Reih" (auf Hochdeutsch: "Wir glauben nicht an den Wachstumswahn, wir tanzen aus der Reihe") zogen die 120 politischen Narren und Närrinnen durch die Straßen und die Wachstumsideologie durch den Kakao.

Großpuppen wie das Bayer-Montanto-Monster oder Glücksprinz Karl Marx

Vor den rund 500.000 Menschen am Straßenrand präsentierten sie "Der große Knall – Die schlaue Show zum Wachstumswahn", zeigten Großpuppen wie das Bayer-Monsanto-Monster oder den Glücksprinz Karl Marx. Passend zu den umgetexteten Karnevalshits und Schlagern (Wachstumswahn, Der Kappetalismus) gab es bunt-satirische Flugblätter, die den "Us-der-Reih-Danzkurs" mit seinen krassen Moves wie dem "Break-the-Monopoly-Dance" bewarben.

Den Anfang des aus der Wachstumsreihe tanzenden Jeckenzugs machten die "Wirtschaftswaisenknaben". Sie repräsentierten den universellen Slogan der Ideologie "höher, schneller, mehr". Im Verlauf der Choreographie wurden die Folgen dieses Wahns deutlich und die Zuschauer konnten sich vor dem "Glyphosatan" gruseln oder mit den Opfern mitleiden, zum Beispiel dem Eisbär auf zu kleiner Scholle, der letzten Biene oder dem Inselbewohner ohne Heimat. Solche Schicksale riefen natürlich den Widerstand des kölschen Ziviljeckentums auf den Plan, angeführt vom Glücksdreigestirn. Widerständig sangen sie aus voller Brust: "D’r Kappetalismus, dä hät eene Voll-Schuss – einer fängk ze wachse an, bis jeder mitmuss" (auf Hochdeutsch: "Der Kapitalismus hat einen Voll-Schuss – einer fängt zu wachsen an, bis jeder mit muss.")

Demokratie wagen und Wachstumsideologie hinterfragen

Das Us-der-Reih-Danze interpretierten die Pappnasen gewohnt hochpolitisch: "Aus der Reihe tanzen heißt Demokratie wagen statt abbauen, Konzerne zerschlagen statt fusionieren oder eben Wachstumsideologie hinterfragen statt ausweiten", sagt Pappnase Thomas Pfaff von Attac Köln. Ganz unbescheiden betrachten sich die Nicht-Mitglieder des nicht-eingetragenen Karnevalsvereins von 2007 (damals noch unter dem Namen G8-Pappnasen) als eigentliche Vertreter der obrigkeitskritischen Tradition im Kölner Karneval. Thomas Pfaff: "Wir singen nicht umsonst 'Sulang mer noch am Lääve sin, jonn mer dojeje an', also: 'So lange wir noch am Leben sind, gehen wir dagegen an'. Kritik an den Mächtigen – das ist unser jeckes Lebensgefühl. Der Kölner Karneval braucht neben der Ehrengarde und der Prinzengarde eben auch eine Avantgarde."