G20-Proteste in Hamburg: Gericht verkennt erneut Bedeutung von Camps für Versammlungsfreiheit
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg lässt die massive Behinderung des von Attac und anderen Gruppen organisierten G20-Protestcamps im Jahr 2017 erneut ungerügt: Die Richter*innen der zweiten Instanz haben am Donnerstag die Berufungsklage von Attac Deutschland und dem Hamburger Verein Comm e.V. gegen die zeitweilige Verhinderung und die Beschränkungen des Camps im Altonaer Volkspark abgewiesen. Attac wird eine Revision gegen das Urteil prüfen, sobald die Urteilsbegründung vorliegt.
"Wir bedauern dieses enttäuschende Urteil. Demokratischer Protest – dazu gehören auch Protestcamps und deren Infrastruktur – muss bei derartigen Großereignissen uneingeschränkt möglich und vom Versammlungsrecht geschützt sein. Wir halten diese Duldung des Angriffs auf politische Grundrechte durch Stadt und Polizei Hamburg für sehr bedenklich. Es war der erklärte politische Wille des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz und des G20-Einsatzleiters Hartmut Dudde, Camps sogar in der gesamten Stadt zu verhindern. Dieser Einschätzung hat das Gericht ausdrücklich nicht widersprochen. Dieser Versuch, demokratischen Protest kleinzuhalten und zu unterbinden, ist für uns nicht akzeptabel. Wir werden eine Revision prüfen", sagt Dirk Friedrichs von Attac Deutschland.
Stadt und Polizei Hamburg hatten 2017 gemeinsam alles daran gesetzt, im gesamten Stadtgebiet auch außerhalb der 38 Quadratkilometer großen Versammlungsverbotszone Camps für angereiste Gipfelkritiker*innen zu verhindern. Dabei behaupteten sie, Camps und die notwendige Infrastruktur für Proteste wie Unterbringungs-, Versorgungs- und Sanitärgelegenheiten stünden nicht unter dem Schutz von Artikel 8 des Grundgesetzes. Dem widersprechen – anders als die Richter*innen am Hamburger Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht – zahlreiche andere Gerichtsurteile zu Protestcamps, die klarstellen, dass Camps inklusive der Infrastruktur von der Versammlungsfreiheit gedeckt sind, sofern angereiste Bürger*innen ohne sie nicht an mehrtägigen Protesten teilnehmen können. Dies war aus Sicht von Attac in Hamburg eindeutig der Fall.
Mit dem Camp in Altona wollten die Organisator*innen 2017 einen Ort schaffen, der die Meinungsbildung und den Protest gegen den G20-Gipfel unterstützt, aber gleichzeitig auch als Unterbringung für Protestaktionen in der Stadt dient. Stadt und Polizei boykottierten das Camp jedoch mit allen Mitteln, sodass der Aufbau erst stark verzögert beginnen konnte. Schlaf- und Versorgungszelte durften zunächst gar nicht aufgebaut werden. Statt des geplanten Camps mit vollständiger Infrastruktur wurden erst nur wenige Versammlungszelte und Toiletten zugelassen. Mit mehrtägiger Verzögerung wurde ein Bruchteil der geplanten Schlafzelte sowie eine Küche und zwei Waschzelte erlaubt. Der Versuch weitere Beschränkungen aufzuheben, blieb jedoch erfolglos.
Unterstützt wurde das Camp von einem breiten Bündnis, zu dem Attac, der Verein Comm e.V., der Landesjugendring Hamburg, der Motorradclub Kuhle Wampe, Die Falken, Studierendenverbände, DIEM 25, das Befreiungstheologische Netzwerk, die Linksjugend Solid, das Bündnis Jugend gegen G20, das Bündnis G20 Entern und die Interventionistische Linke gehörten.
Für Rückfragen:
Dirk Friedrichs, Attac Deutschland, Tel. +49 177 3276 659
Frauke Distelrath, Geschäftsführerin Attac Deutschland, Tel. +49 152 2848 2449
Rechtsanwältin Ulrike Donat, Kanzlei Ulrike Donat, Tel. +49 40 3980 6130