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US-Regierung kauft Immobilienbanken

Die angeschlagenen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac werden verstaatlicht: mit einem Milliardenpaket an Steuergeldern versucht die US-Regierung, das Finanz- und Bankensystem vor dem Kollaps zu schützen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelt: "Eine Zäsur der Wirtschaftspolitik". In der Tat handelt es sich nicht um die erste Verstaatlichung der amerikanischen Geschichte, aber um eine besonders folgenschwere. Seit dem Platzen der Spekulationsblase auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt im Herbst letzten Jahres (siehe Hintergrundartikel) stehen die beiden größten Hypothekenbanken der USA auf der Kippe.

Jahrelang sorgten sich die US-amerikanische und internationale Finanzpolitik darum, ein Finanz- und Bankensystem zu erhalten bzw. zu fördern, das möglichst ohne staatliche Eingriffe organisiert ist. Die Notbremse seitens der US-Regierung entspricht dem Eingeständnis, dass der mögliche Kollaps der beiden Banken (eine Folge dieser Politik) nicht tragbar ist. Es handelt sich um einen sehr kostenintensiven Bestandteil des Rettungsprogramms gegen eine der schwersten Finanzmarktkrisen der amerikanischen Geschichte.

Fannie Mae gehört jetzt dem Staat. Foto von NCinDC/FlickrFannie Mae und Freddie Mac (an der Börse geläufige Spitznamen für die Kürzel FNMA und FHLMC) sind börsennotierte Institute mit zugleich öffentlich-rechtlichem Status. Sie besitzen oder garantieren knapp die Hälfte aller Hypotheken auf US-Wohnimmobilien und sind aufgrund ihrer Größe über gegenseitige Anleihen und Beteiligungen mit Banken auf der ganzen Welt vernetzt. Ein Kollaps dieser Schwergewichte würde nicht nur die US-Wirtschaft massiv beeinträchtigen, sondern hätte zugleich unabsehbare Folgen für die weltweiten Finanzmärkte. Während andere gestrauchelte Banken bereits dicht gemacht wurden, sind Fannie Mae und Freddie Mac "too big to fail": zu groß, um untergehen zu dürfen. Zum einen würde ihre Pleite voraussichtlich einen Domino-Effekt auslösen und zahlreiche weitere Institute und Volkswirtschaften mit sich reißen. Zum anderen haben japanische, chinesische und russische Investoren im vergangenen Jahr erhebliche Anleihen auch dieser beiden Banken aufgekauft. Gerade asiatische Zentralbanken haben viele Papiere von Fannie und Freddie übernommen, um die Dollars wieder anzulegen, die sie täglich durch ihre Devisenmarktinterventionen ankaufen. Ein Konkurs würde einen erheblichen Anteil der Devisenreserven der entsprechenden Banken verbrennen. Dies könnte wiederum für den Dollar fatale Folgen haben: Sollte zum Beispiel China wegen herber Verluste mit Fannie und Freddie aufhören, den Wert des Dollars durch weitere Interventionen zu stützen, würde ihm der freie Fall drohen, ein globaler Währungskollaps.

Am Wochenende stellte US-Finanzminister Henry Paulson seinen Rettungsplan vor, der vorsieht, dass die Regulierungsbehörde für Hausfinanzierungen auf unbestimmte Zeit die Führung der Baugiganten übernehmen wird. Die neuen Vorstände sind nicht mehr verpflichtet, die Interessen der Aktionäre zu vertreten – insofern werden vorerst keine Dividenden ausgeschüttet. Allerdings hat sich das Finanzministerium bereit erklärt, für jeweils bis zu 100 Milliarden Dollar Vorzugsaktien der Banken zu zeichnen und ihnen zudem Anleihen abzukaufen. Die Kurse von Fannie Mae und Freddie Mac waren innerhalb des letzten Jahres um rund 90 Prozent gefallen; die Haushaltsbehörde des US-Kongresses geht daher von etwa 25 Milliarden US-Dollar Kosten für die Steuerzahler aus. Aufgrund der hohen Risiken und Abschreibungen schätzen Finanzexperten die Gesamt-Belastung jedoch auf 300 Milliarden US-Dollar und mehr.

Dieser Fall beweist einmal mehr, wie sehr sich die Heilslehre der allumfassenden Marktwirtschaft von den realen Zusammenhängen abgekoppelt hat. Gerade Banken dürfen nicht wie „normale“ Unternehmen behandelt werden, zu bedeutsam sind sie für eine funktionierende nationale und internationale Wirtschaft. Im Falle einer Pleite – auch bei kleineren Banken – haften an letzter Stelle immer die SteuerzahlerInnen. Die Rettung und staatliche Kontrolle von Fannie Mae und Freddie Mac bewahrt vor noch größeren Verlusten, hätte allerdings schon früher geschehen müssen. Letztlich handelt es sich um eine Maßnahme zur Symptombekämpfung. Um vergleichbare Spekulationsblasen und Wirtschaftskrisen in Zukunft zu vermeiden, muss das Finanzsystem insgesamt kritisch überprüft und neu reguliert werden. Attac hat in einem Positionspapier eine umfassende Liste von Forderungen mit notwendigen Regulierungsmaßnahmen zusammengestellt. Der derzeitige Leidensdruck ist groß genug – auf der Suche nach Auswegen wird die Politik an unseren Alternativen kaum vorbeikommen.