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Finanzbildung mit parteipolitischer Agenda

Studie von Attac und Otto Brenner Stiftung kritisiert die Einseitigkeit der Finanzbildungsinitiative der Bundesregierung

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 7. Oktober einen Referentenentwurf veröffentlicht, dem zu Folge die „Initiative Finanzielle Bildung“ gesetzlich verankert und mit neun Millionen Euro jährlich ausgestattet werden soll. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte diese Initiative im Frühjahr 2023 gemeinsam mit seiner Parteikollegin, Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, ins Leben gerufen. Die Initiative sollte in Zusammenarbeit mit der OECD eine nationale Finanzbildungsstrategie entwickeln und Impulse zur Stärkung der finanziellen Bildung in Deutschland geben.

In Kooperation mit Attac Deutschland hat die Otto Brenner Stiftung den Erziehungswissenschaftler Professor Thomas Höhne (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) beauftragt, die Initiative der Bundesregierung zu untersuchen. Sein Fazit: Die Initiative wird dem Anspruch, unabhängige finanzielle Bildung zu fördern, nicht gerecht. Das eigentliche Anliegen der FDP-dominierten Initiative scheint vielmehr ein parteipolitisches zu sein – es geht darum, möglichst viele Menschen zum Investieren an den Finanzmärkten zu bewegen.

Im Zentrum der „Initiative Finanzielle Bildung“ steht die sogenannte „Finanzbildungsplattform“ www.mitgeldundverstand.de. Dort sollen bestehende Angebote aus dem Bereich der finanziellen Bildung gebündelt und ein leichterer Zugang zu diesen ermöglicht werden. Doch die Studie zeigt: Nur acht Prozent der insgesamt 449 zur Verfügung gestellten Angebote lassen sich als Bildungsmaterial qualifizieren. Hauptsächlich werden schon bestehende staatliche Informationsangebote ohne didaktisches Konzept präsentiert. Zudem werden zum Teil einseitige politische Positionen als Bildungsmaterial deklariert, wie die Analyse eines Videos zur Schuldenbremse zeigt.

Finanzielle Bildung parteipolitisch geprägt

Der Autor der Studie kommt zu dem zentralen Befund, dass die „Initiative Finanzielle Bildung“ eindeutig die parteipolitische Handschrift der FDP trägt. So wird die Initiative Top-down durch das Bundesfinanzministerium gesteuert. Auch inhaltlich bestehen deutliche Überschneidungen mit der wirtschaftspolitischen Agenda der FDP (Stichworte: Aktienrente, Generationenkapital, Altersvorsorgedepot). Besonders problematisch: Die Initiative ignoriert die Existenz seit Jahrzehnten gewachsener zivilgesellschaftlicher Strukturen und ihrer Expertisen im Bereich der finanziellen Bildung. Institutionen wie die Verbraucherzentralen oder Schuldnerberatungen, die über ein breites Erfahrungswissen und umfassende Bildungsangebote verfügen, werden zugunsten kommerzieller und lobbyistischer Akteure in den Hintergrund gerückt.

Nach Aussagen der federführenden Ministerien sollen mit der Initiative der Bundesregierung insbesondere armutsbetroffene „vulnerable Gruppen“ erreicht werden. Mit der Unterstellung, ihnen fehle entscheidendes Wissen über Finanzmärkte und Anlageformen, wird die Notwendigkeit verstärkter Finanzbildung weiter legitimiert, so Höhne. Gleichzeitig bleiben aber die gesellschaftlichen Bedingungen prekärer Lebenssituationen als strukturelles politisches Problem ausgeblendet. Menschen, die nicht investieren können, wird die Verantwortung für ihre Situation tendenziell selbst zugeschrieben.

Dazu sagt der Autor der Studie, Thomas Höhne: „Die Finanzbildungsinitiative von BMF und BMBF verfolgt primär eine aktivierungspolitische und wirtschaftsliberale Zielsetzung: Die Investitionsbereitschaft der Bevölkerung in Aktien soll erhöht werden. Dafür wird die Finanzbildung instrumentalisiert, wovon die fälschlich als Bildungsplattform deklarierte Webseite ‚mitgeldundverstand‘ zeugt, die kaum Bildungsmaterialien enthält. Mit der geplanten Integration privat(wirtschaftlich)er Anbieter ist eine Marginalisierung zivilgesellschaftlicher Akteure, wie Schuldnerberatung oder Verbraucherorganisationen, zur Finanzbildung zu befürchten. Neben ‚konservativen Sparer*innen‘ werden ‚vulnerable Gruppen‘ stereotyp als spezifische Problem- und Risikogruppen dargestellt, ohne sozioökonomische Ungleichheit zu thematisieren.“

Plurale ökonomische Bildung statt neoliberale Finanzbildung

Holger Oppenhäuser, Projektleiter der Studie bei Attac, betont die Einseitigkeit der FDP-Initiative und präsentiert eine alternative Bildungsplattform: „In der ökonomischen Bildung dominiert die Neoklassik und Lernende werden meist als Verbraucher*innen oder Unternehmer*innen angesprochen, nicht als Bürger*innen, die ökonomische Verhältnisse gestalten. Bei den frei erhältlichen Materialien überwiegen privatwirtschaftliche Angebote – gerade von der Finanzindustrie. All das gilt besonders für das engere Feld der Finanzbildung. Dass die FDP das fördert, überrascht nicht. Aber es ist dreist, wie hier die eigene ‚Finfluencer‘-Blase aus Steuermitteln gefördert wird und wie parteipolitische Positionen als Bildung verkauft werden. Wir setzen mit unserer alternativen Bildungsplattform (www.geldmitverstand.de) gezielt einen Kontrapunkt zur FDP-Plattform und fordern die Regierung auf, den FDP-Entwurf im Kabinett zu stoppen. Stattdessen sollte eine plurale ökonomische Bildung gefördert werden.“

Christopher Altgeld, Projektleiter der Studie bei der Otto Brenner Stiftung, ergänzt: „Ob in der Wirtschaftsberichterstattung, der Journalismus-Ausbildung oder der Politikberatung: Seit Jahren stellen Studien der Otto Brenner Stiftung eine Dominanz wirtschaftsliberaler Positionen fest. Auch die ‚Initiative Finanzielle Bildung‘ treibt diese Verengung des ökonomischen Diskurses voran. Statt Perspektivenvielfalt zu fördern, wird steuerfinanziert der Mythos der politischen Neutralität liberaler Finanzbildung verstärkt. Mit der Studie tragen wir zu einer breiten öffentlichen Debatte über Sinn und Zweck der Initiative bei. Es bedarf größerer Transparenz, eines breiteren Themenangebots und einer stärkeren Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure.“