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Steuerraub per Amtsarzt

Ein bizarrer Fall: Jahrelang gingen Frankfurter Steuerfahnder erfolgreich gegen Steuerhinterziehung vor. 2001 wurde die Abteilung plötzlich aufgelöst, mehrere der Beamten wurden für psychisch instabil erklärt. Derzeit werden die Hintergründe gerichtlich wieder aufgerollt.

Es klingt wie das Drehbuch eines schlechten Films:

Die hessischen Steuerfahnder genossen einen tadellosen Ruf. Sie wurden gelobt und geschätzt für ihre Arbeit, mit der sie dem Staat mehrere hundert Millionen an entgangenen Steuereinnahmen verschafften - bis 2001, wo sich einige von ihnen gegen eine Verfügung wehrten, die dazu geführt hätte, zahlreiche Fälle mit Anfangsverdacht (und aus einem bestimmten Jahrgang) nicht weiter zu verfolgen.

Als Reaktion wurden die Abweichler systematisch degradiert und strafversetzt. Anfang 2004 wurde die Abteilung Steuerfahndung V dann vollständig aufgelöst; die Fahnder wurden verstreut und auf einflusslose Pöstchen versetzt. Die Betroffenen protestieren, es kommt sogar zu einem Untersuchungsausschuss im Landtag – doch der Kronzeuge kann sich überraschenderweise an nichts mehr erinnern. So geht es weiter bis 2006, viele der ehemals erfolgreichen Steuerfahnder wehren sich immer noch verzweifelt gegen das berufliche Abstellgleis, auf das sie geschoben wurden. Dann wird eine weitere Maßnahme eingeleitet: Einige der Schlüsselpersonen werden vorgeladen zu einem psychologischen Gutachten. Mit der Diagnose „paranoid-querulantischer“ Charaktereigenschaften und Anpassungsstörungen werden sie vom Dienst suspendiert.

Die aktuelle Untersuchung beschäftigt sich mit diesem vorläufig letzten Kapitel der Geschichte. Der verantwortliche Psychiater muss sich wegen des Verdachts auf Gefälligkeitsgutachten vor Gericht verantworten. Er bleibt abzuwarten, welchen neuen Winkelzug das Geflecht aus Klüngel und Verschleierung sich diesmal einfallen lassen wird. Stern, Spiegel und weitere Medien brachten derweil ans Tageslicht, was zuvor nur als Gerücht auf den Bürofluren herumirrte: Dass die hessische CDU und ihr Finanzminister Weimar offenbar ein erhebliches Interesse daran haben, ihre damalige Schwarzgeldaffäre nicht durch Schnüffler aus eigenem Hause weiter eskalieren zu lassen.

Die Implikationen dieses Vorgangs sind erschreckend, zumal es sich um keinen Einzelfall handelt. Im Dezember 2008 wurde die engagierte Staatsanwältin Margit Lichtinghagen kurz vor Beginn des Prozesses um den milliardenschweren Steuerraub des ehemaligen Postchefs Zumwinkel zwangsversetzt. Dabei braucht es gerade jetzt starke Kontrollorgane, um ausfindig machen zu können, wer sich per Steuerhinterziehung und Geldwäsche, und - weitergehend - aus Bankenrettung und Konjunkturprogrammen bereichert. Ein Staat, in dem politische und wirtschaftliche Interessenträger die Exekutive so wirkungsvoll zu behindern vermögen, benötigt aber auch noch deutlich mehr Enthüllungsarbeit und Transparenz.