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Nein zum Pakt für Wettbewerbsfähigkeit

Stellungnahme des Europäischen Attac-Netzwerks

In einem <media 55326 _blank external-link-new-window-arrow "Opens external link in new window">offenen Brief</media> an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union kritisiert das Europäische Attac-Netzwerk die autoritären Tendenzen und den Abbau sozialer Standards in der EU: 

Das Europäische Attac-Netzwerk ist sehr besorgt über den von Kanzlerin Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgeschlagenen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit". Dieser Pakt würde einen weiteren Schritt des neoliberalen und autoritären Umbaus der EU und insbesondere der Eurozone darstellen. Soziale Standards und Arbeitnehmerrechte würden abgebaut und immer mehr Entscheidungen in die Hände nicht demokratisch legitimierter Technokraten der Europäischen Kommission gelegt werden. 

Kurz nach dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise, die ihre Wurzeln in deregulierten Finanzmärkten, einer ständig wachsenden Ungleichverteilung von Wohlstand und wachsenden ökonomischen Missverhältnissen in Europa hat, haben die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten die Krise erfolgreich zu einer öffentlichen Schuldenkrise umdefiniert, für die Sozialstaaten und zu hohe Löhne verantwortlich seien. Seit 2009 wurden aufbauend auf dieser Umdeutung Maßnahmenpakete wie der Six Pack, der ESM, der Fiskalpakt oder der Two Pack verabschiedet. Der ESM verteilt öffentliche Gelder an private Banken um und erhöht zugleich den Druck auf Sozialausgaben und Löhne in den besonders hart von der Krise betroffenen Ländern. Six Pack und Fiskalpakt installieren einen dauerhaften, europaweiten Druck auf öffentliche Ausgaben. Die sozialen Folgen dieser Politik sind Armut, Entbehrung, Ausgrenzung und Ungleichheit. Daneben verschärfen die genannten Maßnahmen die Krise, indem sie die EU in die Rezession treiben.

Aktuell werden im Rahmen der Diskussionen um eine "Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion" weitere Schritte geplant. Die diskutierten Maßnahmen würden faktisch die dauerhafte Installierung einer demokratisch extrem schwach legitimierten, neoliberalen und zentralisierten Regierung mit großem politischen Einfluss bedeuten. Das Europäische Attac-Netzwerk ist besonders über die folgenden Vorschläge besorgt:

  • Ein neuer Typ von bilateralen Verträgen zwischen allen Staaten der Eurozone und der EU: Mit diesen Verträgen würden sich die Staaten verpflichten, so genannte "Strukturreformen" zu realisieren und die Empfehlungen der Europäischen Kommission umzusetzen, um ihre "Wettbewerbsfähigkeit" zu erhöhen. Dieser Ansatz folgt der Memoranden-Politik, durch die über die Troika u.a. in Griechenland, Portugal und Irland sehr weitreichende politische Maßnahmen von außen vorgeschrieben werden.
  • Ein gemeinsames Budget der Eurozone bzw. ein "Solidaritätsfond": Ein neues Budget soll geschaffen werden, um Anreize zur Beseitigung "struktureller Schwächen" zu schaffen. Von diesem Budget sollen vor allem jene Staaten profitieren, die bereit sind, weitreichenden "Strukturreformen" umzusetzen.
  • Weitere Vorschläge, die im Europäischen Rat diskutiert werden, beschäftigen sich mit einer noch strikteren Überwachung der nationalen Haushaltspolitik. Die Europäische Kommission soll in die Lage versetzt werden, nationale Haushaltspläne zu genehmigen bzw. abzuweisen.
  • Wenn diese Maßnahmen umgesetzt werden, wird der Druck auf Löhne und Sozialleistungen weiter erhöht. Während ein gemeinsames Budget der Eurozone und neue Mechanismen der Überwachung nationaler Haushaltspolitik offenbar erst mittelfristig auf die Tagesordnung kommen, werden die bilateralen Verträge als "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" insbesondere von der deutschen Regierung intensiv vorangetrieben. Im Rahmen der EU-Gipfel im März und insbesondere im Juni sollen hier große Schritte gemacht werden.
  • Eine Erhöhung der "Wettbewerbsfähigkeit" im Sinne des Paktes ist gleichbedeutend mit Sozialabbau, Lohnrepression, einem Abbau des öffentlichen Sektors, Deregulierung und Privatisierung. Es handelt sich beim "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" letztlich um eine Europäisierung der Memoranden-Politik, wie sie bisher vor allem in Südeuropa durchgesetzt wird. Angela Merkel sagte in Davos, dass die Verträge im Rahmen des Paktes u.a. die folgenden Bereiche abdecken sollen: Forschung, Infrastruktur, Verwaltung und Lohnkosten. Insbesondere der zu erwartende Druck auf Löhne und generell auf das Lohnfindungssystem und Arbeitnehmerrechte stößt beim Europäischen Attac-Netzwerk auf scharfe Kritik.

Zusätzlich zu den negativen sozialen Folgen bedeuten die genannten Pläne zur "Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion" eine weitere scharfe Attacke auf die Demokratie. Die Verträge zielen darauf ab, die wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielräume der nationalen Parlamente auf ein Minimum zu reduzieren. Auch für das Eurozonen-Budget wurde bisher kein glaubwürdiges Modell der demokratischen Kontrolle vorgeschlagen. Die diskutierten Maßnahmen bedeuten daher einen Angriff, sowohl auf soziale Rechte als auch auf die Demokratie.

Das Europäische Attac-Netzwerk lehnt diese Pläne daher entschieden ab. Wir werden uns intensiv dafür einsetzen, dass sie nicht Realität werden. Anstelle einer weitergehenden Vertiefung des autoritären, neoliberalen Integrationsmodells fordern wir:

  • eine direkte Finanzierung der Staaten, unabhängig von den Finanzmärkten durch eine demokratisch kontrollierte Zentralbank;
  • die Durchführung von Schuldenaudits und Schuldenschnitten, die dazu führen, dass Banken und andere Finanzmarktakteure ihren Teil an den Kosten der Krise selbst tragen;
  • eine koordinierte Erhöhung der Besteuerung von Vermögen und Profiten sowie ein koordiniertes Vorgehen gegen Steuerflucht und -hinterziehung;
  • eine Schrumpfung der Finanzmärkte, bspw. durch ein Verbot von Hochfrequenz-Handel, Leerverkäufen und außerbörslichem Derivatehandel sowie eine Überführung des Bankensektors unter öffentliche Kontrolle;
  • eine öffentliche und demokratische Finanzierung der Wirtschaft, die soziale Rechte und hohe ökologische Standards garantiert; 
  • eine Politik die den Interessen der Menschen, nicht der Banken folgt;
  • echte Demokratie jetzt: die Demokratisierung von Entscheidungsfindungen auf allen Ebenen und eine Förderung transparenter, öffentlicher Debatten über die Zukunft Europas.


Europäisches Attac-Netzwerk
11. März 2013