Menü

Furchtbare Juristen in Dresden

Attac unterstützt Demo-Aufruf zum NSU-Prozessauftakt in München

Staatsanwaltschaft und Richter beim Dresdner Amtsgericht haben offenbar nichts aus dem Behördenversagen bei den NSU-Morden gelernt – oder wollen es nicht.  

Am Mittwoch vergangener Woche verurteilte der Dresdner Amtsrichter Hans-Joachim Hlava Tim H. als Teilnehmer der Anti-Nazi-Demo im Februar 2011, zu der auch Attac aufgerufen hatte, wegen Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruchs und Beleidigung zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung. Der Grund: Er soll andere Demonstrant_innen per Megafon aufgefordert haben, eine Polizeikette zu durchbrechen. Doch nicht einmal die Hauptbelastungszeugen der Staatsanwaltschaft konnten den Angeklagten eindeutig identifizieren. Hlava begründet seinen Urteilsspruch damit, der Angeklagte müsse "sich mit anrechnen lassen, was andere getan haben." Und: In Dresden müsse "endlich Schluss sein" mit Ausschreitungen. Dass er das Urteil nicht einmal zur Bewährung aussetzte, begründete der Richter damit, dass Tim H. vor Gericht geschwiegen habe. Wohlgemerkt: Die Aussage zu verweigern, ist in einem Rechtstaat eines der grundlegenden Rechte jedes Beschuldigten. Seitdem ist das Skandal-Urteil in den Schlagzeilen, gibt es Proteste dagegen.

Solidarität mit Tim

Noch erschreckender wird der fürchterliche Richterspruch, weiß man, dass Mitglieder der  Neonazigruppe Sturm 34, denen schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung nachgewiesen wurde, vom Landgericht Dresden im Sommer 2012 nur zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Doch selbst hierfür brauchten die Dresdner Richter Nachhilfe: In einem ersten Verfahren 2008 wollten sie keine Anhaltspunkte für die Bildung einer kriminellen Vereinigung sehen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil deswegen 2009 teilweise auf und verwies das Verfahren zurück an das Dresdner Gericht. 

Wie kommt es zu dieser skandalösen Schieflage in den Urteilen der Dresdner Justiz? Laut eigener Aussage geht es Staatanwaltschaft und Richter im Prozess um die Anti-Nazi-Demo darum abzuschrecken. Abschreckung wovon? Das engagierte Eintreten für demokratische Rechte und gegen die Nazis, für das die Naziblockaden in Dresden stehen, ist ihnen offenbar ein Dorn im Auge. Dass die Dresdner Juristen die Beteiligung an Anti-Nazi-Protesten unter Strafe stellen wollen, indem sie einen Demonstranten stellvertretend für andere zu einer Haftstrafe verurteilen, ist nicht hinnehmbar.

In ihrem Eifer, ein Exempel zu statuieren, haben sie nicht nur grundlegende Rechtsnormen übersehen. Staatsanwaltschaft und Richter in Dresden sind offenbar unfähig oder unwillens, etwas aus dem absoluten Versagen der Behörden bei der Aufklärung der NSU-Morde zu lernen.

Lange Zeit konnten Nazis unwidersprochen ihre Legende von den Deutschen als Opfer des 2. Weltkriegs pflegen – durchaus im Konsens mit Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit. Die Blockaden der Naziaufmärsche in Dresden haben diesen Konsens empfindlich gestört und sichtbar gemacht, worum es hier geht: die Verankerung von Gedankengut der extremen Rechten mitten in der Gesellschaft. Es ist dieser Konsens, der auch den Umgang der Behörden mit dem NSU bestimmt hat und es sind nicht zufällig die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden, die sich dabei durch konsequentes Vertuschen und Lügen in Untersuchungsausschüssen besonders hervorgetan haben.

Die Anti-Nazi-Aktivitäten in Dresden haben einen anderen Konsens befördert: einen antifaschistischen Konsens für eine demokratische und solidarische Gesellschaft, die selbstbewusst und auch mit Mitteln des Zivilen Ungehorsams den Schulterschluss zwischen Nazis und Rechtkonservativen blockiert. Diese Aktivitäten werden weitergehen: Ein Bündnis antifaschistischer Gruppen ruft für den Samstag vor Beginn des NSU-Prozesses – voraussichtlich wird das im April sein – zu einer bundesweiten Demonstration in München auf. Attac unterstützt den Aufruf und mobilisiert zur Demonstration.