Menü

EU-Vertrag bewilligt – Rückschlag für die Krisenpolitik

Mit der Ratifizierung in Tschechien ist der EU-Vertrag nun formal bewilligt. Doch anders als viele Medien behaupten, verringert diese „Reform“ die demokratische Kontrolle und befördert stattdessen den neoliberalen Umbau. Der Vertrag von Lissabon wird uns in Zukunft, speziell zur Bewältigung der Krise, noch viele Probleme bereiten.

Die Kritik und der Widerstand gegen die neue Grundordnung Europas haben eine lange Geschichte: 2005 wurde zunächst die EU-Verfassung durch die Volksabstimmungen in Frankreich und Niederlande abgelehnt. 2008 wurde der weitgehend identische Reformvertrag von Lissabon wohlweislich nur noch den Parlamenten der Mitgliedsländer vorgelegt, bis auf eine Ausnahme: In Irland ist die Volksabstimmung über eine solche weitreichende Frage verfassungsmäßig festgelegt – und prompt lehnte eine Mehrheit der Iren die Ratifizierung ab. Nach verschiedenen Sonderklauseln und einem Jahr medialer Belehrung stimmten die Iren dem Vertrag in ihrem zweiten Referendum schließlich zu. Gestern hat mit Tschechien der letzte Mitgliedsstaat seine Zustimmung zur Reform gegeben.

Für die neoliberalen Eliten in Europa kommt die Ratifizierung des EU-Vertrags jedoch einem Pyrrhus-Sieg gleich, einem Sieg unter zu hohen Verlusten. Die Legitimation des Reformvertrags ist durch die Verweigerung von Volksabstimmungen in vielen Ländern stark geschwächt. Zudem hat er kein angemessenes Instrumentarium für die Bewältigung der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise zu bieten. Die im EU-Vertrag weiterhin festgeschriebene Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank sowie der Stabilitäts- und Wachstumspakt stehen in Widerspruch zu einem international koordinierten Handeln, etwa im Rahmen der G20. Die Diskussion über die künftige Ausrichtung der Europäischen Union ist mit dem Vertrag ganz sicher nicht beendet.

Attac lehnt sowohl das Zustandekommen des Kontrakts als auch seine inhaltliche Ausrichtung ab. Den europäischen Bürgerinnen und Bürgern soll mit diesem Vertrag für lange Zeit ein unkontrollierbarer Wirtschaftsliberalismus aufgedrückt werden, ohne dass sie nach ihrer Meinung gefragt wurden, geschweige denn mitentscheiden konnten.

Der Vertrag räumt zwar dem EU-Parlament ein paar Mitentscheidungsrechte mehr ein als bisher, dennoch ist das Parlament auch nach 50 Jahren weit davon entfernt, gleichberechtigter Mitgesetzgeber oder gar Hauptgesetzgeber zu werden. Die zunehmende Verlagerung von Zuständigkeiten auf EU-Ebene führt unter diesen Bedingungen vielmehr zu einem Verlust an demokratischer Kontrolle und begünstigt eine von Konzerninteressen dominierte Politik. Die Binnenmarktartikel, die den freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit der Unternehmen garantieren, haben sich längst als Haupthebel für die Durchsetzung europaweiten Lohndumpings, Sozialabbaus, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und den Kampf gegen Gewerkschaftsrechte entpuppt. Mit den institutionellen Änderungen bringt sich die EU zudem als Global Player in Stellung, der seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen auch militärisch durchsetzen will. Eine EU, die glaubwürdig dem Frieden dienen will, sollte statt eines Rüstungsamtes lieber eine Friedensagentur schaffen.

Attac wird sich auch weiterhin für ein neues - soziales, demokratisches, ökologisches und friedliches -  Fundament für das Haus Europa einsetzen. Bereits im Frühjahr 2007 hatten die europäischen Attac-Organisationen gemeinsam "Zehn Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag" vorgelegt.