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CO2-Endlager nach Atom-Manier?

Vattenfall stellte gestern das erste Kraftwerk mit CCS-Technologie vor, das das CO2 bei der Kohleverstromung abscheidet, um es unterirdisch endlagern zu können. Nächstes Projekt: Das 500 Megawatt-Kraftwerk in Jänschwalde.

Der schwedische Stromriese Vattenfall, einer der vier Riesen auf dem deutschen Strommarkt, hat Anfang der Woche seine erste Testanlage zur „sauberen“ Braunkohleverstromung gestartet. Derzeit leisten sich Vattenfall, Eon und RWE einen Wettlauf um die effizienteste Methode, den Klimaschaden durch Kohlekraft auf technischem Wege zu verringern. Allen diesen Technologien liegt die Idee des CCS („Carbon Capture and Storage“/ CO2 auffangen und deponieren) zugrunde. Dabei geht es darum, das Treibhausgas aus den Prozess-Abgasen abzuscheiden und in geeigneten Kavernen einzulagern. Vattenfall wertet seine Technik als bahnbrechende Innovation: Die Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2030 könne nur mit CCS gelingen. Entsprechend feiert sich Konzernchef Hatakka bereits als Vorreiter für den Klimaschutz. Bahnbrechend ist daran aber lediglich, dass es sich um den neuesten Versuch handelt, einem Technologie-Dino ein grünes Deckmäntelchen überzustülpen.

Vattenfall - nicht gut für den Nachwuchs (Homepage-Werbung 9.9.08)
Vattenfall - nicht gut für den Nachwuchs (Werbung der Vattenfall-Homepage vom 9.9.08)

Die Technik birgt zahlreiche Tücken:

  • Nach gelungener Abscheidung des Kohlendioxids fangen die Probleme erst richtig an: welche Standorte sind für die Lagerung des verflüssigten Klimagiftes überhaupt geeignet? Klar ist: Es bedürfte gewaltiger Lagerkapazitäten – und für jede geologische Formation müsste aufgrund der Unreinheit der Verstromungsrückstände gesondert nachgewiesen werden, dass es zu keinen chemischen Reaktionen kommen und das unterirdische Lager damit undicht werden kann. Vergleichbar der Atommüllproblematik verlagert CCS die ökologischen Risiken in eine unabsehbare Zukunft. Und auch bei einem CCS-Endlager hätte ein Unfall tödliche Folgen: Als bei einem Vulkanausbruch 1986 am Lake Nyos in Kamerun große Mengen CO2 plötzlich frei wurden, kamen dabei 1.700 Menschen ums Leben.
  • Die Vattenfall-Technik ist keineswegs CO2-emissionsfrei: Zum einen gelangen auch bei dieser Variante rund 10 Prozent des Gases in die Umwelt; zum anderen ist sie sehr energiehungrig und verschlechtert die Leistungsbilanz des Kraftwerks, da bis zu 40 Prozent mehr Kohle verfeuert werden muss, um dieselbe Menge Strom wie bei konventioneller Kohlekraft zu erzeugen. Damit nähern sich die Kraftwerke dem Wirkungsgrad der Nachkriegszeit.
  • Der Strom von CCS-Kraftwerken dürfte also deutlich teurer werden als bisher. Der Verdacht liegt nahe, dass es Vattenfall & Co vor allem um ein „Grünes Image“ geht: Rund 25 Großkraftwerke mit Kohlekraft sind für die nächsten Jahre geplant, womöglich rechtzeitig bevor Klimaschutztechniken wie CCS gesetzlich vorgeschrieben sein könnten. Doch CCS ist nicht nachrüstbar und wird frühestens 2020 marktreif sein. Bis dahin müssen die CO2-Emissionen in Deutschland jedoch um mindestens 40 Prozent gesunken sein! Bei der Technologie handelt es sich also eher um einen Marketingtrick, mit dem die Stromkonzerne ihre Vormachtstellung auf dem Strommarkt weiter festigen wollen.

Kein Wunder also, dass bereits die Vorstellung der Pilotanlage zu Protesten geführt hat. Auch auf den Kohlekraft-Demos am kommenden Samstag, zu denen Attac mit der Klima-Allianz aufruft, wird CCS Thema sein. Die Anlage dient nämlich als Modell für das geplante 500-Megawatt-Kraftwerk in Jänschwalde – also für eines der beiden Kraftwerke, gegen deren Bau wir protestieren werden. Wir brauchen keine grün gestrichenen Großkraftwerke und unterirdischen Zeitbomben, sondern eine echte Energiewende hin zu einer ökologischen, sozialverträglichen und demokratisch kontrollierten Energieversorgung! Kohlekraft ist nicht zukunftsfähig.