Auch in Deutschland bleiben große Vermögen unversteuert
Nicht nur in den USA, auch in Deutschland werden viele große Vermögen nie besteuert. Darauf weist Attac anlässlich des aktuellen Steuerdaten-Leaks in den USA hin und bekräftigt seine Forderung, Vermögenszuwächse wie Einkommen zu versteuern. Steuerdaten, die der amerikanischen Organisation ProPublica zugespielt und von dieser veröffentlicht wurden, zeigen, dass ausgerechnet die reichsten US-Amerikaner*innen gemessen an ihrem Vermögenszuwachs kaum Steuern zahlen. Diese Erkenntnis hat auch in Deutschland eine Debatte ausgelöst.
Bisher vertreten die meisten Politiker*innen und Wissenschaftler*innen hierzulande allerdings die Auffassung, dass zwar Gewinne versteuert werden müssten, nicht aber Vermögenszuwächse, solange sie nicht verkauft würden." Aber große Vermögen werden höchst selten verkauft, sondern wachsen über die Generationen hinweg. Auf diese Weise wurde ein Großteil der großen Vermögen auch in Deutschland nie besteuert", stellt Alfred Eibl, Steuerspezialist von Attac, fest.
BMW-Aktien der Quandts um 30 Milliarden gestiegen – steuerfrei
Dies betrifft etwa Vermögenszuwächse durch die Wertsteigerung von Aktien. Im Fall der BMW-Anteile der Familie Quandt sind das ganze 30 Milliarden Euro. Auch der Besitz von sogenannten Familienunternehmen bringt oft enormen Vermögenszuwachs mit sich. So ist der Wert der Aldi-Anteile der Familie Albrecht ebenfalls in einem zweistelligen Milliardenbereich gestiegen. Insgesamt wachsen gerade die großen Vermögen in Deutschland seit 1950 um durchschnittlich mehr als zehn Prozent pro Jahr.
"Dass diese Zuwächse unversteuert bleiben, ist nicht länger hinnehmbar. Unsere Gesellschaft wird immer ungleicher in Vermögensbesitz und Einkommen. Eine solche Entwicklung führt auf die Dauer zur Zerstörung der Demokratie", stellt Karl-Martin Hentschel, ebenfalls Steuerexperte bei Attac, stellt fest." Die Forderung nach einer Wiederaktivierung der Vermögensbesteuerung ist dringlicher denn je. Neben Besteuerung der Vermögenszuwächse ist auch die Besteuerung der Vermögenssubstanz notwendig."
Vorgeschobene Argumente gegen Besteuerung von Vermögenszuwächsen
Gegen eine Besteuerung von Vermögen und Vermögenszuwächsen werden regelmäßig zwei Argumente vorgebracht, die Attac jedoch vorgeschoben hält, um die ungerechtfertigte Steuerfreistellung abzusichern:
- Vermögenswerte seien schwer zu erfassen und würden mit der Konjunktur und den Aktienkursen schwanken, lautet das erste Gegenargument. Attac schlägt daher vor, auch in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern alle Vermögen nach Marktwert zu erfassen. Dies kann durch Selbstangaben geschehen, die bei einer Steuerprüfung überprüft werden. Werden die Daten jährlich fortgeschrieben, sind die Erhebungskosten im Verhältnis zu den zu erwartenden Steuereinnahmen gering. Bildet man den Mittelwert des Vermögens über die vergangenen zehn Jahre und schreibt diesen von Jahr zu Jahr fort, können ein stabiler Vermögenswert und ein klarer dauerhafter Vermögenszuwachs ermittelt und versteuert werden.
- Die Firmen könnten darunter leiden, wenn alle Vermögenszuwächse besteuert werden, lautet das zweite Gegenargument. Das trifft schlicht nicht zu. Karl-Martin Hentschel stellt klar. "BMW würde in keiner Weise darunter leiden, wenn die Familie Quandt einen Teil ihrer Aktien verkaufen müsste, um Steuern zu zahlen. Die sogenannten Familienunternehmen müssten dann für einen Teil ihrer Firma Aktien ausgeben, was in fast allen Ländern ohnehin Standard ist. Oder sie müssten Firmenanteile an den Staat überschreiben. In den meisten Fällen besitzen die Firmen jedoch weitere Finanzmittel außerhalb des Unternehmens, die sie zur Steuerzahlung nutzen können".
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Weitere Informationen:
- ProPublica-Veröffentlichung zu den zugespielten Steuerdaten:
www.propublica.org/article/the-secret-irs-files-trove-of-never-before-seen-records-reveal-how-the-wealthiest-avoid-income-tax
- Aktuelle Studien zur Ungleichheit des Vermögensbesitzes in Deutschland, Karl-Martin Hentschel, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, 1.1.2021:
https://link.attac.de/studien-ungleichheit
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Für Rückfragen und Interviews:
- Karl-Martin-Hentschel, Attac-Arbeitsgruppe Steuern und Finanzmärkte, Tel. 0151 5908 4268
- Alfred Eibl, Attac-Arbeitsgruppe Steuern und Finanzmärkte, Tel. 0160 9078 0266
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