Der Clean Industrial Deal der EU Greenwashing und Cleanwashing
Seit 2019 gibt es den European Green Deal der EU-Kommission. Der Zweck dieses Maßnahmenplans ist die sogenannte ‚Twin Transition‘ zur Dekarbonisierung und Digitalisierung des EU-Raumes. Zielmarke ist die vollständige CO2-Neutralität der EU bis 2050.
Es wurden im Lauf der Jahre diverse Verordnungen auf den Weg gebracht, die den Weg zur Klimaneutralität ebnen sollen: das EU Klimagesetz, das Fit-for-55-Paket, die Taxonomie-Verordnung und natürlich auch ein Green Deal Industrial Plan, um die Industrie als wichtigen Player der Transformation zu adressieren.
Hier zeigte sich schon eine Akzentverschiebung: das wichtigste Gesetz dieses Green Deal Industrial Plan war das zur Rohstoffsicherung. Natürlich sollte der Weg zu einer „grünen Transformation“ weitergegangen und das „grüne Wachstum“ auch für die Zukunft gesichert werden. Aber im Mittelpunkt dieses Critical Raw Material Acts CRMA steht die ausreichende Versorgung der europäischen Industrie mit Rohstoffen. Die EU-Institutionen wollen der europäischen Industrie im globalen Wettlauf um die Hegemonie einen führenden Platz sichern.
Warum braucht es jetzt noch zusätzlich einen Clean Industrial Deal? Was ist das Neue gegenüber dem European Green Deal?
Schon der Name ist Programm: es geht jetzt zentral um die europäische Industrie und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt. Die sich schon abzeichnenden Tendenzen werden fortgeschrieben. Natürlich werden auch weiterhin alle Maßnahmen und Pläne als ‚clean‘ oder ‚green‘ bezeichnet – der Schein soll gewahrt werden. Die ersten Aktionen, die von der EU-Kommission unter dem neuen Deal angekündigt werden, sprechen allerdings eine ganz andere Sprache. Das sogenannte ‚Omnibus‘-Gesetz soll unter dem Deckmantel des Bürokratie-Abbaus wichtige progressive Errungenschaften aus den letzten Jahren zurückdrehen – siehe auch unsere Einschätzung unter https://www.attac.de/neuigkeiten/detailansicht/news/appell-schutz-lieferkettenrichtlinie
Die nächste Ankündigung bezüglich einer Clean Industry entlarvt die Terminologie direkt der Lüge: die Flottengrenzwerte der Automobilindustrie sollen aufgeweicht werden. Es war vor Jahren festgeschrieben worden, dass die Gesamtsumme des CO2-Ausstoßes aller neu produzierten Fahrzeuge eines Herstellers einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf – andernfalls muss der Hersteller Strafzahlungen leisten. Diese Grenzwerte sollen regelmäßig sinken – für 2025 war ein Wert von 93,6 g/km vorgesehen. Durch eine falsche Produktstrategie und zu hohe Preise für E-Autos haben die Hersteller viel weniger E-Fahrzeuge produziert und abgesetzt als vorgesehen. Sehr volatile politische Rahmenbedingungen im Feld der E-Antriebswende taten ein Übriges. Als Ergebnis drohten vielen Herstellern zum Jahresende erhebliche Strafzahlungen.
Die EU-Kommission hat nun angekündigt, das Erreichen der diesjährigen Flottengrenzwerte um 2 Jahre zu ‚strecken’, d.h. sie belässt die Werte gleich, gibt der Autoindustrie aber 2 Jahre mehr Zeit um diese zu erreichen. Und was passiert, wenn das bis 2027 immer noch nicht geklappt hat? Werden die Strafen dann weiter verschoben?
Im Namen der Wettbewerbsfähigkeit dürfen Autos also insgesamt 2 Jahre länger überhöhte Werte ausstoßen – was genau ist daran ‚clean‘?
Es bestätigt sich also schon mit den ersten Schritten unter dem neuen Deal der Verdacht, dass es sich in Wahrheit um einen Rollback handelt: die nach der EU-Wahl von 2024 deutlich konservativere Mehrheit in der EU-Kommission und im EU-Parlament möchte progressive Bestandteile und Errungenschaften aus der vorigen Legislaturperiode abräumen. Klimakrise, Umweltschutz, CO2-Neutralität sind nicht mehr en vogue, es herrscht wieder das Primat der Industriegewinne. Die aktuelle Diskussion über eine drastische Erhöhung der Rüstungsproduktion wird diese Tendenz beschleunigen.
Große Teile der Grünen im EU-Parlament haben die EU-Kommission und speziell die Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende letzten Jahres erneut gewählt mit der Erwartung (oder dem Versprechen?) der Fortsetzung des Green Deal. Formal wird er auch fortgesetzt – und in der Realität durch den Clean Industrial Deal wohl abgeräumt. Und die Grünen werden für diese Politik nicht mehr gebraucht, die Konservativen beschaffen sich Mehrheiten mittlerweile mit den Fraktionen der Rechtsradikalen und Faschisten, wie zuletzt bei der Verschiebung der Entwaldungsverordnung.
War da was mit Brandmauer? Auch abgeräumt!