Der Energiecharta-Vertrag Goldgrube für Profite - Bremsklotz auf dem Weg zur Energiewende und zu Klimagerechtigkeit
Was ist der ECT?
Der Energiecharta-Vertrag ist ein Handels- und Investitionsvertrag für den Energiesektor. Nach Ende des Kalten Krieges wurde er zwischen Staaten in Europa und Asien vereinbart und trat 1998 in Kraft. Er sollte die Energiesicherheit der EU sichern, den Handel mit Energie aus den Nachfolgestaaten der UdSSR fördern und Investitionen aus dem Westen absichern.
Heute zählt der ECT mehr als fünfzig Vertragsparteien, darunter die EU mit ihren Mitgliedsstaaten, Staaten im Nahen Osten, in Zentralasien bis nach Japan. Beständig wirbt das Sekretariat für die Aufnahme rohstoffreicher Staaten des Südens; zwanzig Staaten haben einen „Beobachterstatus“.
Der ECT fördert und regelt Handel, Transit und Investitionen im Energiesektor. Er verweist auf die WTO (World Trade Organisation), ihre Regeln und Verträge. So gilt auch das Meistbegünstigungsprinzip der Welthandelsorganisation, d.h. weder bei Investitionen, beim Transit noch bei gehandelten Waren (Energierohstoffe, Energieprodukte, Energietechnologien) wird nach Folgen für Sozial-, Umwelt- oder Klimastandards unterschieden.
Der Vertragsartikel „Umweltaspekte“ ist von der zwischenstaatlichen Streitschlichtung ausgeschlossen. Ein Zusatzprotokoll enthält unverbindliche Absichtserklärungen zur Förderung von Energieeffizienz und Energieeinsparungen.
Statement von NGOs zur 6. Verhandlungsrunde Juli 2021
Vom 6. bis 9. Juli 2021 findet die sechste Verhandlungsrunde zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags (ECT) statt. Mehr als 400 Organisationen fordern die Regierungen auf, aus dem ECT auszusteigen und seine Ausweitung zu stoppen.
ZDF Frontal21 (8.9.2020): Schiedsgerichte gegen Klimaschutz – Wie Kohlekonzerne abkassieren
Fallbeispiel RWE
Wie der deutsche Energiekonzern die Niederlande mit dem ECT verklagt.
ECT-Mythen entkräftet
PowerShift, Corporate Europe Observatory (CEO) und das Transnational Institute (TNI)
haben einen gut lesbaren Leitfaden erstellt, der sich mit den Argumenten der Verteidiger*innen des ECT auseinandersetzt und sie widerlegt:
Mythen um den Energiechartavertrag entkräften – ein Argumentationsleitfaden
Es ist fast 30 Jahre her, dass1992 die UN-Klimarahmenkonvention verabschiedet wurde
Es ist mehr als fünf Jahre her, dass 2015 die Ziele des Pariser Klimaabkommens beschlossen wurden
Es ist mehr als ein Jahr her, dass 2019 die EU-Kommission den European Green Deal als zentralen Bestandteil ihrer Klimapolitik vorgestellt hat
Es ist mehr als 22 Jahre her, dass 1998 der ECT (Energy Charter-Treaty) in Kraft getreten ist
Investitionsschutz und Schiedsgericht
Der ECT beinhaltet für Investoren keine Pflichten, jedoch einseitige Klagerechte. Sieht sich ein ausländischer Konzern durch einen Vertragsstaat in seinem Recht auf „faire und gerechte Behandlung“ oder in seinem „Recht auf Eigentum“ verletzt, kann er den Staat bei einer Streitigkeit vor einem privaten Schiedsgericht auf Schadensersatz verklagen.
Mit 135 bekannt gewordenen Fällenist der ECT heute das meist genutzte Abkommen für Investor-Staat-Schiedsverfahren (Investor-State Dispute Settlement, ISDS).
Der ECT schützt Investitionen und Infrastruktur für fossile Brennstoffe, so dass notwendige Klimaschutzmaßnahmen infrage gestellt und untergraben werden:
2008 - das schwedische Unternehmen Vattenfall klagt gegen Deutschland wegen wasserrechtlicher Auflagen bei der Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg; 2011 kommt es zu einem Vergleich.
2012 - das schwedische Unternehmen Vattenfall klagt gegen Deutschland wegen des Atomausstiegsgesetzes, die Forderung beträgt inzwischen 6,1 Mrd.€.
2017 - das britische Unternehmen Rockhopper klagt gegen Italien wegen eines Verbots neuer Öl- und Gasaktivitäten in Küstennähe; gefordert wird eine Entschädigung von bis zu 350 Millionen Dollar.
2017 - das kanadische Unternehmen Vermilion droht Frankreich mit einer Klage aufgrund eines Gesetzesvorschlags zur Beendigung der Förderung fossiler Brennstoffe; das Gesetz wird deutlich abgeschwächt.
2019 - das deutsche Unternehmen Uniper droht den Niederlanden mit einer Klage, wenn das Land ein Gesetz zum Kohleausstieg beschließt.
Februar 2021: RWE verklagt die Niederlande wegen des Kohleausstiegs und fordert eine Entschädigung in einer Höhe von 1,4 Mrd. €.
Austritt aus dem Vertrag
Vertragsstaaten können jederzeit ihren Austritt mitteilen. Ein Jahr nach der Mitteilung tritt der Vertrag dann außer Kraft.
Jedoch enthält der Vertrag eine „Zombieklausel“, so dass der Investorenschutz für Investitionen vor dem Austritt noch 20 Jahre wirksam bleibt; Italiens Austritt ist 2016 wirksam geworden, der Investitionsschutz gilt also bis 2036.
FAZIT:
Der ECT stellt eine ernste Bedrohung für die Umsetzung des Pariser Abkommens und eine soziale, ökologische und demokratisch kontrollierte Energiewende dar. Er ermöglicht es Konzernen, außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit gegen Umweltauflagen und Klimamaßnahmen zu klagen und die Energiewende zu blockieren.
ECT: Modernisierung - möglich?
Seit April 2020 finden in Brüssel zwischen den Vertragsstaaten Verhandlungsrunden zur Modernisierung des ECT statt.
Einerseits will die EU, dass dabei das Pariser Abkommen, nachhaltige Entwicklung und Klimaziele berücksichtigt werden. Andererseits hält sie weiterhin an Sonderklagerechten für ausländische Investoren (ISDS) fest: Der modernisierte ECT soll sich sowohl am Modell des Investitionsgerichts-Systems (ICS) orientieren, wie es im CETA-Abkommen mit Kanada vorgesehen ist, als auch an der Position der EU zu einem Multilateralen Gerichtshof (MIC), den sie bei den Verhandlungen der UNCITRAL zur Reform des ISDS vertritt.
In ihrem Vorschlag für die 4. Verhandlungsrunde im März 2021 sieht die EU u.a. vor, neue Elemente wie Wasserstoff und Biomasse in den Vertrag aufzunehmen; bestehende Investitionen in fossile Brennstoffe sollen noch bis 10 Jahre nach Inkrafttreten der Modernisierungsnovelle geschützt sein, d.h. bis irgendwann Mitte der 2030er Jahre; neue fossile Investitionen sollen zwar nicht geschützt sein, aber es ist eine Ausnahmeregelung für bestimmte Gasinvestitionen vorgesehen.
ECT: Modernisierung - unmöglich!
Selbst der Modernisierungsprozess gestaltet das Abkommen nicht klima- und umweltverträglich. Auch er bedroht das Ziel der Klimaneutralität, den European Green Deal und die Umsetzung des Pariser Abkommens.
Weiterhin können Konzerne gegen Umweltauflagen und Klimamaßnahmen klagen,
Investitionen in fossile Energieträger bleiben geschützt. Angedrohte Entschädigungszahlungen in unvorhersehbarer Höhe hindern Regierungen daran, ihr Energiesystem umzubauen.
Das Investor-Staat-Schiedsverfahren verstärkt die Machtverlagerung hin zu Interessen von Konzernen.
Es ist Zeit, aus dem ECT auszusteigen!
Die gemeinsame Kündigung des ECT oder der Ausstieg einzelner Länder macht es möglich, Energiesysteme entsprechend dem Pariser Klimaabkommen umzubauen.
Rufe nach einer Kündigung des ECT nehmen zu.
Im November 2020 forderten EU-Parlamentarier*innen in einem offenen Brief die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsländer auf, „nach Wegen zu suchen, sich gemeinsam aus dem Vertrag zurückzuziehen“. Nach der dritten ECT-Reformrunde im Dezember 2020 schlug die französische Regierung der EU-Kommission vor, einen gemeinsamen Austritt aus dem ECT vorzubereiten, die Regierung in Spanien steht ebenfalls hinter dieser Idee.
Der ECT ist ein rückständiger Vertrag des vergangenen Jahrhunderts mit einer falschen Weichenstellung für unsere Zukunft und die unseres Planeten.
Unterstütze den Aufruf Energiecharta-Vertrag stoppen – Energiewende retten!
Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir fossile Brennstoffe im Boden lassen. Aber Regierungen, die aus der Kohle aussteigen, die Gasförderung beenden oder Ölpipelines stoppen, können unter dem Energiecharta-Vertrag von Konzernen vor privaten Gerichten verklagt und zu Schadenersatz in Milliardenhöhe herangezogen werden.
Es liegt nun an den europäischen Regierungen und der Europäischen Kommission, aus dem klimafeindlichen ECT auszusteigen und seine Ausweitung auf noch mehr Länder zu stoppen.
Werde jetzt aktiv, damit dies geschieht!
Diese Aktion wird von einer breiten Koalition von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus ganz Europa unterstützt.