Abschlusserklärung der TTIP Strategie- und Aktionskonferenz 26./27. Februar 2016
Für einen gerechten Welthandel – Gemeinsam werden wir TTIP und CETA stoppen!
Die Bewegung gegen TTIP und CETA hat bereits heute Deutschland und Europa verändert. Wir sind aufgestanden, weil wir nicht wollen, dass
- Genfood und Hormonfleisch durch die Hintertür in unser Essen kommen und die bäuerliche Landwirtschaft noch mehr unter Druck gerät,
- das Vorsorgeprinzip und darauf beruhende Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutzmaßnahmen eingeschränkt werden und keine Möglichkeit mehr zur Weiterentwicklung erhalten,
- eine privilegierte Paralleljustiz für Konzerne eingeführt wird, die uns teuer zu stehen kommt,
- die Macht von Konzern- und Finanzmarktakteuren vergrößert wird, statt sie zu begrenzen,
- lang erkämpfte Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards ausgehöhlt werden und die Verlagerung von Arbeitsplätzen in gewerkschafts- und tarifvertragsfreie US-Bundesstaaten erleichtert,
- demokratische Rechte und die Entscheidungsfreiheit der Parlamente weiter eingeschränkt werden,
- die öffentliche Daseinsvorsorge unter Privatisierungsdruck gesetzt wird,
- der gemeinnützige Sektor und die Qualität sozialer Dienstleistungen gefährdet werden,
- die Vielfalt unserer Kultur sowie öffentliche Bildungsangebote gefährdet werden,
- Klimaschutz und Energiewende konterkariert und ausgebremst werden,
- der Datenschutz im Interesse von Big Data immer weiter ausgehöhlt wird
- und in bilateralen Abkommen die Mehrheit der Menschen ausgegrenzt werden während die bestehende Ungleichheit zu Lasten ärmerer Länder weiter zementiert wird.
Heute sind wir eine Bewegung geworden, die schon viel erreicht hat. Eine Viertelmillion Menschen haben in Berlin am 10. Oktober 2015 demonstriert – die größte Demonstration seit langem, in einem der breitesten Bündnisse seit langem. Über 3 Millionen Menschen haben europaweit die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unterschrieben – sie haben sich von der arroganten Ablehnung durch die Kommission nicht beirren lassen. Immer mehr Kommunen und Organisationen beschließen Erklärungen, in denen sie TTIP und CETA und auch das geplante Dienstleistungsabkommen TISA kritisieren und ablehnen. Seit vielen Monaten zeigen Umfragen in den Ländern der EU: immer mehr Menschen verstehen, worum es bei TTIP geht – und je mehr sie dies verstehen, desto mehr lehnen sie es ab.
Selbstbewusst können wir heute sagen: Der Versuch, im Interesse multinationaler Konzerne hinter verschlossenen Türen eine Politik auszuhecken, die Demokratie und Rechtsstaat ebenso wie soziale und ökologische Standards unterminiert, ist gescheitert. Immer mehr Menschen nehmen es nicht mehr hin, auf welche undemokratische, intransparente Art und Weise TTIP und CETA verhandelt werden. Sie verlangen ihr gutes Recht auf Information und Mitsprache.
Aber wir haben TTIP und CETA noch längst nicht verhindert. Die Befürworter haben sich darauf verlegt, die ungeliebten Abkommen neu zu verpacken, statt sie fallenzulassen. Die Aushöhlung demokratischer Entscheidungsfreiheiten wird in unverbindliche Passagen zum „right to regulate“ eingewickelt, die Paralleljustiz für Konzerne unter neuem Namen wieder erweckt, den kleinen und mittelständischen Unternehmen wird ein substanzloses KMU-Kapitel verkauft und die Einschränkung sozialer und ökologischer Standards wird mit einem rechtlich unverbindlichen Nachhaltigkeitskapitel „versüßt“. Es wird darauf gebaut, dass die Öffentlichkeit müde wird und die Verwirrung der Begriffe greift.
Diesen Gefallen werden wir den TTIP- und CETA-Befürwortern nicht tun: Wir sind hellwach und werden alle Versuche, die Bürger und Bürgerinnen in Deutschland und Europa an der Nase herumzuführen, aufdecken und zurückweisen. Der Widerstand gegen eine mögliche CETA-Ratifizierung in diesem Jahr wächst kontinuierlich.
Immer mehr Menschen stellen aber auch die Ausrichtung unserer Handelspolitik in Frage. Sie lehnen eine Wirtschaftspolitik ab, die nur noch auf Marktöffnung, immer mehr Globalisierung und immer mehr Deregulierung abzielt. Sie fragen wo die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe bleibt, warum dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur, öffentliche und soziale Dienstleistungen, Kultur oder Klimaschutz unterbleiben. Sie stellen einen Zusammenhang zwischen einer einseitig an der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichteten Politik und Lohndumping, Ausbeutung von Natur und Umwelt sowie steigender sozialer Ungleichheit her. Der massive Druck der EU auf mehr Marktöffnung für Agrarexporte führt bereits seit Jahren in vielen Ländern des globalen Südens dazu, dass dort Bauern die Existenzgrundlage genommen wird. Die heutige EU-Handelspolitik ist auch eine Fluchtursache.
Deshalb stellen wir fest: Wir brauchen eine andere Handels- und Wirtschaftspolitik. Die breite gesellschaftliche Diskussion darüber hat begonnen. Demokratie lebt davon, dass unterschiedliche politische Konzepte zur Wahl stehen, und das gilt auch für die Wirtschaftspolitik. Das Zeitalter von „there is no alternative“, der angeblichen Alternativlosigkeit, ist vorbei. Gemeinsam werden wir im kommenden Jahr verstärkt Alternativen zur herrschenden Wirtschafts- und Handelspolitik entwickeln, diskutieren und verbreiten. Wirtschaftswachstum auf Kosten von Mensch und Umwelt lehnen wir ab.
Wir werden den Druck auf die politischen Entscheidungsträger weiter erhöhen. Die Breite unserer Bewegung ist unsere Stärke. Dabei werden wir noch enger mit unseren Freundinnen und Freunden in den Ländern Europas, in den USA, in Kanada und den Ländern des globalen Südens zusammenarbeiten.
Wir haben auf unserer Konferenz eine Vielfalt von Aktionen beraten, lokal und regional, zu speziellen Themen und Berufsgruppen. Wir rufen dazu auf, diese Aktionen mit Leben zu erfüllen und gemeinsam zum Erfolg zu führen. Insbesondere unterstützen wir:
- die überregionale Demonstration in Hannover am 23. April anlässlich des Treffens von Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel bei der Hannover-Messe,
- Zivilgesellschaftliche Lobbyaktionen an Parteien und Parlamente, insbesondere der europaweiten Kampagne der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative,
- Aktionen auf kommunaler Ebene wie z.B. Kommunale TTIP-freie Zonen,
- dezentrale große Demonstrationen im Herbst in mehreren Städten,
- den internationalen Aktionstag zu TTIP und CETA am 5. November,
- einen großen Kongress über Alternativen in der Wirtschafts- und Handelspolitik Ende 2016 / Anfang 2017.