Studien zur Kritik der finanziellen Bildung
So alt wie die Forderung nach "finanzieller Bildung" ist auch die Kritik daran, denn sie reißt finanzielle Fragen aus dem gesellschaftlichen Kontext, wirkt individualisierend, ist monoparadigmatisch und öffnet Tür und Tor für die Interessen von Finanzkonzernen. Dies zeigen unter anderem die folgenden Studien.
Finanzerziehung versus Finanzbildung
Christian Fridrich kritisiert eine vielfach anzutreffende Finanzerziehung die monoperspektivisch, monoparadigmatisch sowie unterkomplex sei und auf funktional-angepasste Verhaltensweisen ziele. Demgegenüber sei eine Finanzbildung als integraler Teil einer breiten sozioökonomischen Bildung anzustreben. Die basiere auf den didaktischen Prinzipien der Subjekt- und Problemorientierung, Sozialwissenschaftlichkeit sowie Pluralität und ziele darauf ab, Menschen zur Selbstbestimmung ihrer Lebenslage zu befähigen, sowie zu einer kritischen Reflexion und aufgeklärten Mitgestaltung der herrschenden, ökonomisch geprägten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Finanzbildungsbürgertum und Finanzialisierung
Beat Weber hat die Entstehung der Debatte um finanzielle Bildung bereits 2010 in den Kontext der zunehmenden Finanzialisierung immer weiterer Teile der Gesellschaft eingeordnet, darunter nicht zuletzt die Tendenzen zur (Teil-)Privatisierung der Altersvorsorge. Im Zuge dieser krisenanfälligen Entwicklung diene "financial literacy" als Alternative zur politischen Regulierung, welche den Einzelnen die Verantwortung für das persönliche Wohlergehen aufbürdet. Das Konzept sei insbesondere ein Identitäsangebot an die Mittelklassen und ziele auf die Herausbildung eines Finanzbildungsbürgertums, das es letztlich begrüßt für sein finanzielles Schicksal selbst verantwortlich gemacht zu werden.
Lobbyistischer Kampf um die Köpfe
Martina Schmerr kitisiert, dass das Thema finanzielle Bildung in der Schule von Lobbyinteressen der Finanzbranche geprägt sei. Zudem zeugten die Themen und Dimensionen vieler Studien, Unterrichtsmaterialien oder Bildungskonzeptionen von einem sehr einseitigen Verständnis ökonomischer Bildung und einem funktionalistischen Bildungsverständnis. Finanzielle Probleme müssten aber immer in Beziehung zu gesellschaftlichen und persönlichen Schlüsselproblemen gesehen werden. Ökonomische und finanzielle Bildung müsse daher multiperspektivisch, kontrovers sowie schüler*innenorientiert sein. Dabei müssten Politik und Wirtschaft sowie sozialwissenschaftliche und ökonomische Bezüge sinnvoll verbunden werden.
Mangelndes Wirtschafts- und Finanzwissen?
Simon Niklas Hellmich und Reinhold Hedtke haben Befragungen zum Wirtschafts- und Finanzwissen untersucht, die oft aus der Finanzbranche in Auftrag gegeben wurden und in der öffentlichen Debatte Argumente für mehr finanzielle Bildung liefern. Diesen fehle oft ein Maßstab für die begründete Bewertung der gemessenen Kompetenzstände und deren bildungspolitischer Relevanz. Bei den Inhalten fehlten die politische Gestaltung der Versicherungs- und Finanzmärkten sowie die Artikulation der eigenen Interessen der Lernenden. Zudem läge vielen Studien eine Vorstellung von Bildung als praktische Vorbereitung auf individuelles wirtschaftliches Handeln zugrunde, ohne Berücksichtigung von sozialen, politischen oder ethischen Kontexten
Schwachstellen finanzieller Bildung
Andreas Oehler und Matthias Horn werfen einen kritischen Blick auf die Methodik zur Einschätzung finanzieller Bildung, die Beurteilung der Kenntnisse junger Menschen, die vorgeschlagenen Maßnahmen sowie den Mangel an guten Verbraucherinformationen. Zudem scheine in der Debatte um finanzielle Bildung kaum berücksichtigt zu werden, dass sich die Bürger*innen neben rein finanziellen Belangen auch um existenzielle Dinge wie Gesundheit, Wohnen, Mobilität oder Umwelt kümmern müssen. Abschließend plädieren die Autoren dafür den Bürger*innen ein ökonomisches Grundverständnis zu vermitteln und sie darin zu unterstützen, Expert*innen im Finden seriöser Expert*innen wie der Stiftung Warentest oder den Verbraucherzentralen zu werden.
Bildung oder neoliberale Propaganda?
Die Bundesregierung hat unter Federführung der beiden FDP-Ministerien für Finanzen und für Bildung die Finanzbildungsplattform „Mit Geld und Verstand“ entwickelt. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Höhne hat die Hintergründe der Initiative im Auftrag von Attac und der Otto Brenner Stiftung untersucht. Das Ergebnis ist skandalös: Getarnt als Bildungsprojekt bringt die FDP mit der steuerfinanzierten Plattform ihre neoliberale Wirtschaftsideologie unter die Leute. Kaum verholen geht es um die Finanzialisierung der Altersvorsorge oder Werbung für den Erhalt der Schuldenbremse. Zudem werden privatwirtschaftliche Akteure im Feld der Finanzbildung gegenüber zivilgesellschaftlichen aufgewertet.