Die Finanztransaktionssteuer Die Finanztransaktionsteuer, die Gründungsforderung von Attac, ist weiterhin wichtig, auch wenn sie gegenwärtig nicht mehr im Fokus der allgemeinen steuerpolitischen Diskussion steht.
Als Finanztransaktionssteuer wird eine Steuer auf verschiedene Arten von Finanzgeschäften bezeichnet. Das können Devisengeschäfte sein, wie der Tausch von Euro in Dollar. Es kann aber auch der Handel mit Unternehmensanteilen (Aktien), mit Anleihen (Schuldscheinen) oder Versicherungen gegen zukünftig Kursentwicklungen (Derivate) sein. Auf den Kauf von solchen Papieren oder Devisen soll ein sehr geringer Steuersatz von 0,01 bis zu 0,5 Prozent erhoben werden. Wer zum Beispiel 500 Euro in Dollar tauscht, müsste dann eine Steuer von fünf Cent bis maximal 2,50 Euro zahlen. Wer für 1000 Euro Aktien kauft, müsste zwischen zehn Cent und fünf Euro Steuern zahlen. Ziel der Finanztransaktionssteuer ist es, kurzfristige und rein spekulative Geschäfte zu verhindern, die nur gemacht werden, um kleinste Preisunterschiede auszunutzen. Ein Extremfall ist der sogenannte Hochfrequenzhandel, bei dem Computerprogramme automatisch innerhalb von Millisekunden kaufen und verkaufen. Auf Grund der Steuer würden sich diese kurzfristigen Spekulationsgeschäfte meist nicht mehr lohnen, was die Finanzmärkte und die Wirtschaft insgesamt stabilisieren würde.
Die Idee einer Finanztransaktionssteuer gibt es schon lange. Der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes hatte sie 1936 als erster ins Spiel gebracht. James Tobin, ebenfalls ein bekannter Ökonom, forderte sie 1972 als Steuer auf Devisentransaktionen, nachdem die vorher festen Wechselkurse zwischen den Währungen dem Markt überlassen wurden. Umgesetzt wurde weder die Idee von Keynes noch die von Tobin. Aber der Journalist Ignacio Ramonet griff die Forderung 1997 in einem Artikel in „Le Monde diplomatique“ auf. Um die Finanzmärkte zu entwaffnen regte er an, eine weltweite regierungsunabhängige Organisation namens Attac zu gründen („Association pour une Taxation des Transactions financières pour l'Aide aux Citoyens“ zu Deutsch: „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger*innen“). Denn ohne eine Finanztransaktionssteuer, so Ramonet, würde sich die Welt endgültig in einen Dschungel verwandeln, in welchem die Räuber den Ton angeben. Dementsprechend Stand bei der Gründung von Attac 1998 in Frankreich und dann 2000 auch in Deutschland die Finanztransaktionssteuer im Zentrum. Das Schicksal der Menschen sollte demokratisch kontrolliert und nicht der Spekulation auf den Finanzmärkten überlassen werden.
Die Finanzmarktkrise 2007/2008 brachte dann die Forderung nach der Finanztransaktionssteuer wieder verstärkt auf die Tagesordnung. Am 17.10.2009 startete die Kampagne „Steuer gegen Armut“ mit einem offenen Brief von 32 Organisationen an die damals neu gewählte Bundesregierung. Im Lauf der Zeit schlossen sich ihr immer mehr Organisationen an, letztendlich waren es 101. Die Kampagne verzeichnete viele Erfolge: Alle Bundestagsfraktionen wurden für die Steuer gewonnen, Finanzminister Schäuble setzte sich in der EU dafür ein, weil er sich über die vom Staat geretteten Banken ärgerte, die nichts zu den Kosten der Krise beitragen wollten. Die EU- Kommission legte selbst den entscheidenden Vorschlag für die „Verstärkte Zusammenarbeit“ von neun EU-Staaten vor. Aber deren Verhandlungen scheiterten schließlich. Im Dezember 2018 nach der Einigung zwischen Frankreich und Deutschland, aus der Finanztransaktionssteuer eine Steuer auf den Handel mit Aktien nach dem französischen Vorbild zu machen, war klar, dass diese Pläne mit der geforderten Finanztransaktionssteuer nichts zu tun hatte. Die Kampagne wurde durch einen einstimmigen Beschluss aller beteiligten Organisationen mit einer Presseerklärung eingestellt. Die Lobbyorganisationen der Finanzindustrie hatten es wieder einmal geschafft, die Finanzindustrie von der Bewältigung der durch sie verursachten Krisenkosten zu befreien.
Da absehbar war, dass auf EU-Ebene wohl kein positives Ergebnis zu erreichen ist, führten Frankreich und Italien, noch während der Verhandlungen der neun EU-Mitgliedsländern, nationale Börsenumsatzsteuern ein, die aber viele Ausnahmen zulassen und insgesamt nicht darauf angelegt sind, den rein spekulativen Handel zu unterbinden. Deutschland ist dagegen, trotz Zustimmung des damaligen Finanzministers Olaf Scholz, noch nicht einmal dem Vorschlag des französischen Präsidenten gefolgt, eine solche Börsenumsatzsteuer nach französischem Vorbild einzuführen. Börsenumsatzsteuern gibt es heute unter anderem auch in Spanien, Belgien, Zypern, Finnland, Griechenland und Irland.
Leider gilt im gegenwärtigen Finanzsystem, dass früher oder später die nächste Finanz- und Bankenkrise kommen wird. Daher hat Ökonom Stephan Schulmeister noch immer recht, wenn er die Finanztransaktionsteuer als die: „vernünftigste Steuer in diesen Zeiten“ bezeichnet. Attac fordert daher nach wie vor eine Finanztransaktionssteuer von 0,5 Prozent auf den Handel mit Aktien, Devisen und anderen Wertpapieren und von 0,1 Prozent auf den Handel mit Derivaten. Die Einnahmen einer solchen Steuer werden für Deutschland auf 30 Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Sie sollten zu einem Drittel an die EU und zu zwei Dritteln an die UN für Klima, Umwelt und Armutsbekämpfung gehen. Eventuell bietet sich auch auf der globalen Ebene, im Rahmen der geplanten Erarbeitung einer UN-Steuerkonvention, die Gelegenheit eine Vereinbarung zur Finanztransaktionsteuer voranzutreiben.