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Die Aktienrente – Ein falsches Versprechen

Derzeit beruht unser Rentensystem auf dem Umlageverfahren. Die Renten der älteren Generationen werden aus Beiträgen bezahlt, die Erwerbstätige und Unternehmen als prozentualen Anteil der Löhne zahlen. Die Propagandisten der Aktienrente behaupten nun, dass mit einer kapitalgedeckten Altersvorsorge höhere Renten zu erwarten wären. Die Rentenbeiträge der jüngeren Generationen sollen teilweise in Aktien oder andere Wertpapiere investiert werden und die Erträge daraus sollen die Renten finanzieren. Dies soll sich auch dann rechnen, wenn das notwendige Kapital nicht durch Beiträge, sondern durch staatliche Schuldenaufnahme finanziert wird.

So hat die FDP 2021 vorgeschlagen, dass der Staat künftig 2,5 Prozent der Beiträge zur Rentenversicherung in Aktien investiert. Die Ampel-Regierung  hat sich in dieser Frage dann auf das sogenannte Generationenkapital geeinigt. Es wird ein schuldenfinanzierter Fonds eingerichtet, der sein Kapital von zehn Milliarden Euro in Aktien investiert. Die erhofften Gewinne daraus sollen in Rentenversicherung fließen und Zuschuss aus dem Bundeshaushalt reduzieren.

Solche Ideen sind nicht neu. Seit der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung 1889 gab es immer wieder Versuche, die Rentenversicherung vom Umlageverfahren ganz oder teilweise auf eine Kapitaldeckung umzustellen. Die Ansätze waren unterschiedlich aber das Ergebnis immer gleich: Sie sind alle gescheitert. Mit dem Vordringen der Finanzmarktorientierung in viele gesellschaftliche Bereiche seit den 1980er Jahren, wurden auch die Rufe nach einer stärkeren Kapitalmarktorientierung der Rente wieder lauter.

Als Begründungen für die Einführung einer Aktienrente werden dabei stets folgende Punkte genannt: Die Umlagefinanzierung habe keine Zukunft, weil

  • die wenigen jungen Erwerbstätigen die vielen Alten nicht mehr finanzieren könnten,
  • die steigende Lebenserwartung zu längeren Rentenbezugsdauern führt und
  • die Alten die Jungen ausbeuteten („Generationengerechtigkeit).

Außerdem ergäben sich durch die Kapitalanlage höhere Renten.

Manche Argumente sind längst durch die Realität widerlegt worden. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts steigt die Lebenserwartung und die Kinderzahl sinkt, trotzdem konnten die Renten immer gezahlt werden. Zudem liegt die stärkste demografische Veränderung bereits hinter uns und der Produktivitätsfortschrift wird auch weiterhin höher sein als die demografische Veränderungsrate. Es wird also mehr Wohlstand mit weniger Menschen erarbeitet, der auf  Jung und Alt verteilt werden kann.

Auch das Schlagwort von der Generationengerechtigkeit läuft ins Leere. Jede aktive Generation wirtschaftet mit dem von der vorhergehenden Generation bereitgestellten Produktionsapparat und versucht ihn zu verbessern. Sie muss dafür etwas an die Älteren abgeben und dafür sorgen, dass auch sie im Rentenalter von einer tatkräftigen nachfolgenden Generation versorgt wird.

Wenn wir nun den Unterschied zwischen dem Umlageverfahren und dem Kapitaldeckungsverfahren beurteilen wollen, ist die grundlegende Frage: Woher kommt das Geld für die versprochenen Renten jeweils? Die einfache Antwort lautet: In beiden Fällen kommt es aus dem vom aktiven Teil der Bevölkerung erwirtschafteten Arbeitsergebnis. Der Fachbegriff dafür ist das Volkseinkommen und dieses Volkseinkommen teilt sich in Arbeitseinkommen und Vermögenseinkommen (siehe Abbildung). Die Bezieher dieser Einkommen müssen etwas davon in Form von Steuern an den Staat abgeben, der damit  gesamtgesellschaftliche Aufgaben finanziert.

Aber was hat das mit der Finanzierung der Renten zu tun? Im Umlageverfahren werden aus den Arbeitseinkommen Beiträge für die Rentenzahlungen abgezweigt. Im Kapitaldeckungsverfahren werden die Rentenzahlungen aus den Vermögenseinkommen geleistet. Von Kindermangel oder längerer Lebenserwartung sind also beide Systeme gleich betroffen. Denn auch die Dividenden aus denen Renten finanziert werden sollen, müssen vom aktiven Bevölkerungsteil erarbeitet werden.

Im Kern geht es also um die Frage, ob die Zahlungen für die gesetzliche Rente von den Arbeitseinkommen oder von den Kapitaleinkommen abgezweigt werden. Damit sind wir am entscheidenden Punkt: Rentensteigerungen sind bei der Kapitaldeckung dann möglich, wenn die Dividenden steigen. Im Umlageverfahren steigen sie dagegen mit den Lohneinkommen.

Wenn sich die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit so verschieben, dass die Kapitaleinkommen auf Kosten der Lohneinkommen steigen, dann steigen auch die Erträge im Kapitaldeckungsverfahren. Das gleiche gilt, wenn die Regierung Kapitaleinkommen steuerlich entlastet und stärkere Abgaben auf Lohneinkommen erhebt. Mit anderen Worten sind Rentensteigerungen über die Vermögenseinkommen dann möglich, wenn die Arbeitseinkommen wenig oder gar nicht steigen.

Damit ist auch klar, was mit der Aktienrente erreicht werden soll. Heute sind Rentner*innen an Lohnsteigerungen interessiert, denn damit steigen auch ihre Renten. Zukünftig sollen sie an Gewinnsteigerungen interessiert sein, denn dann würden auch die Dividenden steigen. Allerdings müssten dann zum Beispiel Rentner*innen die zur Miete bei einem Wohnungskonzern wohnen, ihre Rentensteigerung über die vorherige Mieterhöhung selbst finanzieren.

Es geht also nicht um Vorteile des Kapitaldeckungsverfahrens gegenüber dem Umlageverfahren, denn beide können nur das verteilen, was erwirtschaftet wurde. Es geht um einen Verteilungskampf zwischen Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen.

Auch bei anderen Argumenten, die in diesem Zusammenhang gebracht werden, ist Vorsicht geboten:

  • Bei den häufig vorgenommenen Renditevergleichen wird außer Acht gelassen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur das Altersrisiko abdecken. Erhebliche Anteile der Beiträge gehen in die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (Rehabilitation) während des Arbeitslebens, in die Krankenversicherung und in die Hinterbliebenenversorgung (Witwer, Witwen und Waisen).
  • Auch das Argument der Alimentation der Rentenversicherung durch den Staat lässt sich so nicht halten. Der staatliche Rentenzuschuss ist aber kein Zuschuss, sondern eine Ausgleichszahlung für gesetzlich beschlossene Zahlungen an Leistungsempfänger*innen, die dafür keine Beiträge gezahlt haben, zum Beispiel die Mütterrente. Zudem deckt die Ausgleichszahlung bei weitem nicht alle Leistungen ab.
  • Sollte zudem ein wirklich relevanter Teil der Rentenzahlungen aus Vermögenseinkommen fließen, müsste ein Kapitalstock aufgebaut werden, der den deutschen Kapitalmarkt sprengen würde. Ein Ausweichen auf ausländische Kapitalmärkte würde auch dort den überall herrschenden Anlagenotstand verschärften und zu einer weiteren Vermögenspreisinflation beitragen. Die nächste Finanzkrise wäre programmiert.
  • Schließlich belaufen sich die Verwaltungskosten der gesetzlichen Rentenversicherung auf weniger als 2%. Damit gibt sich kein Kapitalmarktmanager zufrieden. In diesen Bereichen ist mit viel höheren Gebühren zu rechnen.

Trotzdem ist auch unser gegenwärtiges Rentensystem nicht optimal. Mit seiner Unterteilung in ein System für Arbeitnehmer, für Beamte, für Standesgruppen und ohne Einbeziehung der Selbständigen ist es noch auf dem Stand des 19. Jahrhunderts. Heute ist es erforderlich alle aktiven Menschen in ein gemeinsames System einzubeziehen, um gesellschaftliche Gleichwertigkeit zu sichern. Außerdem erfordern die heutigen unsicheren Erwerbsverläufe eine Absicherung gegen Altersarmut. Dazu sollte aus allen Einkommen – aus Arbeit und aus privatem Vermögen – eine Basisrente finanziert werden, die sicher vor Altersarmut schützt. Entsprechend könnten die Beitragssätze des darauf aufsetzenden Rentensystems sinken.