Neue UN-Steuerkonvention
Das European Network on Debt and Development (Eurodad) hat heute gemeinsam mit der Global Alliance for Tax Justice (GATJ) einen Diskussionsentwurf für eine UN-Steuerkonvention nach dem Vorbild der Klimarahmenkonvention veröffentlicht.
Dazu David Kern-Fehrenbach vom Netzwerk Steuergerechtigkeit: "Transnationale Konzerne und reiche Vermögensbesitzer nutzen derzeit die Lücken im internationalen Steuersystem, um sich der fairen Besteuerung zu entziehen. Die UN-Steuerkonvention ist ein wichtiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit."
Karl-Martin Hentschel, von Attac Deutschland, ergänzt: "Ziel ist die Vereinbarung einer multilateralen Steuerkonvention im Rahmen der Vereinten Nationen, um den schädlichen internationalen Steuerdumpingwettbewerb zu stoppen und die Steuervermeidung weltweit anzugehen."
Seit Jahren tobt ein internationaler Dumpingwettbewerb bei der Unternehmensbesteuerung. Milliarden Gewinne werden durch Steuertricks in Steueroasen ausgewiesen. Besonders die Länder des globalen Südens haben die UN-Steuerkonvention wiederholt gefordert. Auch bei der vorgeschlagenen Neuregelung, die derzeit von der OECD koordiniert wird, werden sie erneut unzureichend berücksichtigt (1). Dieses System schreibt den Sitzländern multinationaler Unternehmen einen Großteil der Steuereinnahmen zu. Das benachteiligt insbesondere wirtschaftlich unterentwickelte Länder, in denen es wenige Konzernsitze gibt. Besonders bei der Besteuerung von Digitalfirmen schadet es aber auch Deutschland. Auch die neue OECD-Mindeststeuer sieht keine grundsätzliche Änderung dieser globalen Spielregeln vor.
Dazu Bodo Ellmers vom Global Policy Forum: "Die neue UN-Steuerkonvention schließt eine Lücke in der internationalen Finanzarchitektur, eine Lücke durch die bislang jedes Jahr mehrere hundert Milliarden Euro an Steuergeldern verloren gehen. Besonders die ärmsten Länder brauchen diese Mittel dringend, um Armutsbekämpfung zu finanzieren und ihre Abhängigkeit von der Entwicklungshilfe zu überwinden. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich auch bei der Steuergerechtigkeit als Champion des Multilateralismus zu zeigen. Deutschland muss sich den Unterstützern anzuschließen."
Der nun veröffentlichte Entwurf für eine UN-Steuerkonvention ist nach dem Vorbild existierender UN-Konventionen wie der UN-Klimakonvention (UNFCCC) modelliert. Sie würde einen institutionellen Rahmen schaffen, in dem die 193 Mitgliedstaaten der UN kollektive Vereinbarungen aushandeln können. Der Entwurf beinhaltet Vorschläge für eine grundlegende Reform der globalen Steuerarchitektur, unter anderem
- die Übertragung der Kompetenz der internationalen Steuerkoordination von der OECD auf die UN, also auf eine Institution mit universeller Mitgliedschaft, die internationales Recht setzen kann.
- die Einführung des Konzepts der Gesamtkonzernsteuer für die Unternehmensbesteuerung (2). Dabei werden globale Konzerne als eine Einheit betrachtet und Steuern anhand einer Formel nach wirtschaftlicher Aktivität weltweit verteilt. Damit würde das hoch komplexe Verrechnungspreissystem abgelöst, das von transnational operierenden Konzernen zur Steuervermeidung mittels Gewinnverlagerung in Steueroasen genutzt wird.
- ein öffentlich zugängliches weltweites UN-Unternehmens-Register, das die tatsächlichen Eigentümer von Unternehmen und Trusts sowie die länderspezifischen Daten über die weltweiten Steuerzahlungen und wirtschaftlichen Aktivitäten multinationaler Unternehmen sammelt.
Diese Vorschläge gehen weit über die aktuellen Reformen für eine OECD Mindeststeuer und eine EU-Richtlinie für Steuertransparenz (public Country-by-Country Reporting) hinaus. Weitere Vorschläge für den Inhalt einer UN-Steuerkonvention finden sich insbesondere in den Artikeln 5-19 des Entwurfstexts.
Hintergrund:
Bei der Reform für eine globale Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne öffnete die OECD im sogenannten Inclusive Framework die Verhandlungen auch für Nicht-OECD-Mitglieder. Dennoch waren über ein Drittel aller von der UN anerkannten Staaten und mehr als die Hälfte der 54 afrikanischen Staaten nicht an den Verhandlungen beteiligt (3, 4). Die Zusatzeinnahmen aus der globalen Mindeststeuer gehen kaum an Länder des globalen Südens, da sie bereits jetzt oft effektive Steuerraten haben, die über dem Mindestsatz von 15 Prozent liegen (5). Zudem sind von der geplanten Neuverteilung der globalen Besteuerungsrechte, nur die 100 größten Unternehmen mit einem vergleichsweise geringen Anteil ihrer Gewinne betroffen.
Bereits im Jahr 2019 forderte die Afrika-Gruppe bei den Vereinten Nationen eine UN-Steuerkonvention. Anfang 2021 schloss sich der Bericht des UN High Level Panel on International Financial Accountability, Transparency and Integrity (FACTI) dieser Forderung an (6). Erst vergangenen November scheiterten die G-77 Staaten der Schwellen- und Entwicklungsländer mit ihrem Vorschlag (7) für eine zwischenstaatliche UN-Steuerkommission.
1 Statement des Argentinischen Finanzministers Martín Guzmán (ab Min 8:06) https://www.youtube.com/watch?v=0FFI4aPpydw&t=2s; Statement des African Tax Administration Forum (ATAF) https://www.ataftax.org/a-new-era-of-international-taxation-rules-what-does-this-mean-for-africa
4 https://www.eurodad.org/who_is_at_the_table_global_tax_rules
5 https://www. southcentre.int/tax-cooperation-policy-brief-23-11-february-2022/
7 Abrufbar unter https://documents.un.org/prod/ods.nsf/home.xsp, Dokumentennummer A/C.2/76/L.28, Paragraph 19.
Kontakt für Rückfragen:
Bodo Ellmers, Global Policy Forum
bodoellmers@globalpolicy.org; Tel: 0179 2965298
Karl-Martin Hentschel, Attac Deutschland
karl-martin.hentschel@attac.de; Tel: 0151-59084268
David Kern-Fehrenbach, Netzwerk Steuergerechtigkeit
d.kern-fehrenbach@netzwerk-steuergerechtigkeit.de; Tel: 030 217 99 995