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Wahlprogramme: Konservative, Liberale und AfD beschenken die Reichen

Ein Überblick über die finanzpolitischen Vorstellungen der Parteien

Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist am Schluss seiner Analyse ratlos: CDU/CSU und FDP haben Wahlprogramme vorgelegt, die in keiner Weise gegenfinanziert sind. Und dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: Sie beanspruchen dafür einfach mal ein Viertel (die Union) bzw. sogar ein Drittel (die FDP) der Einnahmen des Bundeshaushaltes. Und das soll funktionieren, weil nach dem Wahlsieg der beiden mal kurz die Konjunktur wieder anspringt. Da wundert sich selbst die Zeitschrift Capital: „Wie die Union ihre großen Steuerentlastungen finanzieren will, erklärt sie in ihrem Wahlprogramm nicht.“. Und die Denkschmiede IW des Industrieverbandes BDI und des Arbeitsgeberverbandes BDA weist entsetzt darauf hin, dass die Hälfte dieser fehlenden Steuereinnahmen auch noch die Länder und Kommunen bezahlen sollen, die eh schon unter der Schuldenbremse ächzen und das mit Sicherheit nicht mitmachen werden. 

CDU/CSU und FDP als Weihnachtsmänner

Doch im Einzelnen: Die CDU will die Einkommenssteuern für alle senken, den Soli abschaffen, die Unternehmenssteuern senken und die Stromsteuern ebenfalls. Insgesamt fast 100 Mrd. Euro oder ein Viertel weniger Staatseinnahmen. Die Liberalen toppen das und spielen Weihnachtsmann der Nation: Sie wollen 138 Mrd. Euro Geschenke verteilen. Nach der Rechnung des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) sind es sogar 189 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Die geplanten Einnahmen im Bundeshaushalt 2024 liegen bei 427 Mrd. Euro. Die Hauptprofiteure dieser Entlastungen sind nach Berechnungen von Stefan Bach vom DIW das reichste ein Prozent – sie sollen 28 Mrd. Euro geschenkt bekommen. Die reichsten 10 Prozent bekommen sogar über die Hälfte der Entlastungen – ca. 50 Mrd. Steuergeschenke.

AfD – alles sollen die Armen und „Normalos“ bezahlen

Übertroffen wird das Ganze aber noch von der AfD. Sie will auch noch die Erbschaftssteuer und die Grundsteuer komplett abschaffen. Dazu kommen ihre Programme, um die Geburtenrate zu steigern und die Renten zu erhöhen. Letzteres wollen sie über die Sozialversicherungen finanzieren – dass wäre ein Erhöhung um 30 Prozent. Das bedeutet aber, dass die Wohlhabenden und Reichen dieser Gesellschaft an der Finanzierung dieser Sozialtaten überhaupt nicht beteiligt werden. Denn die Sozialabgaben zahlen ja nur die Normalverdiener – auch die Geringverdiener. 

Fazit zu den vier Parteien: Von all diesen fiktiven Steuergeschenken bekommt die ärmere Hälfte der Bevölkerung nur 12 Prozent und das ärmste Fünftel geht ganz leer aus. Denn sie zahlen ja auch heute schon keine Einkommensteuern, sondern sind vor allem von der Mehrwertsteuer betroffen, die dagegen nicht gesenkt werden soll. Darüber hinaus werden die Sozialleistungen radikal gekürzt, um die Geschenke wieder einzusparen.

SPD und Grüne – Konjunkturprogramm durch Lockerung der Schuldenbremse

Im Vergleich dazu wirken die Programme von SPD und Grünen knochentrocken realistisch. Immerhin scheinen beide begriffen zu haben, dass eine Klimapolitik ohne soziale Flankierung nicht möglich ist. Die SPD hat fleißig gearbeitet und fast alle Punkte, die Attacis wichtig sind, angesprochen – Steuerlücken schließen, Erbschafts- und Schenkungssteuer reformieren, Vermögenssteuer revitalisieren für Superreiche, Finanztransaktionssteuer und Bekämpfung der Finanzkriminalität – aber alles in Portiönchen, bei denen von einer Umverteilung des Reichtums keine Rede sein kann. Und wir haben auch nicht vergessen, dass die SPD das Thema Vermögenssteuer schon in der Vergangenheit für den Wahlkampf genutzt hat, nur um es dann für die nächsten vier Jahre nicht mehr zu thematisieren. 

Das Programm der Grünen ist im Vergleich etwas weniger konkret – aber sehr ähnlich. Es fehlt die Finanztransaktionssteuer, dafür sprechen sie zumindest die Bürgerversicherung für Renten und Krankenkassen als Fernziel an – es ist aber klar, dass sie nur mit einem kleinen Schritt rechnen.  

Das Defizit entsteht bei beiden vor allem durch das Investitionsprogramm und die Senkung der Strompreise. Bei den Grünen kommt dann noch das Klimageld für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen hinzu, das bei der SPD fehlt. Beide wollen das Haushaltsloch durch Mehreinnahmen von Vermögenden und eine Lockerung der Schuldenbremse decken.

Linke und BSW

Da das BSW noch kein Programm verabschiedet hat, ist man auf das Kurzwahlprogramm angewiesen: Es will wie SPD und Grüne einen Zukunftsfonds zur Förderung heimischer Unternehmen. Einkommen aus Kapitaleinkommen soll wie Arbeitseinkommen besteuert werden und die Vermögensteuer für extrem große Vermögen soll wieder eingeführt werden. Bei den Sozialbeiträgen soll durch einen Grundfreibetrag und die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen eine Entlastung der unteren Einkommen erfolgen. Durch eine Mindestrente soll Altersarmut verhindert werden. Ein Wunschkatalog, dem aber der Unterbau konkreter Maßnahmen fehlt.  

Bei den Linken ist alles ganz genau durchdekliniert. Sie wollen tatsächlich umverteilen: Spitzensteuersatz 75% ab 1 Mio. € Einkommen; Maximaleinkommen: das 20-fache des geringsten Einkommens im Unternehmen; Vermögensteuer ab 1 Mio. Euro 1%, ab 1 Mrd. Euro sogar 12%; zusätzlich einmalige Vermögensabgabe von 30% für Multimillionäre usw. und ein Klimageld von 320 Euro – wie die Grünen auch nur für geringe und mittlere Einkommen.

Was bleibt zu tun? Für ein neues Narrativ!

So wie es aussieht, wird es eine schwarz-rote oder eine schwarz-grüne Regierung geben. Die Debatte über Umverteilen wird nur von einer Minderheit der Wähler und einigen NGOs geführt werden – obwohl in Umfragen drei Viertel sich dafür aussprechen. Das ist in den USA auch so und trotzdem wählen sogar finanzschwache und marginalisierte Menschen mit Trump einen Milliardär, der über Sozialpolitik lästert und die Steuern für die großen Konzerne und Milliardäre schlicht halbiert hat. Damit sich das ändert, müssen die Argumente der Reichenlobbys wirksam bekämpft werden. Dabei sind zwei Argumente ins Zentrum unseres Narrativs zu stellen:

1.    Ungleichheit zerstört die Demokratie! Denn die Menschen erwarten von einer vom Volk gewählten Regierung eine faire und gerechte Lastenverteilung. Wenn sie den Eindruck haben, dass nur die Reichen profitieren, dann erscheint ihnen Demokratie sinnlos und sie wählen lieber einen starken Mann, der auf den Tisch haut.

2.    Steuerprivilegien für Reiche schaden der Wirtschaft, weil das Geld nicht in die Realwirtschaft investiert oder ausgegeben wird, sondern mit Aktien spekuliert und Immobilien gekauft werden. Die Folge: Vermögenspreisinflation. Umgekehrt: Wenn der Staat die Reichen mehr besteuert, dann wird das Geld investiert und es werden Gehälter für Lehrer, Erzieher oder Krankenschwestern bezahlt. Mit dem Geld können Innovationen angeschoben werden und es stützt über Gehälter und Konsum die Realwirtschaft.

Wer die Demokratie erhalten und die Zukunft gestalten will, muss umverteilen!