Özdemir muss Agrarindustrie die Stirn bieten
Mit gigantischen Stroh-Buchstaben haben am Samstag mehr als 60 Organisationen aus Landwirtschaft und Gesellschaft - darunter Attac - in Berlin eine nachhaltige Agrar- und Ernährungspolitik gefordet. Aus 50 Tonnen Stroh bildete das „Wir haben es satt!“-Bündnis vor dem Bundestag den 4,5 Meter hohen Schriftzug „Agrarwende jetzt!“. Damit unterstrichen die Demonstrant*innen ihre Erwartung an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, jetzt für einen schnellen und entschlossenen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft zu sorgen.
"Es ist höchste Zeit, dass die Höfe und Menschen in diesem Land wieder zu den Gewinner*innen der Agrar- und Ernährungspolitik zählen", sagte Bündnis-Sprecherin Saskia Richartz. "Minister Özdemir muss jetzt das Feld für die Agrarwende bestellen. Das heißt: Umweltfreundliche Bewirtschaftung, artgerechte Haltung und Klimaschutz auf Acker und Teller müssen sich wieder lohnen."
Damit die Agrar- und Ernährungswende klappt, brauchen Höfe und Konsument*innen Transparenz, Verlässlichkeit und Zukunftsperspektiven. Die Bundesregierung muss das Höfesterben stoppen und sicherstellen, dass alle Menschen Zugang zu gutem pestizid- und gentechnikfrei hergestelltem Essen haben. Für den Klimaschutz müssen die Tierzahlen reduziert werden, artgerechte Tierhaltung muss ebenso wie der Ökolandbau zum Leitbild werden.
Mit Blick auf die Lobby-Interessen, die in der Vergangenheit die notwendigen Veränderungen blockierten, verlangt das Bündnis klare Kante vom Landwirtschafts- und Ernährungsministerium. "Özdemir muss der Agrarindustrie die Stirn bieten. Weder Chemie-, Milch- und Fleischkonzerne noch Bodenspekulanten dürfen in Zukunft die Agrarpolitik bestimmen," sagte Richartz. "Die Agrarwende ist harte Arbeit und wird sicher kein Spaziergang. Wir halten den Druck aufrecht und werden die Arbeit des Ministers kritisch begleiten. Wenn Cem Özdemir eine zukunftsfähige Politik macht, hat er die Unterstützung unserer Bewegung."
Die Lage auf dem Land ist nach 16 Jahren unionsgeführter Agrarpolitik dramatisch: Schlechte Erzeugerpreise durch das Preisdiktat des Handels und die fatale Ausrichtung auf Export zwingen Bauernhöfe zum Schließen. Landwirtschaftlicher Boden wird immer mehr zum Spekulationsobjekt. Tierfabriken verdrängen bäuerliche Betriebe. Der Antibiotikamissbrauch bedroht unser aller Gesundheit. Klimakrise und Artensterben eskalieren.
Schon am Vormittag hatten Bäuer*innen mit ihren Traktoren eine Protestnote an Cem Özdemir übergeben. Auch der "Staffel-Lauch für die Agrarwende" fand im Agrarminister seinen Adressaten. Über 1500 Menschen fordern in Video-Botschaften den agrarpolitischen Neustart und reichen so den virtuellen Staffel-Lauch bis ins Regierungsviertel weiter. Auch Attac-Aktive haben sich beteiligt (Video).
Attac fordert eine Agrar- und Handelspolitik, die den Weg zur klimaneutralen Wirtschaft einschlägt und die Wirtschaft mit den planetaren Grenzen in Einklang bringt. Dafür gilt es auch das Assoziierungsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten in Südamerika zu stoppen. Hanni Gramann von der Attac-Arbeitsgruppe Welthandel und WTO: "Das EU-Mercosur-Abkommen würde für den Export von Agrarprodukten einer weiteren Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes Vorschub leisten. Entschlossener Klimaschutz benötigt eine neue Wirtschafts- und Agrarpolitik."