Jörg-Huffschmid-Preis 2023
Moritz Kuhles und Patrick Kaczmarczyk wurden für ihre hervorragenden Arbeiten in den Sozialwissenschaften mit dem diesjährigen Jörg-Huffschmid-Preis ausgezeichnet.
Die Auszeichnung im Gedenken an das wissenschaftliche Werk und das gesellschaftspolitische Engagement des 2009 verstorbenen Bremer Ökonomen Jörg Huffschmid wird alle zwei Jahre durch die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Attac Deutschland, die EuroMemo-Gruppe und die Rosa-Luxemburg-Stiftung vergeben.
Moritz Kuhles hat in seiner Masterarbeit «Von der Geldware zur Geldpolitik. Über das Maß der Werte nach der Demonetisierung des Goldes» überzeugend dargestellt, dass auch das heutige, nicht mehr an die Geldware Gold gebundene Geldsystem logisch widerspruchsfrei auf der Basis der marxschen Werttheorie erklärt werden kann. Indem er die marxsche Wertformanalyse weiterentwickelt, zeigt Moritz Kuhles, wie in den modernen kapitalistischen Gesellschaften de facto ein repräsentativer Warenkorb, der statistisch ermittelt wird, als Maß der Werte fungiert. Eine zentrale Funktionsbedingung dafür ist die Gewährleistung der Preisstabilität, die vorrangige Aufgabe der Geldpolitik der Zentralbanken ist. Moritz Kuhles vermittelt durch seine Arbeit Einsichten in das Wesen der Geldpolitik, die gerade angesichts der gegenwärtigen, relativ hohen Inflationsraten von großer Bedeutung sind. Er stützt sich nicht nur auf Marx, sondern analysiert die geldtheoretischen Debatten der Zeit zwischen den Weltkriegen, in der die Ablösung vom Goldstandard erfolgte. Durch seine kritische Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Irving Fisher und John Maynard Keynes entwickelt er die Kritik der politischen Ökonomie weiter.
Patrick Kaczmarczyk zeigt in seiner Dissertation «Growth models in a world of international trade and capital flows», wie transnationale Konzerne die Transformation der Europäischen Union prägen. Seine empirische Untersuchung konzentriert sich auf den Konkurrenzkampf der großen Automobilhersteller in Deutschland und Frankreich. Er stellt dar, wie die Finanzialisierung der Unternehmensstrategien, die Integration der osteuropäischen Niedriglohnstandorte in die Produktionsnetzwerke der transnationalen Konzerne, ihr Lobbyismus in Brüssel und Entscheidungen der EU-Institutionen im Sinne der Industrie genutzt wurden, um kurzfristige Renditen zu erzielen. Er weist nach, dass die Überlegenheit der deutschen Automobilindustrie gegenüber der französischen vor allem aus günstigeren Refinanzierungsbedingungen und aus der Lohnrepression der deutschen und osteuropäischen Arbeitnehmerschaft resultiert, die es der deutschen Automobilindustrie erlaubt haben, ihre Produktion im Inland zu halten. Patrick Kaczmarczyk verbindet in seiner Dissertation in hervorragender Weise Analysen auf der Mikroebene der Unternehmen und auf der Makroebene der Nationalstaaten, der Europäischen Union und des Weltmarktes. Er integriert Gesichtspunkte der Internationalen Politischen Ökonomie und der Vergleichenden Politischen Ökonomie und analysiert in beispielhafter Weise den gegenwärtigen, finanzialisierten Kapitalismus. Die Arbeit verdeutlicht, welche Hindernisse für eine sozialökologische Transformation im Bereich der Mobilität bestehen.