Attac fordert vor Gericht Gemeinnützigkeit zurück
- Donnerstag, 10. November 2016, 9.45 Uhr
- Hessisches Finanzgericht, Sitzungssaal, Königstor 35 (Eingang Hermannstraße), Kassel
Steht das Engagement von Attac gegen die neoliberale Globalisierung der Gemeinnützigkeit des Netzwerks entgegen? Um diese Frage geht es am 10. November vor dem Hessischen Finanzgericht in Kassel.
Attac hat gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit durch das Frankfurter Finanzamt geklagt. Die Behörde verweigert Attac seit April 2014 die Gemeinnützigkeit mit der Begründung, das Netzwerk sei zu politisch. Tatsächlich verbietet das Gesetz gemeinnützigen Vereinen keine politischen Aktivitäten, sondern schließt lediglich die Förderung von Parteien aus, halten die Globalisierungskritiker dagegen. Die Förderung gemeinnütziger Zwecke sei ohne politische Aktionen, ohne Einflussnahme auf die politische Willensbildung nicht denkbar (www.attac.de/klagebegruendung).
"Die Entscheidung des Frankfurter Finanzamtes ist nicht hinnehmbar. Sie behindert nicht allein das Engagement von Attac; sie trifft die gesamte aktive und kritische Zivilgesellschaft, die für eine moderne Demokratie Voraussetzung ist. Bürgerschaftliches Engagement für eine gerechte Welt ist per se politisch – und gemeinnützig", sagt Dirk Friedrichs vom Vorstand des Attac-Trägervereins. Es sei die Aufgabe kritischer Organisationen, politische Entscheidungsprozesse aktiv zu begleiten. Starke Nichtregierungsorganisationen seien unverzichtbar, um das Gemeinwohl gegenüber mächtigen Einzelinteressen global agierender Konzerne und Banken zu verteidigen.
Attac setzt sich ein für eine Umverteilung des globalen Reichtums, eine strenge Regulierung der Finanzmärkte, einen gerechten Welthandel und umfassende soziale Sicherheit. Aktuell engagiert sich das Netzwerk vor allem gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA. Bei von Attac mit organisierten Demonstrationen sind am 17. September bundesweit mehr als 300.000 Menschen gegen CETA und TTIP auf die Straße gegangen.
Die Verhandlung am 10. November ist öffentlich. Attac wird in dem Prozess vertreten durch Dr. Till Müller-Heidelberg, Fachanwalt für Steuerrecht.
Für Rückfragen:
- Dirk Friedrichs, Vorstand Attac-Trägerverein e.V. / Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0177 3276 659
- Stephanie Handtmann, Geschäftsführerin Attac-Bundesbüro, Tel. 069 900 281 22, 0176 2419 1706
- Andreas van Baaijen, Geschäftsführer Attac-Bundesbüro, Tel. 069 900 281 40, 0176 9981 3292
- Dr. Till Müller-Heidelberg, Kanzlei Dr. Müller-Heidelberg, Fuchs und Partner, über: Attac-Pressestelle, Tel. 069 900 281 42, 0151 6141 0268
Hintergrund
Mit der Behauptung, Attac sei zu politisch, entzog das Finanzamt Frankfurt dem Netzwerk am 14. April 2014 die Gemeinnützigkeit. Insbesondere der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe diene keinem gemeinnützigen Zweck, hieß es zur Begründung. Attac legte umgehend Einspruch ein, den das Finanzamt nach mehr als anderthalb Jahren im Januar 2016 zurückwies. Attac reichte daraufhin Klage ein.
Die Entscheidung des Finanzamts bedeutet, dass die Mitglieder und Unterstützer der Attac-Arbeit ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen können. Dennoch sind nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit viele Menschen unter dem Motto "Jetzt erst recht" dem globalisierungskritischen Netzwerk beigetreten. Auch die Anzahl und Höhe der Spenden ist angestiegen.
Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" angestoßen, die im Juli 2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz haben sich mehr als 60 Vereine und Stiftungen angeschlossen - darunter neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und Campact. (www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de)
Was ist Attac?
Attac ist die Abkürzung für die französische Bezeichnung "Association pour une Taxation des Transactions Financières pour l'Aide aux Citoyens – auf Deutsch: "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger/innen". Ausgehend von der Forderung nach einer Entwaffnung der Finanzmärkte befasst sich das Netzwerk mit der gesamten Bandbreite der Probleme neoliberaler Globalisierung. Attac setzt sich ein für eine stärkere demokratische Kontrolle der Wirtschaft; Politik soll sich an den Leitlinien von Gerechtigkeit, Demokratie und ökologisch verantwortbarer Entwicklung ausrichten. Weltweit haben sich Attac rund 90.000 Menschen in mehr als 40 Ländern angeschlossen. Attac Deutschland – im Jahr 2000 in Frankfurt am Main gegründet – hat mehr als 29.000 Mitglieder, 170 Regionalgruppen sowie mehr als 100 Mitgliedsorganisationen, deren Spannweite von den Gewerkschaften Verdi und GEW über den Umweltverband BUND oder die katholische Friedensorganisation Pax Christi bis hin zu kapitalismuskritischen Gruppen reicht.