Schluss jetzt! Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten dient der Verdrängung. Zukunft geht anders.
Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist am 24. Februar 2022 nicht zum ersten Mal ein zentrales westliches Dogma zerplatzt: Handel ist eben doch keine Garantie für Wandel hin zu mehr Demokratie, Menschenrechten und Frieden. Wesentliche Fragen des (Über-)Lebens und der Menschlichkeit sind nicht mit Mitteln der kapitalistischen Marktwirtschaft zu lösen.
Bedauern muss man den Verlust dieses Dogmas nicht. Humanitäre Werte hängen schließlich weniger vom Management globaler Wertschöpfungsketten als von der Organisierung eines „guten Lebens für alle“ ab. Eine grundlegende Bedingung dafür ist angesichts des drohenden Klimakollapses der Ausstieg aus dem Verbrauch fossiler Energien.
In Deutschland schnappen Konservative und Wirtschaftsliberale vor diesem Hintergrund derzeit gerne nach einem Happen, den ihnen die profaschistische Alternative für Deutschland (AfD) zuletzt vor die Füße geworfen hat: zurück zum vermeintlich CO2-neutralen Atomstrom.
Doch eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ignoriert die Realität. Ohne Frage ist Gas nicht mehr billig, und Atomkraft mag demgegenüber vergleichsweise günstig erscheinen. Eine seriöse Preiskalkulation muss auf Basis aller bekannten Fakten jedoch berücksichtigen, dass Atomkraft nicht sicher und nicht zu versichern ist.
Aktuell in Deutschland weiterlaufende Kraftwerke weisen Risse an Rohren des Primärkreislaufs auf und werden nur unzureichend kontrolliert, während sich schon seit jeher keine Versicherungsgesellschaft findet, die die Risiken eines GAUs einkalkulieren und entsprechend versichern will.
Ein Weiterbetrieb von Atomkraftwerken trägt überdies nicht zur Unabhängigkeit der deutschen Energieversorgung bei. So wird ein bedeutender Teil des Bedarfs an spaltbarem Uran aus Russland bezogen. Und in Bezug auf die deutlich längerfristigen Auswirkungen der bereits begonnenen Klimakrise verdeutlichte der Sommer 2022 die komplette Absurdität des Diskurses über den Erhalt der Atomkraft: Das trotz aller zurückliegenden nuklearen Katastrophen wie in Tschernobyl und Fukushima vorrangig auf Atomkraft setzende Frankreich war zuletzt existenziell auf deutsche Energieimporte angewiesen – austrocknende Flüsse können keine glühenden Brennstäbe kühlen.
„Nein danke“ zur Atomkraft gilt jetzt erst recht, reicht aber nicht. Zu viele Politiker*innen verdrängen mit einem rückwärtsgewandten „Ja“ zu einer potenziell menschheitsvernichtenden Kraft weiterhin, dass die Welt nur durch einen substanziellen Wandel vor dem klimatischen Kollaps bewahrt werden kann. Schluss jetzt. Wir brauchen eine Dezentralisierung und Demokratisierung der Versorgung mit erneuerbaren Energien!
Autorin: Judith Amler