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Was hat Attac mit der Mobilitätswende zu tun? Positionspapier zur Verbindung von Attac mit dem Themenkomplex Mobilität | Stand: Februar 2022

Eine radikale Mobilitätswende ist zurzeit eines der dringendsten Themen auf der politischen Tagesordnung. Dass sich Verkehrsinitiativen und Umweltverbände dafür einsetzen, liegt auf der Hand. Aber warum soll sich das globalisierungskritische Attac-Netzwerk hier einbringen? Die nachfolgenden Thesen versuchen darauf eine Antwort zu geben, indem sie Themen benennen, die mit Mobilität zu tun haben und gleichzeitig Themen von Attac sind.

1. Klimagerechtigkeit braucht eine radikale Mobilitätswende

Attac sieht sich als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung. Eine radikale Mobilitätswende mit einem radikalen Rückbau des individuellen Autoverkehrs bei gleichzeitigem Ausbau von Bus- und Bahnverbindungen sowie Rad- und Fußverkehrsmöglichkeiten ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für mehr Klimagerechtigkeit. Nur so können CO2-Emmissionen im notwendigen Maße gesenkt werden. Wenn eine solche Mobilitätswende nicht gelingt, wird die Klimakatastrophe nicht zu verhindern sein und der globale Süden weiter für die ökologischen und sozialen Kosten der Mobilität des globalen Nordens bezahlen müssen.


2. Die Sozial-ökologische Transformation durchsetzen

Die Mobilitätswende ist Teil des gesamtgesellschaftlichen sozial-ökologischen Transformationsprozesses, für den sich Attac einsetzt. Ziel ist die solidarische Überwindung von Armut und Naturzerstörung und ein gutes Leben für alle durch Überwindung der profit- und wachstumsorientierten Wirtschaftsweise.

Der Verkehrsbereich ist ein besonders drastisches Beispiel für gesellschaftliche Fehlentwicklungen kapitalistischen Wirtschaftens. Massive anhaltende Landschafts- und Naturzerstörung durch Fixierung auf motorisierten Individualverkehr, Gesundheitsschädigung durch Stickoxide, Verstopfung der Städte bei gleichzeitigem ungleichen Zugang zu Mobilität gehören dazu. Eine solidarische Mobilitätswende schafft gesunde Mobilität für alle – in Stadt und Land. „Öffis statt Autos“ ist dafür das passende Motto.
Sozial-ökologische Transformation kann nur demokratisch unter weitgehendster Beteiligung der Menschen gelingen. Für die notwendige Umgestaltung der Autoindustrie in eine Mobilitätsindustrie (Bau und Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel, Fahr- und Lastenräder u. ä.) sind Transformationsräte unter Beteiligung und sozialer Absicherung der Beschäftigten in der Autoindustrie der richtige Weg. Damit kann die Mobilitätswende ein positives Beispiel für den Umbau gesellschaftlicher Teilbereiche werden.


3. Klimagerechte Mobilität für alle geht nur gegen die Konzerne

Eine radikale Mobilitätswende kann nur gegen und nicht mit den profitorientierten Autokonzernen durchgesetzt werden. Sie ist deshalb immer auch praktische Konzernkritik und muss einen Schwerpunkt auf die Delegitimierung der klimaschädlichen und unsozialen Produktionspolitik der Konzerne, ihre Lobby und ihre politischen Unterstützer*innen richten und deren Handeln skandalisieren. An ihrem Ende muss eine entmachtete, demokratisierte und radikal umgebaute Mobilitätsindustrie stehen.

 

4. Welthandel sozial und ökologisch gestalten – Güterverkehr reduzieren und klimaneutral gestalten

Die Deregulierung des Welthandels und die neoliberale Globalisierung von Wertschöpfungsprozessen hat zu einer überproportionalen Zunahme des weltweiten Güterverkehrs geführt. Er ist in den letzten Jahren stärker angestiegen als die Menge an weltweit produzierten Gütern. Eine stärkere Regulierung des Welthandels nach sozialen und ökologischen Kriterien, eine Stärkung regionaler Produktionszyklen und regionaler Vertriebsketten sowie die Minimierung „unsinniger“ Produktion ist dringend gefordert. Damit kann der weltweite Güterverkehr, der Liefer- und Verteilverkehr in den Städten sowie die damit verbunden Belastungen für Menschen und Natur reduziert werden. Um den verbleibenden Güterverkehr klimaneutral zu gestalten, müssen Güter weitgehend von der Straße auf die Bahn.


5. Privatisierungen stoppen, Gemeingüter stärken und ausbauen

Der Kampf gegen Privatisierung öffentlicher Güter und für den Ausbau von Gemeingütern gehört zur DNA von Attac. Deshalb macht sich Attac vor Ort für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in kommunaler Hand stark. Gemeingüter und öffentliche Infrastruktur dürfen nicht als Goldesel für Rendite suchendes Vermögen missbraucht werden. Attac hat mit Bündnispartner*innen erfolgreich die Privatisierung der Bahn verhindert. Neuen Anläufen dazu aus dem FDP-geführten Verkehrsministerium werden wir uns wieder gemeinsam entgegenstellen. Die Deutsche Bahn muss ein gemeinnütziges, öffentliches und kundenfreundliches Unternehmen werden, das das Bahnfahren wieder attraktiv und kostengünstig macht.

Zukunftsträchtige Mobility-as-a-Service-Plattformen, die verschiedene Angebote wie Bus und Bahn, Car-/Bike-Sharing oder On-Demand-Fahrdienste miteinander verknüpfen, damit Menschen einfach von Haus zu Haus kommen, sind noch weitgehend durch private Anbieter organisiert. Sie sollten in kommunale Hand überführt werden, auch um gewinnträchtigen Missbrauch von Daten zu verhindern.


6. Mit Steuern steuern

Attac setzt sich für eine sozial gerechte und nachhaltige gesellschaftliche Prozesse steuernde Steuerpolitik ein. Der Abbau klimaschädlicher und unsozialer Subventionen, wie z. B. die Steuerprivilegien für Diesel, Dienstwagen sowie Flugbenzin und eine nur am CO2-Ausstoß orientierte Besteuerung von Verbrenner-Pkw sind selbstverständlicher Bestandteil der Forderungen von Attac. Gleichzeitig müssen hohe Vermögen und Einkommen angemessen besteuert werden, um eine öffentliche, ökologisch nachhaltige Verkehrsinfrastruktur zu finanzieren. Wesentlicher Teil dieser Infrastruktur ist der öffentliche Nahverkehr als öffentliche Daseinsvorsorge, dessen aus ökologischen und sozialen Gründen dringend notwendiger Ausbau weitgehend über eine Steuerfinanzierung zu erfolgen hat.


7. Keine Mobilität auf den Schultern des globalen Südens

Die Mobilität in den Ländern des Nordens funktioniert nur durch Raubbau an Ressourcen, schlechte Arbeitsbedingungen und sogar Zwangsarbeit in den Ländern des Südens. Eine reine Antriebswende vom Verbrenner zum E-Motor wird dies nicht verändern, da E-Mobilität eine Unmenge an Ressourcen verschlingen und den Raubbau an Rohstoffen und Agrarland (z. B. E-Fuels) verschärfen wird. Deshalb muss die Mobilitätswende immer als Teil der Auseinandersetzung mit neokolonialen Ausbeutungsstrukturen gedacht werden und somit eine Verallgemeinerbarkeit für alle Menschen auf dem Planeten Erde im Blick haben.

 

8. Das globale Menschenrecht auf Mobilität verwirklichen

Im Zuge der neoliberalen Globalisierung sind viele Grenzen für Kapital, Waren und Dienstleitungen abgebaut worden. Für Menschen ist diese Freizügigkeit nur sehr selektiv eingeführt worden. Wer als Arbeitskraft gebraucht wird oder über genügend Geld und den richtigen Pass verfügt, ist mobiler denn je. Menschen, auf die dies nicht zutrifft – insbesondere Geflüchtete – werden in ihrer Mobilität eingeschränkt, indem Grenzanlagen aufgerüstet und Fluchtwege abgeschnitten werden. Attac setzt sich für das globale Menschenrecht auf Mobilität ein, unabhängig von Reisepass und finanziellen Ressourcen.