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Unsere Alternativen


Kleiner Exkurs: 40 Jahre Fehlentwicklung

In den 1970er Jahren bahnte sich, ermöglicht durch die vom Ölpreisschock ausgelöste Krise, ein ideologischer Wandel in der Wirtschaftspolitik an. Seitdem geht die Tendenz - zunächst in Chile und Neuseeland, dann in den USA, Großbritannien und Lateinamerika und schließlich weltweit - zu sinkenden Steuern (mit Ausnahme der Verbrauchssteuern), deregulierten (globalen wie regionalen) Märkten und Privatisierungen in allen Bereichen. Diese Ideologie des Rückzugs des Staates aus dem Wirtschaftsleben, begründet mit der angeblich höheren Effizienz des “freien Markts”, wird meist als “Neoliberalismus” bezeichnet und geht maßgeblich auf den US-Ökonomen Milton Friedman zurück. Seit den 1990er Jahren verstärkt sich dieser Trend noch; in Deutschland drückt er sich z.B. durch Lohn”zurückhaltung”, Privatisierung und den Abbau gesetzlicher Beschränkungen im Finanzsektor aus. Die Folge: Reallöhne stagnieren oder sinken, während der Export boomt und die Unternehmensgewinne sprudeln. Diese Politik führt erstens zum Auseinanderklaffen der Schere zwischen arm und reich, zweitens zur Blasenbildung an den Märkten (Auslöser der Finanzkrisen), drittens zur übermäßigen Macht der Finanzmärkte und ihrer Institutionen und viertens zur Schuldenkrise vieler Staaten. (Dazu mehr in den Stellungnahmen des wissenschaftlichen Beirats von attac, im Besonderen im Expertisepapier "Vermögenskonzentration und Finanzkrise")

Verschärfung der Fehler in der Krise

Heute befinden wir uns in einer grotesken Situation: Anstatt in der Finanz- und Wirtschaftskrise die neoliberale Ideologie als deren Verursacher zu hinterfragen, erklärt die Politik diese für “alternativlos” und forciert die oben beschriebenen Entwicklungen noch. Deren Profiteure sind somit ebenso die Profiteure der Krisenpolitik; die Verbindung zwischen Verantwortlichkeit und Haftung ist zerbrochen. Gleichzeitig geraten grundlegende gesellschaftliche Ziele wie Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität und Demokratie völlig aus dem Blick. Es ist höchste Zeit, gegenzusteuern und Alternativen einzufordern, bevor beim nächsten Krisenschub das demokratische und soziale Gefüge Europas noch größeren Schaden nimmt! (Siehe dazu auch das Argumentarium zur Krise vom wissenschaftlichen Beirat "Die Finanzmärkte kontrollieren statt die Bevölkerung von Schuldnerstaaten auszupressen")

Deshalb fordert attac:

Demokratie verteidigen – Parlamente stärken, Märkte in die Schranken!

In der Krise wurde mittels neuer EU-Gesetzgebungsprozesse der Entscheidungs-spielraum demokratisch legitimierter Institutionen erheblich eingeschränkt. So dient der “Fiskalpakt” der Kontrolle nationaler Haushalte; mit ihm können Spardiktate am Parlament vorbei der Bevölkerung aufgezwungen werden. Das darf nicht so bleiben!
Auch der enorme Einfluss der Finanzmärkte setzt demokratische Gestaltungs-möglichkeiten außer Kraft, er muss offengelegt und zurückgedrängt werden. Wir setzen uns für ein demokratisches, solidarisches Europa ein, das die Voraussetzung ist für die Überwindung der sozialen Spaltung wie der Desintegrationstendenzen in der EU.

Umfassende Umverteilung – Profiteure zur Kasse!

Die Profiteure von Spekulation und Krise müssen angemessen an deren Folgekosten beteiligt werden, um der sozialen Schieflage der bisherigen Krisenpolitik entgegenzuwirken. Nötig sind eine stärkere und effektivere Besteuerung von hohen        (v.a. Kapital-)Einkommen und Vermögen, eine Gesamtkonzernsteuer sowie eine Finanztransaktionssteuer. Um einen ruinösen Steuerwettbewerb in Europa zu verhindern, brauchen wir Mindeststeuersätze für Unternehmen und Vermögende. Im Gegenzug sollten Konsumsteuern, die sozial Schwache überproportional belasten, gesenkt oder durch ökologische Verbrauchssteuern ersetzt werden.

Die gestiegenen Einnahmen müssen zukunftsweisend in nicht-wachstumstreibende Sektoren investiert werden. Dazu gehören die Stärkung der öffentlichen Daseinsvor- sorge in den Bereichen Grundversorgung, Gesundheit, Bildung und sozialer Teilhabe ebenso wie die globalen Aufgaben Armutsbekämpfung, Umwelt- und Klimaschutz und zivile Konfliktbearbeitung. Dies würde zur Verwirklichung europäischer und globaler sozialer Mindeststandards beitragen und so nicht nur Demokratie und Zusammenhalt in Europa stärken, sondern auch den Migrationsdruck im globalen Süden abschwächen.

Schulden überprüfen und teilweise streichen!

Maßnahmen wie der Fiskalpakt oder der "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" sind die falschen Antworten auf eine richtige Frage: Was tun mit der steigenden Verschuldung vieler Staaten?
In Schuldenaudits ist zu klären, wie die öffentlichen Schulden zustandegekommen sind. Ihre Rechtmäßigkeit muss ebenso bewertet werden wie ihre volkswirtschaftliche Tragfähigkeit, um zu  Empfehlungen für den Umgang mit ihnen zu kommen. Die Interessen der breiten Bevölkerung, etwa Lohn- und Rentenansprüche oder kleine Ersparnisse, müssen dabei Vorrang haben vor den Rückzahlungs- und Rendite- ansprüchen der Reichen und der Finanzinstitute. Um eine sozial gerechte Schuldenstreichung zu ermöglichen, muss die Möglichkeit einer einmaligen europaweiten Vermögensabgabe in Erwägung gezogen werden.

Banken entmachtenFinanzmärkte regulierenSteueroasen schließen!

Im Interesse von Demokratie und Stabilität müssen die Finanzmärkte umfassend re-reguliert werden. Das schließt eine Verschärfung von Transparenz- und Kreditvergaberichtlinien ebenso ein wie effektivere Sanktionsmechanismen. Banken, die mit öffentlichen Geldern gerettet werden, sind zu vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle zu stellen. Institute, die als "too big to fail" gelten, müssen zerschlagen werden. Volkswirtschaftlich sinnlose, rein spekulative Finanzprodukte müssen konsequent verboten werden, ebenso wie die Spekulation mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern des Grundbedarfs. Durch ein europaweit koordiniertes Vorgehen gegen Steueroasen müssen Steuerflucht und die Verlagerung hochriskanter Geschäfte verhindert werden.

Grenzen auf für Menschen – für eine humane Migrationspolitik!

Migration ist ein Menschenrecht. Niemand kann einem Menschen verbieten, anderswo ein besseres Leben zu suchen. In der EU-Einwanderungspolitik müssen daher die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht Fragen nach Fluchtursachen oder ökonomischer “Nützlichkeit”. Die Eingliederung von MigrantInnen, egal ob vorübergehend oder auf Dauer, muss mit geeigneten Maßnahmen erleichtert werden. Gleichzeitig müssen die Bedingungen in den Herkunftsländern, die Menschen zur Auswanderung zwingen, in den Fokus gerückt werden – insbesondere im Hinblick auf die Mitverantwortung Europas.