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Einführung

 

Am 13. Dezember haben die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Vertrag von Lissabon unterzeichnet, der - wenn er von allen Mitgliedsländern ratifiziert wird - für lange Jahre den europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen unkontrollierbaren Wirtschaftsliberalismus aufdrückt, ohne dass sie nach ihrer Meinung gefragt worden sind. Dieser Vertrag ist zu verurteilen wegen seines Zustandekommens, seines Inhalts und des geplanten Vorgehens bei der Ratifikation.

Die europäischen Attac-Organisationen fordern, dass alle neuen europäischen Grundlagentexte - egal ob sie Vertrag oder Verfassung genannt werden - von einer für diesen Zweck gewählten Versammlung verfasst werden. Davon ist das derzeitige Vorgehen weit entfernt: Der neue Vertrag ist hinter verschlossenen Türen von einer Expertengruppe ausgearbeitet worden, über die fast nichts bekannt ist. Dann wurde der Entwurf im Sommer bei einer Konferenz der nationalen Regierungen vorgelegt, bevor er in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober bei einem Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs angenommen wurde. Dies alles ist geschehen ohne jegliche Transparenz.

Der Vertragsinhalt - das wird nahezu jeder erkennen - ist zu mehr als 90 Prozent identisch mit dem Verfassungsvertrag von 2004, der im Jahr 2005 von den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs und der Niederlande abgelehnt wurde. Der Hauptunterschied ist, dass der neue Text vollkommen unlesbar ist, indem auf verwirrende Weise etwa 360 Änderungsartikel zum Vertrag von Maastricht (Vertrag über die Europäische Union) sowie zum Vertrag von Rom eingefügt wurden, der bei der Gelegenheit umbenannt wurde in "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union". Ansonsten finden sich alle Zutaten des Verfassungsvertrags in dem neuen Text wieder: freier Wettbewerb, Preisstabilität, die den Rang eines Ziels der Europäischen Union erhält, Unterwerfung unter die NATO, der Zwang für die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern, das Recht auf Einmischung in Drittländern - und so weiter. Die Europäische Zentralbank bewahrt ihre Unabhängigkeit gegenüber den Mitgliedsstaaten, wohingegen das politische Gewicht des Europa-Parlaments nach wie vor im Vergleich zu Kommission und Ministerrat gering ist.

Der große Unterschied gegenüber dem Verfassungsentwurf von 2004 liegt beim Ratifizierungsverfahren: Diesmal stehen Referenda für die Regierungen erst gar nicht zur Debatte - es wäre zu gefährlich: Einzig Irland wird ein Referendum abhalten, um Artikel 46 seiner Verfassung zu respektieren. Die anderen Staaten werden den Weg über das Parlament gehen, um eine möglichst rasche Ratifizierung des Vertrags sicherzustellen. Der Ärger darüber ist groß bei den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs und der Niederlande, die ihr Votum von 2005 mit den Füßen getreten sehen. Dasselbe gilt für die Bürgerinnen und Bürger Großbritanniens, die sich 2006 in einem Referendum äußern sollten, wo aber nun keine Volksabstimmung mehr vorgesehen ist. Der Ärger macht sich - ebenso wie in den anderen EU-Ländern - auch in Deutschland, Österreich, Belgien und Dänemark breit. Die Bürgerinnen und Bürger möchten mitbestimmen können und nicht länger vom Bau des europäischen Hauses ausgeschlossen werden.

Deshalb fordern die europäischen Attac-Organisationen, dass der Vertrag von Lissabon in jedem einzelnen EU-Mitgliedsland Gegenstand eines Referendums wird. Dies ist der einzige Weg, um den Graben, der zwischen der europäischen Elite und den Bürgerinnen und Bürgern aufgerissen worden ist, zumindest ein wenig zu verkleinern.

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