Chevron gegen Ecuador
Am 7. September 2018 erging der Spruch eines internationalen Schiedsgerichts unter dem Ständigen Schiedshof in Den Haag (Permanent Court of Arbitration, PCA) zugunsten des Ölkonzerns Chevron gegen Ecuador. Grundlage für dieses Urteil war das Bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und Ecuador aus dem Jahr 1997.[1] Die Durchführung des Schiedsgerichtsverfahrens erfolgte auf der Grundlage der UNCITRAL Regeln von 1976.[2]
Der Fall Chevron gegen Ecuador zieht sich bereits seit mehreren Jahrzehnten hin. Involviert sind bzw. waren nicht nur Gerichte in Ecuador, den USA und Kanada, sondern auch der Ständige Schiedshof in Den Haag (Permanent Court of Arbitration, PCA)[3]und zeitweise auch der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC)[4]. Der Fall zeigt, wie ein Konzern durch die rechtliche Unabhängigkeit zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft sich von der Schuld für Menschenrechtsverletzungen und Umweltkatastrophen freizusprechen versucht und wie die Durchgriffshaftung in Bezug auf Mutter- und Tochtergesellschaften unter bestehendem Recht scheitert (piercing the corporate veil).
Zugleich zeigt sich die Komplexität der rechtlichen Situation: Ein Konzern verletzt die Menschenrechte Betroffener eiskalt und versucht einen Staat so unter Druck zu setzen, dass er seine menschenrechtlichen Pflichten absolut vernachlässigt. Simon Taylor, ein Mitbegründer der internationalen NGO GLOBAL WITNESS spricht von einem Rachefeldzug des Konzerns.
Was ist passiert? Zwischen 1964 und 1992, also nahezu 30 Jahre lang, fördert Texaco (2001 von Chevron übernommen) im ecuadorianischen Amazonasgebiet Erdöl. Die Folge sind schwere Umweltschäden mit mehr als 900 Müllhalden mit toxischen Stoffen. Mehr als 30 Tsd. Menschen sind von dieser Umweltkatastrophe betroffen, insbesondere Krebserkrankungen haben stark zugenommen.
Welche Möglichkeiten zur Wiedergutmachung bestehen? 1993 und 1994 reichen Betroffene aus Ecuador und Peru Sammelklagen vor US-amerikanischen Gerichten ein, die aber (auf Betreiben Chevrons) mit dem Argument der Nichtzuständigkeit 2002 zurückgewiesen wurden. Chevron anerkennt die Zuständigkeit von Gerichten in Ecuador und Peru.
2003 wurde eine Sammelklage vor einem Gericht in Ecuador eingereicht. 2008 wurde Chevron zu einer Kompensationszahlung von 27 Mrd. US $ verurteilt. Der Konzern ging gegen dieses Urteil an und forderte die Zurückweisung des Falles aufgrund von Unregelmäßigkeiten. Der zuständige Richter trat wegen Befangenheit zurück. Zugleich bedrängte der Konzern die US-Regierung, vereinbarte Handelspräferenzen mit Ecuador zu beenden.
2010 reichten Betroffene erneut eine Klage gegen Chevron vor einem Provinzgericht ein, das den Konzern 2011 zu mehreren Milliarden US-Dollar Schadenersatz verurteilt. Gegen dieses Urteil erhebt Chevron Einspruch vor dem ecuadorianischen Nationalgericht, der jedoch zurückgewiesen wird. Chevron klagt vor dem Verfassungsgericht Ecuadors, das jedoch am 10. Juli 2018 das Urteil zu einer Zahlung in Höhe von 9.5 Mrd. US $ ebenfalls bestätigt. In einem Versuch, das Urteil durchzusetzen verklagen die Betroffenen zugleich in Kanada die dortige Tochtergesellschaft von Chevron, was jedoch zurückgewiesen wird. Die Anwälte der Betroffenen bestreiten, die rechtliche Unabhängigkeit der kanadischen Tochtergesellschaft. Auch eine Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) im Oktober 2014 gegen den Vorstandsvorsitzenden von Chevron aufgrund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit scheitert.
Der Konzern lehnt das Urteil ecuadorianischer Gerichte ab und verklagt das Andenland parallel zu den Gerichtsverfahren in Ecuador 2006 und erneut 2009 vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag und bezieht sich dabei u. a. auf das bilaterale Investitionsschutzabkommen (BIT) zwischen USA und Ecuador. Zudem gewährten Verträge aus 1995 und 1997 zwischen dem Unternehmen und dem Staat dem Konzern völlige Haftungsfreiheit. Die Berechtigung dieser Anrufung des Schiedshofes wird 2010 durch ein US-amerikanisches Gericht bestätigt. Der Schiedshof bestätigt bereits 2016 die Bindung Ecuadors an das BIT. Nachdem der Widerspruch Ecuadors abgewiesen wird, zahlt das Land 112 Mio. US $ als Kompensation an den Konzern. Am 30. August 2018 macht der Ständige Schiedshof in Den Haag Ecuador haftbar für ‚denying justice‘ gegenüber dem Konzern und fordert, dass das Urteil des Obersten Gerichts nicht vollstreckt werden dürfe.
Die Regierung Ecuadors hat die Annahme des Schiedsspruches abgelehnt, und es bleibt abzuwarten, wie sich der Konflikt weiterentwickelt. Die Anwälte rufen zur globalen Unterstützung ihres Anliegens auf. Am 24.9.2018 machte der US-amerikanische Menschenrechtsanwalt Steven Donziger eine Eingabe bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, in der er sich über Attacken des Konzerns und des schädigenden Vorgehens eines US-amerikanischen Richters beschwert.
Quellen:
@ Pablo Fajardo Mendoza, UDAPT- FROMBOLIERE- ECUADOR, 10.9.2018; Monica Vargas C. (TNI), 11 Sep 2018.
https://www.business-humanrights.org/en/texacochevron-lawsuits-re-ecuador#c177276, (Zugriff 29.9.18)
[1]Der Ständige Schiedshof (Permanent Court of Arbitration, PCA) mit Sitz in Den Haag wurde bereits anlässlich der Haager Friedenskonferenzen in den Jahren 1899 und 1907 gegründet. Die Zielsetzung dieser ständigen Einrichtung ist die friedliche Beilegung von Konflikten zwischen internationalen Parteien. Er bietet den Parteien sämtliche Strukturen, die erforderlich sind, um Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht zu verhandeln und zu verbindlichen Schiedssprüchen zu gelangen. Er ist kein internationales Gericht im engeren Sinne und ist keine unmittelbar handlungsfähige schiedsgerichtliche Spruchinstanz, sondern lediglich eine Einrichtung, welche die Anrufung der Schiedsprechung in internationalen Streitfällen erleichtert. Die Streitparteien können (zu einem Drittel) die Auswahl der Richter bestimmen.
[2]UNCITRAL ist die offizielle Bezeichnung der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law), deren Aufgabe darin besteht, eine Vereinheitlichung des internationalen Handelsrechts aktiv zu fördern. Beschlossen wurde die Schaffung der UNCITRAL durch die UN-Generalversammlung am 17. Dezember 1966. Die Generalversammlung erkannte damit an, dass der internationale Handel durch die Unterschiede der verschiedenen nationalen Gesetze gestört und behindert wird. Aus diesem Grund erhielt die Kommission vorrangig die Aufgabe, aktiv für eine Harmonisierung und Vereinheitlichung des internationalen Handelsrechts einzutreten, Hemmnisse zu erkennen und zu beseitigen und konkrete Lösungen zu erarbeiten, die unabhängig von unterschiedlichen Rechtssystemen und von ökonomischen oder sozialen Entwicklungsstand der jeweiligen Länder funktionieren. Auf Grundlage der Bestimmungen von UNCITRAL wird die Auswahl der Richter des PCA behandelt.
[3]Der Ständige Schiedshof (Permanent Court of Arbitration, PCA) mit Sitz in Den Haag wurde bereits anlässlich der Haager Friedenskonferenzen in den Jahren 1899 und 1907 gegründet. Die Zielsetzung dieser ständigen Einrichtung ist die friedliche Beilegung von Konflikten zwischen internationalen Parteien. Er bietet den Parteien sämtliche Strukturen, die erforderlich sind, um Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht zu verhandeln und zu verbindlichen Schiedssprüchen zu gelangen. Er ist kein internationales Gericht im engeren Sinne und ist keine unmittelbar handlungsfähige schiedsgerichtliche Spruchinstanz, sondern lediglich eine Einrichtung, welche die Anrufung der Schiedsprechung in internationalen Streitfällen erleichtert. Die Streitparteien können (zu einem Drittel) die Auswahl der Richter bestimmen.
[4]Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) ist ein ständiges internationales Strafgericht mit Sitz in Den Haag außerhalb der Vereinten Nationen. Seine juristische Grundlage ist das multilaterale Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998. Er nahm seine Tätigkeit am 1. Juli 2002 auf und ist für 123 Staaten zuständig. Seine Zuständigkeit umfasst Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, soweit sie nach seiner Gründung begangen wurden. Im Dezember 2017 einigten sich die Vertragsstaaten, auch das Verbrechen der Aggression in seine Zuständigkeit aufzunehmen, mit Wirkung ab Juli 2018.