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Was sind Impfpatente und wieso müssen sie ausgesetzt werden?

Vor der Biontech-Zentrale steht ein Mensch im Anzug mit Maske und dem Biontech-Logo am Revers und einer überdimensionierten Patenturkunde in der Hand.
Foto: Philip Eichler

Die deutsche Bundesregierung blockiert den TRIPS-Waiver, das heißt das zeitweise Aussetzen der Patente auf Covid-19-Impfstoffe und damit die Versorgung des ärmeren und größten Teils der Weltbevölkerung mit Impfstoffen, Diagnostika, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung. Zusammen mit weiteren einkommensstarken Ländern nutzt sie ihre Macht in der WTO, um das Recht auf Gesundheit den Interessen der Pharmaindustrie unterzuordnen.

Das steht im Widerspruch zum dringend nötigen Bevölkerungsschutz vor neuen Mutationen. So warnteBundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch vor einer möglichen „Killervariante“. Auch wenn man nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen muss, entwickeln sich weiterhin neue Varianten, bei denen die vorhandenen Impfstoffe vielleicht nicht mehr schützen.

In den reichen Ländern haben wir schon seit weit über einem Jahr die Möglichkeit, uns durch Impfungen zu schützen. In Deutschland sind inzwischen über 76 Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens zweifach geimpft. Das Rober-Koch-Institut (RKI) geht von einer tatsächlich um fünf Prozent höheren Quote aus (Stand Mitte April 2022). Wir sind sogar überversorgt, drei Millionen Dosen Impfstoff droht bis Ende Juni die Vernichtung, hieß es im April aus dem Gesundheitsministerium.

Aber in den ungeschützten, weil ungeimpften Bevölkerungen des globalen Süden findet das Virus beste Bedingungen, Menschen zu infizieren und dabei zu mutieren.

In Afrika sind nicht einmal zwölf Prozent zweifach geimpft (Stand Mitte März 2022). Über 80 Prozent haben noch gar keine Impfung erhalten. Diese Impfungerechtigkeit können wir nicht länger hinnehmen! Dort haben Menschen kaum Zugang zu Impfstoffen und sind einem schweren Krankheitsverlauf oder dem Tod ausgesetzt, während wir allmählich zu einem normalen Leben zurückkehren. Die Probleme in Afrika sind fehlende Behandlungskapazitäten (Personal, Betten, Material) und zu hohe Preise, die von den Ländern an Konzerne zu zahlen sind.

Auch die Covax-Initiative kann ihr Versprechen, 70 Prozent der Weltbevölkerung bis Mitte 2022 zu impfen, nicht einlösen. Und selbst wenn, wären Länder des globalen Südens wieder einmal auf Almosen angewiesen.

Bisher behindern in erster Linie geistige Eigentumsrechte die Weitergabe des Wissens, das für eine ausreichende Bereitstellung der Covid-Impfstoffe und Technologien erforderlich wäre. Diese Rechte sind durch das TRIPS-Abkommen für die Pharmakonzerne als Patente-Inhaber geschützt. Die Welthandelsorganisation WTO könnte und muss durch den sogenannten Waiver in gesundheitlichen Notstandssituationen wie dieser diese Eigentumsrechte vorübergehend aussetzen. Genau das wird von einer Mehrheit der Staaten seit eineinhalb Jahren gefordert. Insbesondere Deutschland und die EU blockieren den Prozess aber bisher.

Es wird behauptet, ohne Patente gäbe es keine Forschung. Ein Mythos: In den europäischen Ländern wurden Patente auf Arzneimittel zwischen den späten 60er und frühen 90er Jahren überhaupt erst eingeführt. Außerdem wurden die Impfstoffe mit sehr viel öffentlichem Geld entwickelt. Deswegen versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Diese Impfung wird unser globales Gemeingut sein." Das ist längst vergessen. Die Pharmaindustrie macht riesige Profite.

Inzwischen liegt ein Kompromiss-Vorschlag für einen TRIPS-Waiver vor, der aber nur als weiterer Versuch der Blockade betrachtet werden kann. Er reicht bei Weitem nicht aus, die Misere zu beheben. Denn er bezieht sich nur auf die Impfstoffe, nicht aber auf andere lebenswichtige Technologien zur Bekämpfung von Covid-19, und er erschwert den Export.

Aber nur mit freien Impfstoffen können sich auch die Menschen des globalen Südens endlich vor einer bedrohlichen Infektion schützen. Diese Entscheidung liegt zugleich im Eigeninteresse der Menschen des reichen Nationen. Erst wenn das Virus keine Weltgegenden mehr findet, in denen es leichtes Spiel hat, wird sich auch die Gefahr weiterer gefährlicher Mutanten deutlich verringern.

Make them sign

Logo des Bündnisses "Make them Sign": Ein roter Kugelschreiber auf dunkelblauem Grund mit EU-Sternen um den Kugelschreiber

Attac ist Teil des Bündnisses Make them sign, das für die Freigabe der Impfpatente eintrittl