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Regulatorische Kooperation bei TTIP

Konzerne sollen bei Gesetzesänderungen mitreden dürfen

Ein äußerst gefährlicher EU-Vorschlag zum umstrittenen  Handelsabkommen TTIP mit den USA ist von den Medien bislang wenig beleuchtet worden und deshalb in der Öffentlichkeit kaum bekannt: das Kapitel zur „regulatorischen Kooperation“. EU-Kommission und Bundesregierung erklären, es gehe dabei lediglich um einen fachlichen Austausch mit dem Ziel, die Regeln der beiden Wirtschaftsräume besser aufeinander abzustimmen. Die bekannt gewordenen Verhandlungsdokumente verdeutlichen jedoch: De facto zielt die regulatorische Kooperation auf eine weitreichende politische Selbstentmachtung der Parlamente zugunsten von Konzernen und Banken. Deren Einfluss, beispielsweise in Bereichen wie Verbraucherschutz, Umweltschutz, Arbeitsstandards oder Finanzmarktregulierung, würde stark erweitert werden. Gesetzesvorhaben würden einem demokratisch nicht legitimierten transatlantischen „Regulierungsrat“ vorgelegt, bevor sie überhaupt in die nationalen Parlamente gelangen.

Der Vorschlag der Kommission

In einem zehnseitigen Textentwurf der  Kommission wird deutlich, was unter der „regulatorischen Kooperation“ zu verstehen ist. Eingerichtet werden sollen ein Frühwarnsystem, Folgeabschätzungsberichte, Stakeholder-Konsultationen und ein gemeinsamer Regulierungsrat der USA und der EU. Die Interessen von Konzernen und Banken sollen systematisch über jene der Bevölkerung gestellt werden. Im Einzelnen:

Das Frühwarnsystem

So genannte Stakeholder („Interessengruppen“) aus der EU und den USA sollen frühzeitig informiert werden, wenn irgendwo neue Regeln für die Wirtschaft in Planung sind. Sie sollen dadurch frühzeitig die Möglichkeit erhalten, Rückmeldungen einzubringen – noch bevor sich die Parlamente mit dem jeweiligen Gesetzesvorhaben befassen. Diese Rückmeldungen sollen dann im politischen Prozess berücksichtigt werden. Der Begriff Stakeholder klingt erst einmal neutral. Wer jedoch die Arbeitsweise der EU-
Kommission kennt, weiß, dass sich dahinter vor allem Lobbyisten der großen Finanz- und Wirtschaftsverbände verbergen. Diese Interessengruppen sind extrem gut organisiert und finanziert und verstehen sich bestens darauf, derartige Verfahren zu dominieren
und zur Durchsetzung ihrer Interessen gegen jene der Allgemeinheit zu nutzen.

Die Folgeabschätzungsberichte

Nach dem Willen der EU-Kommission sollen neue Regeln nur dann legitim sein, wenn ihre Notwendigkeit bewiesen ist und eine Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass sie „nützlich“ sind. Dabei geht es jedoch nicht um die Nützlichkeit für die Allgemeinheit. Dem vorgelegten Vorschlag zufolge spielen Verbraucherschutz, Umweltschutz oder die Qualität der Arbeit keine Rolle. Dadurch würden Handelsinteressen systematisch Vorfahrt erhalten. Zudem würde das bewährte Vorsorgeprinzip ausgehebelt werden, nach dem Produkte und Technologien nur dann zugelassen werden, wenn erwiesen ist, dass sie für Mensch und Umwelt unschädlich sind. Künftig dagegen sollen Verbote, z.B. von genveränderten  Lebensmitteln oder Fracking, erst zulässig sein, wenn deren Schädlichkeit einwandfrei bewiesen ist. Dann aber dürfte es in vielen Fällen längst zu spät sein.

Stakeholder-Konsultationen

Über das bereits erwähnte Frühwarnsystem hinaus sollen Interessengruppen aus Wirtschaft und Finanzwelt die Politik künftig zu „Konsultationen“ zwingen können, wenn ihnen ein Gesetzesvorhaben nicht passt. Das wäre von enormer Tragweite, denn im Grunde beeinträchtigt jedes Gesetz – ob beim Umwelt-, Daten- oder Arbeitnehmerschutz – die Interessen irgendwelcher Konzerne oder Banken. Politik würde sich durch diese „Konsultationen“ noch weiter von den Bürgern entfernen und zu einem Instrument, mit dem sich Konzerne gegen Maßnahmen, die im Interesse des Allgemeinwohls liegen, schützen könnten.

Der Regulierungsrat

Mit dem Regulierungsrat soll ein neues Gremium für regulatorische Zusammenarbeit (regulatory cooperation body, RCB) mit EU und US-Vertretern geschaffen werden. Dieser Regulierungsrat soll sich darum kümmern, bestehende Regeln nach und nach abzubauen und neue erst gar nicht entstehen zu lassen. Wie das Gremium zusammengesetzt wird, ist noch unklar. Offensichtlich ist jedoch keine parlamentarische Beteiligung geplant. Zu erwarten ist, dass die EU-Kommission versuchen wird, sich selbst eine prominente Rolle zuzuweisen. Ein ausdrücklich genanntes Verfahren, mit dem der Regulierungsrat Regelunterschiede abbauen könnte, ist die „gegenseitige Anerkennung“. Es würden dann einfach beide Regelwerke gelten, sowohl in der EU, wie auch in den USA. Konzerne und Banken wären in der komfortablen Lage, sich das für sie günstigere auszusuchen. Das hieße: Angleichung nach unten.

Fazit

Mit der regulatorischen Kooperation droht auf verschiedene Art eine Machtumverteilung weg von den Parlamenten hin zu den Konzernen. Für den bisher eher informellen Einfluss von Lobbygruppen auf die europäische Wirtschaftspolitik würden offizielle Verfahren geschaffen werden. Zudem sollen Handelsinteressen systematisch Vorrang vor dem Allgemeinwohl erhalten. Selbst wirtschaftsnahe Medien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (*) räumen ein, dass die USA damit Einfluss auf die europäische Gesetzgebung bekämen.

Wir sagen deshalb: Nein zur regulatorischen Kooperation! Nein zu TTIP!

(*) www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/ttip-amerika-soll-bei-unseren-gesetzen-mitreden-13391816.html