Handelsbeziehungen zwischen EU und Afrika brauchen einen Neustart
Wer über die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika spricht, kann über die Handelspolitik der Europäischen Union nicht schweigen. Die negativen Folgen der sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, kurz EPAs), welche die EU mit regionalen Zusammenschlüssen in Afrika abschließt, müssen dringend diskutiert werden.
Für die G20 ist Handel mit Afrika kein Thema
Doch auf der Tagesordnung der offiziellen Afrikakonferenz der G20 am 12. und 13. Juni in Berlin fehlt das Thema Handelspolitik ebenso wie bei der "Compact with Africa"-Inititiative und dem Afrika-Marshallplan, mit denen die Bundesregierung die Aufmerksamkeit auf die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents lenken möchte.
Es braucht einen Neustart für die Handelsbeziehungen mit Afrika
"Die Chance ergreifen: EU-Afrika-Handelsbeziehungen neu gestalten", hat Attac daher gemeinsam mit Brot für die Welt, Germanwatch, Kasa und Misereor bei einer gleichnamigen Fachkonferenz am Mittwoch in Berlin gefordert. Im Mittelpunkt der Debatte standen die EPAs. Ziel der Konferenz war es, gemeinsam mit afrikanischen Expertinnen und Experten Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, wie eine nachhaltige, ökologische und gerechte Handelspolitik aussehen kann, die sowohl den afrikanischen Ländern als auch der Europäischen Union zugutekommt.
"Mit den EPAs dringt die EU auf eine radikale Öffnung der afrikanischen Märkte und den Wegfall von Importzöllen", sagt Attac-Handelsexperte Roland Süß. "Doch viele afrikanische Staaten finanzieren durch Zölle einen Großteil ihrer Haushalte. Bei Wegfall dieser Zolleinnahmen besteht die Gefahr, dass nicht mehr genügend Geld für Bildung, Gesundheitsversorgung und andere öffentliche Infrastruktur zur Verfügung steht."
EPAs zementieren die Kontrolle afrikanischer Märkte und Ressourcen durch europäische Konzerne
Kenneth Ukaoha von der nigerianischen Handelsorganisation NANTs sagt: "Von den drei in der Präambel formulierten Ziele der EPAs nämlich: Regionalintegration, Wirtschaftswachstum und Armutsbekämpfung sucht man vergeblich nach deren Spuren in der konkreten Gestaltung der Texte der EPAs. Was in diesen Texten zementiert wird, ist die Kontrolle afrikanischer Märkte und Ressourcen durch europäische Konzerne. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen, die wir uns in Nigeria selbst gesetzt haben. Wir wollen unser Land transformieren und dessen Ökonomie diversifizieren und selbst kontrollieren. Aus diesem Grund lehnen wir die EPAs ab."
Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (Kasa) stellt fest: "Der Marshall-Plan mit Afrika fordert eine Entwicklung vom Freihandel zum fairen Handel mit Afrika. Damit diese Forderung keine reine Ankündigung bleibt und politikwirksam wird, bedarf es eines Aussetzens aller bislang geschlossenen EPAs und eines Stopps des Drucks der EU-Kommission auf die Länder, die Widerstand gegen den Abschluss der EPAs leisten".
Dr. Cheikh Tidiane Dieye von ENDA/CACID Senegal sagt: "Unser Widerstand zu den EPAs war nie ideologischer Natur. Wir sind nicht gegen Handel per se noch sind wir gegen gute Beziehungen zwischen der EU und den afrikanischen EPA-Regionen. Eine minutiöse Analyse der Auswirkungen der Marktöffnung, der Meistbegünstigungsklausel und weiterer Klauseln und vor allem eine gebührende Berücksichtigung neuer Dynamiken in der Welt – Brexit, Aufbau eines kontinentalen Freihandelszone (CFTA) und Aufstieg neuer Mächte wie China – zwingt zum Entschluss, gegen die EPAs nach wie vor Widerstand zu leisten."