Too big to fail
Staatliche Hilfen - Kriterium I
Ein geflügelter Ausdruck dieser aktuellsten Finanzkrise lautet "too big to fail". Damit soll ausgedrückt werden, dass eine Bank zu groß/wichtig für eine Volkswirtschaft ist, als dass diese Bank insolvent gehen könnte. Ihr Scheitern wäre der erste Dominostein, der eine komplette Volkswirtschaft zum Einsturz bringen könnte.
Was es mit dieser vielzitierten "Systemrelevanz" auf sich hat und welche Rolle dabei und in der aktuellen Krise generell die Deutsche Bank, Commerzbank, Postbank, Unicredit (Hypovereinsbank), ING DiBa, Volks- und Raiffeisenbanken, Sparkassen, EthikBank, GLS Bank, Triodos Bank und UmweltBank spielen, erfahren Sie auf dieser Seite.
Auf unsere Kosten gerettet
Als sich die Finanzkrise 2008 nach der Insolvenz der Lehman-Bank verschärfte, retteten die Regierungen der europäischen Länder und der USA die wankenden Banken innerhalb kürzester Zeit
mit hohen Milliardensummen. Argumentiert wurde unisono: Der Zusammenbruch einer systemrelevanten Bank ziehe viele andere mit ins Verderben und würde damit letztendlich auch die Rücklagen oder Versicherungen der „kleinen Leute“ vernichten.
Aber wie das Beispiel der HRE zeigte, stimmt diese Behauptung so nicht. Gerettet wurden vor allem die Investmentfonds, Versicherungskonzerne und andere Banken, die den Zockerbanken unbesichert Kredit gegeben hatten.
Als systemrelevant gilt eine Bank, die sehr große Summen bewegt und/oder so intensiv mit anderen Banken, mit Versicherungen und Staaten vernetzt ist, dass ihr Bankrott mehr Schaden anrichten als ihre Rettung kosten würde. Die teure Bankenrettung hat nicht nur in Deutschland zu einer Rekordverschuldung im Bundeshaushalt geführt. Zur Rettung des Haushaltes wird heute schmerzhaft gekürzt – gerade im sozialen Bereich, zu Lasten der Menschen, die sowieso wenig zur Verfügung haben und von der Rettung kaum profitieren.
Die Rettungsaktionen haben gezeigt: Für die Rettung der Banken wird vom einen auf den anderen Tag unglaublich viel Geld zur Verfügung gestellt, ein Vielfaches der Summe beispielsweise, als für das Erreichen der sogenannten Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDG) nötig gewesen wäre, die aber trotz zäher Verhandlungen nie zusammen kam.
Die Banken haben über Jahre extrem hohe Gewinne gemacht, ihre Aktionäre mit großen Summen und ihre Manager mit riesigen Boni und Gehältern beglückt. Die großen systemrelevanten Banken sind Agenturen der Umverteilung hin zu den Reichsten. Eine weitere Facette des Problems: Die Großbanken sind heute noch größer als sie es vor drei Jahren waren. Und das, obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 in die Kameras sprach: „Keine Bank darf so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen darf.“
Und für alle ist sichtbar: Rücksichtslose Bankenpolitik wird im Zweifelsfall von der gesamten Gesellschaft ausgeglichen, die Banker fallen weich. Attac fordert seit Jahren, die großen Banken zu verkleinern.
Unter der Lupe
Deutsche Bank
Die Deutsche Bank rühmt sich, dass sie auf staatliche Hilfe aus dem Bankenrettungsfond nicht angewiesen war. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn einige Rettungsaktionen betrafen sie sehr wohl.
Allein durch die Rettung des US-Versicherers AIG erhielt die Deutsche Bank 11,8 Milliarden Dollar an US-amerikanischem Steuergeld. Als Gläubigerin der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB (gerettet mit 8 Milliarden Euro), der HRE (staatliche Garantiesumme im September 2010 auf 142 Milliarden Euro aufgestockt) und weiterer Pleitebanken blieben ihr ungesicherte Einlagen in Milliardenhöhe erhalten. Das ist besonders pikant, weil es faule Papiere der Deutschen Bank waren, die die IKB zusätzlich in Schieflage brachten. An der HRE-Rettung verdient die Deutsche Bank Millionen – staatlich abgesicherte Zinsen für ihren „Rettungsbeitrag“.
Zusammengerechnet erhielt die Deutsche Bank mindestens 14 Milliarden Euro indirekt an staatlicher Unterstützung – bezahlt von der der Allgemeinheit. Hätte sie diese Summe 2008 abschreiben müssen, wäre die Hälfte ihres Eigenkapitals aufgezehrt worden – die Deutsche Bank hätte Insolvenz anmelden müssen.
Commerzbank
Die Commerzbank geriet im Rahmen der Bankenkrise heftig in Schieflage und bekam schließlich über den SoFFin (Bankenrettungsfonds) eine Rekapitalisierung von 18,2 Milliarden Euro sowie zusätzliche Garantien von 5 Milliarden Euro.
Seitdem gehört die Commerzbank zu 25 Prozent dem Bund. Versäumt hat es der Bund allerdings, bei Vertragsabschluss Regeln festzulegen, nach denen die Bank künftig arbeiten soll. Es ist ein Skandal, dass diese teilstaatliche Bank weiterhin viele Geschäfte über Steueroasen betreibt.
Die Milliardenrettung der Commerzbank ermöglichte es dem Institut, die geplante Übernahme der Dresdner Bank durchzuziehen. Diese Großbank war allerdings selbst ein Wackelkandidat und ihr Verkauf entlastete die Haupteigentümerin Allianz deutlich – ohne dass während der Transaktion ernsthaft darüber diskutiert wurde, den Allianzkonzern an den Kosten zu beteiligen.
Postbank
In der Krise selbst nicht gerettet worden, gehörte die Postbank beim europäischen Stresstest 2010 (neben der Nord LB) zu den zwei Instituten, die nur knapp die Hürde nahmen – und das, obwohl es viel berechtigte Kritik an den Kriterien des Stresstestes gab, der wesentliche Risiken nicht zu bewerten vermochte.
Getestet wurden die Auswirkungen eines Konjunktureinbruchs und eines Kursverfalls bei Staatsanleihen auf die Bankbilanzen.
Unicredit (Hypovereinsbank)
Die große Krise der Hypovereinsbank fand schon 2003 statt. Damals offenbarte sich eine immense Belastung durch faule Papiere, so dass sogar Kanzler Gerhard Schröder zu einem Krisengespräch gebeten wurde. Die HVB gliederte daraufhin die besonders belastete Immobilienfinanzierung aus – in die neu gegründete Tochter Hypo Real Estate, HRE.
Die HVB wurde 2005 von der italienischen Unicredit übernommen. Die HRE hingegen rauschte nach ein paar Jahren schnellen Wachstums voll in die Krise. Ihr wurden letztlich 102 Milliarden Euro an Garantien und Kapitalaufstockung zur Verfügung gestellt, die Bank wurde verstaatlicht, ihre „Bad
Bank“ wird noch über Jahrzehnte eine immense Belastung darstellen.
Die Hypovereinsbank selbst kam leidlich durch die Krise. Sie heißt seit dem Sommer 2009 nur noch „Unicredit“. Im Frühjahr desselben Jahres beantragte der krisengeschüttelte Mutterkonzern vier Milliarden Euro Staatshilfe in Italien und Österreich, musste sie aber letztlich nicht in Anspruch nehmen.
ING DiBa
Die Bank ist ein Tochterunternehmen der ING Groep, die ihren Sitz in Amsterdam hat. Für ihre Krise kamen die dortigen Steuerzahler auf: Die Muttergesellschaft ING hatte 2008 eine Kapitalspritze von 10 Milliarden Euro vom niederländischen Staat erhalten.
Später übernahmen die Niederlande eine Abschirmung für Risikopapiere von ING im Nennwert von 27,7 Milliarden Euro. Die EU-Kommission genehmigte diese Unterstützung zwar vorläufig – ING musste 2009 jedoch einen Restrukturierungsplan vorlegen. Bis 2013 soll der Allfinanzkonzern seine Geschäfte in einen Banken- und Versicherungssektor aufteilen (Zerschlagung).
Die ING-Diba, eine hunderprozentige Tochter der ING, hat in der Krise Kunden hinzugewonnen und keine besonderen Schwierigkeiten gehabt.
Volks- und Raiffeisenbanken
Die Genossenschaftsbanken kamen ohne größere Probleme durch die Finanzkrise. Ein wichtiger Grund dafür ist das Geschäftsmodell, eher kleinere Firmen zu versorgen und viele Kundeneinlagen zur Verfügung zu haben.
Genossenschaftsbanken halten besonders viel Eigenkapital vor: zwischen 7 und 10 Prozent.
Sparkassen
Die lokalen Sparkassen erwiesen sich in der Krise auch als sehr stabil. Wie die Genossenschaftsbanken verzeichneten sie in der Krise deutliche Zuwächse an Einlagen.
Massiv verspekuliert hatten sich allerdings einige Landesbanken, deren Schulden die Steuerzahler, aber auch die Sparkassen belasteten.
Als nicht ganz fair bewerten Experten die Vorgabe des Restrukturierungsfonds der Bundesregierung:
Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, die nicht nur stabil wirtschafteten, sondern auch einen eigenen Sicherungsfonds haben, sollen jetzt zusätzlich in diesen neuen Fonds einzahlen, der aufgrund der Zockerei anderer Banken notwendig wurde.
EthikBank
Die Ethikbank ist eine Zweigniederlassung der thüringischen Volksbank Eisenberg e.G. (und sehr klein). In der Krise hatte sie keine Probleme, sondern Zuwachs. Die ethischen Fonds, in die die Ethikbank investiert, erwiesen sich als deutlich krisenfester als viele andere.
GLS Bank
Die GLS-Bank erlebte in der Krise einen großen Zuwachs neuer KundInnen, die auch aus Stabilitätsgründen neues Interesse an nachhaltigem Investment zeigten. GLS-Bank und Triodos Bank sind Mitglied in der „Global Alliance for Banking on Values“.
Triodos Bank
Die Triodos Bank gibt es seit 1980. In der Finanzkrise geriet sie nicht in Schwierigkeiten, weil sich ihr nachhaltiges Geschäftmodell als relativ krisenfest erwies. Den größten Teil der Kundengelder gibt die Bank für Kredite an Unternehmen und Projekte, die anhand einer strengen Kriterienliste überprüft werden.
In der Krise gewann die Bank viele neue KundInnen, allein 50.000 im Jahr 2009. Die Bank hat Niederlassungen in Belgien, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Spanien. Die Eigenkapitalquote (BIZ Quote) der Triodos Bank lag bei 14,9 Prozent zum 30. Juni 2010.
UmweltBank
Die Umweltbank ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien nahezu ausschließlich im Streubesitz sind. Die Bank gewann in der Finanzkrise Kunden hinzu (15% von 2008 auf 2009) und hatte keine Verluste zu beklagen. Die Frankfurter Rundschau schrieb: „An der Umweltbank ging die Krise komplett vorbei“.
Quellen
Attac, Argumentationsskizze Deutsche Bank
Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, Stabilisierungsmaßnahmen
http://www.fmsa.de/de/fmsa/leistungen/massnahmen-aktuell/Bundesbank, Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie - AufsichtsRL) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2008 (Artikel 6 Satz 3)
die-bank.de, Veröffentlichung der Top100 der deutschen Banken, 2005
Financial Times, Now more than ever, 2009
Focus Money Online, Schäuble sieht von Milliarden-Rückzahlung nichts, 06.04.2011
Global Alliance for Banking on Values
Glocalist Daily News, Gute Halbjahresbilanz von Triodos, 30.08.2010
Handelsblatt, Bundesbank will Commerzbank verschonen, 25.10.2010
Handelsblatt, Kleine Banken hängen die Branchenriesen ab, 05.01.2011
Manager Magazin, EU-Auflage sorgt für rote Zahlen, 17.02.2010
Sanio, Jochen, Präsident BaFin zur Regulierung, 31.08.2010
Spiegel Online, Die Krötenwanderung, 24.05.2010
Spiegel Online, Japaner halten Deutsche Bank für wichtigstes Institut der Welt, 29.12.2010
Süddeutsche Zeitung, Bilanz des Schreckens, 24.04.2009
Tagesschau-Interview, Zaghafter Schritt in die richtige Richtung, 12.11.2010
Wirtschaftswoche, NordLB und Postbank bestehen Stresstest knapp, 23.07.2010