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Schwerpunkt: Flucht und Migration

Veranstaltung Flucht und Migration

Donnerstag, den 28.07.2022 18 bis 21 Uhr

Der Einstieg in die Veranstaltung erfolgte über vier Fragen, bei denen die Teilnehmenden Schätzungen abgeben sollten:

  •     Anzahl Asylanträge 2019 in Deutschland (103.000)
  •     Menschen weltweit auf der Flucht aktuell (100 Millionen)
  •     Prozente der Menschen, die in Nachbarländer geflüchtete sind (72 Prozent)
  •     Häufigster Fluchtgrund (Angst vor Konflikten und Krieg)

Input zu Flucht und Migration bei Attac

Anschließend wurden die bisherigen Positionen von Attac zum Thema Flucht und Migration vorgestellt.

Link zu den Folien (PDF)

In den frühen Grundsatzpapieren ist das Thema Migration nicht so direkt drin, schon aber ein Bezug zur Bewegungsfreiheit. Es geht viel um "Fluchtursachen" (Begriff problematisch, siehe unten) wie neoliberale Handelspolitik, diese Verbindung wird aber nicht direkt gezogen.

Im Sommer 2015 gab es einen intensiven Austausch in Attac zum Thema. Auf dem Herbstratschlag wurde zu "Flüchtende aufnehmen – Fluchtursachen bekämpfen" diskutiert. Attac hat 2026 die Konferenz "Welcome to stay" in Leipzig mitorganisiert und es gab eine AG zu diesem Thema, allerdings auch Kritik in Attac an diesen Aktivitäten. Der Flyer zum Thema von 2015 stellt den Zusammenhang zwischen Wirtschaftspolitik und Flucht deutlich her und auch den Bezug zu Rassismus.

Es gab aber keine grundsätzlichen Beschlüsse dazu, die AG existiert nicht mehr. Die AG Welthandels hat beim Thema EPAs ebenfalls dazu gearbeitet.

Seitdem ist das Thema immer wieder präsent, etwa "Recht zu gehen oder zu bleiben" auf der Webseite, aber wird in Attac nicht systematisch verfolgt.

In den Stichworten aus dem Worldcafé beim Herbstratschlag 2021 wird der Dreiklang Recht auf Flucht - Gerechte Weltwirtschaft - Klimawandel deutlich.

Link zur Dokumentation Herbstratschlag

https://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Worldcafe_Migration_1.jpg
https://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Worldcafe_Migration_2.jpg
https://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Worldcafe_Migration_3.jpg

Es folgt ein Input zum Thema Fluchtursachen, der sich im Wesentlichen auf die Stuide von Sonja Buckel/Judith Kopp: Fluchtursachen (https://www.bertz-fischer.de/fluchtursachen) stützt.

Link zu den Folien (PDF)

Die Autorinnen problematisieren den Begriff und wollen ihn wenden: Die Fluchtursachen liegen nicht irgendwo in den Herkunftsländern (internalistische Perspektive) wie die EU das sagt, sondern im Nord-Süd-Verhältnis beginnend mit Kolonialismus und Imperialismus. Das Problem ist der postkoloniale globale Kapitalismus (Herrschaftsverhältnisse, Handelspolitik, imperiale Lebensweise, ...) Fluchtursache ist oft Problemgeflecht aus Armut, Klimafolgen, Krieg. Die Unterscheidung Flucht und Migration ist daher nicht immer sinnvoll, kann aber für die Anerkennung von Geflüchteten wichtig sein. Die EU betreibe einerseits Fluchtabwehr und verbindet anderseits Entwicklungszusammenarbeit mit Kapitalinteressen und Fluchtabwehr, was dann unter "Fluchtursachenbekämpfung" läuft. Sie Autorinnen wollen die Gesellschaften des Nordens so verändern, dass sie nachhaltig und nicht auf Kosten des Südens leben. Frage: Wie können Menschenrechte global verwirklicht werden können ohne Rücksicht auf Nationalität.

Input Karl Kopp von Pro Asyl

Im Anschluss machte Karl Kopp von Pro Asyl einen Input zur aktuellen Situation.

 In der Gründungsphase von Attac gab es eine enge Verbundenheit von Pro Asyl und Attac. Pro Asyl sieht seine Hauptaufgabe im Kampf um den Schutz von Menschenrecht in Europa (von Türkei über Bulgarien Spanien Griechenland...bis Melilla). Die gewaltsamen marokkanische Gendarmen sind Bilder die schnell wieder verschwinden und es überwiegt ein Moment der Gleichgültigkeit im öffentlichen Bewusstsein gegenüber der Situation an den EU-Außengrenzen. Dort werden von Grenzschützer*innen Straftaten begangen, die straffrei bleiben.

Es gibt aber auch kleine Erfolge: 2014 ist ein Boot vor der griechischen Küste untergegangen. 11 Kinder sind bei dieser Push-back Aktion untergegangen. Der Fall wurde zunächst zu den Akten gelegt. Die Überlebende haben ein Gericht gesucht, das ihnen in irgendeiner Form Recht gibt. Im Juli 2022 hat der europäische Gerichtshof den Klägern recht gegeben;

Trotzdem gehen die Praktiken weiter, es ist immer das gleiche Lied und Täter bleiben unbehelligt und fühlen sich in ihrem Handeln ermutigt. Das Recht auf Zugang etc. und damit Kernbereiche der Menschenrechte werden geschleift. Die in der Unterstützung von Geflüchteten aktive Zivilgesellschaft wird behindert und kriminalisiert und führt einen Abwehrkampf.

Frontex und Polizei werden ausgebaut und eine Politik der Angst betrieben.

Beim Umgang mit Geflüchteten gibt es einen Unterschied im Design, bei gleichzeitiger Diskriminierung von Menschen aus Drittstaaten). Die EU hat auf Zwangsverteilung verzichtet (free choice) und Schutzinteressen und Community-Bindung wird berücksichtigt. Aber es gibt eine Zweiteilung: Flüchtlinge aus anderen Staaten werden nicht so behandelt ("blutige Kooperation mit Libyen")

Die europäische Flüchtlingspolitik hat eine "rassistische Grundierung".

Attac hat einen starken Fokus auf Ausbeutungsverhältnisse (Fluchtursachen). Es gibt fließende Übergänge von Ausbeutungsverhältnissen und Flucht und Zwangsbewegungen.

Für Flucht gibt es ein Bündel von Ursachen: autoritäre Staaten werden vom Westen ausgerüstet, die europäische Agrarpolitik (Subventionierung) etc.

Nur ein geringer Teil Flüchtender aus Afrika schafft es bis ans "Wasser".

Insgesamt ist im Flüchtlingsschutzbereich, Menschenrechtsbereich ein großer Schritt nach vorne notwendig.

Fragen in der anschließenden Diskussion:

Rechtliche Situation: Flüchtlingskonvention hat sich gebessert/weiter entwickelt; Umsetzung in BRD fehlt;

Instrumente müssen weiterentwickelt werden; Subsistenzschutz...; Tatbestände entwickeln und in Instrumente einbeziehen; für Opfer der vom Norden verursachten Klimakatastrophe (Kompensation); weiterentwickeln, nicht aufschnüren;

Post-Brexit-England will Konventionen aufheben;

Was kann Attac tun: Die Kernkompetenz von Attac ist soziale Gerechtigkeit. Attac kann aufzeigen, welche Rolle europäische Politiken spielen und Expertise in das Thema Externalisierung stecken sowie Schnittstellen mit AGs vor Ort suchen. Eine Auffrischung der Kooperation von Attac und Pro Asyl ist wünschenswert. Denkbar wären: "Follow the money", Migrationskontrolle...; wer macht was, um welche Schäbigkeit zu produzieren; abstrakte Politik konkret machen; wer entwickelt menschenfeindliche Politik?

Diskussion: Was heißt das für Attac?

Im Anschluss an die Inputs wurde im Plenum die Fragen diskutiert, was der globalisierungskritische Blick von Attac auf das Thema ist und ob Flucht und Migration für Attac zunehmend relevant werden.

 Stichworte dazu aus der Diskussion:

  •     Postkoloniale Politik, die sich bis heute auf Migration auswirkt
  •     Klimaflüchtlinge werden relevanter
  •     Stärkere Positionierung von Attac ist notwendig, da das Thema immer relevanter wird
  •     Bündnisarbeit bspw. mit ProAsyl sollte wieder verstärkt werden
  •     Begriffliche Debatte um Migration und Flucht -> für uns relevant? Stattdessen Forderung nach einem Recht auf Bewegungsfreiheit
  •     Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge verursachen Fluchtbewegungen -> auch der globale Norden trägt Verantwortung
  •     Flucht und Migration wird von Pro Asyl als Menschenrechtsfrage behandelt
  •     Ukrainekrieg zeigt, dass Aufnahme von Geflüchteten nicht sehr problematisch ist, aber auch wie stark Rassismus verankert ist
  •     EPAs schaffen Gleichberechtigung unter ungleichen Ausgangsbedingungen (genau hinschauen)
  •     Migration ist ein Menschenrecht, das auch klar in Attac-Grundsatzpapier verankern
  •     Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen zeigt, dass es auch anders geht
  •     viele Anknüpfungspunkte für Attac, Fokus auf Ursachen
  •     Verantwortung des Nordens betonen, imperiale Lebensweise, Waffenexporte
  •     Migration als Ausdruck der Ungleichheit der Welt
  •     globale soziale Rechte aufnehmen
  •     Klima als Fluchtgrund fordern, ohne Teilung in "gute und schlechte Flüchtlinge"
  •     Fluchtursachen: imperiale Lebensweise: z.B. Klimawandel, Landraub, Zerstörung Umwelt usw. - verursacht weltweite Probleme – nur ein kleiner Teil der so verursachten Geflüchteten kommen zu uns – die meisten im Inland oder Nachbarländer
  •     Dreiklang der Linken ganz gut: für globale Gerechtigkeit, Recht auf Migration, Schutz vor Rassismus und Ausbeutung (keine Gegeneinander-Ausspielen von Einheimischen und Migrierenden)
  •     Menschen vor Profite: Problematik mit Ausbeutung und Brain-drain (kein Billiglohn oder billige Fachkräfte)
  •     Attac sollte sich um diese Zusammenhänge kümmern
  •     Eine andere Welt ist möglich und nötig!