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Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen? - die heimlichen Herrscher und ihre Gehilfen

Buchbesprechung: Jens Berger, Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen? - die heimlichen Herrscher und ihre Gehilfen, Westend Verlag, Frankfurt/ Main 2018.

BlackRock, der große Vermögensverwalter, ist wieder einem größeren Publikum bekannt, seitdem Friedrich Merz sich in der Politik zurückgemeldet hat und unverfroren Karriereansprüche anmeldet. Gerade rechtzeitig hat Jens Berger, Redakteur der Nachdenkseiten, ein Buch über „die heimlichen Herrscher und ihre Gehilfen“ – so der Untertitel – also über BlackRock, State Street und Vanguard geschrieben. Auch die letztgenannten sind große Vermögensverwaltungen, Investmentgiganten oder Finanzkonzerne. Der Titel des Buches heißt denn auch: „Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen?“ Titel und Untertitel sind recht reißerisch und klingen zunächst leicht verschwörungstheoretisch in den Ohren. Für solche Ansätze gibt es genügend Beispiele: Verschwörungstheorien suchen nach Subjekten, heimlichen Machthabern oder verdeckten Drahtziehern hinter den (Fehl)-Entwicklungen der Welt. Sie bedienen das Bedürfnis nach griffigen Feindbildern, nach konkreten Personen, die man anklagen und verantwortlich machen kann. Auf der Rechten landen sie bei Sündenböcken, als die meist größere Menschengruppen fungieren. Die „jüdische Hochfinanz“ etwa ist so ein Feindbild, das die Nazis bedienten und so linke Kapitalismuskritik reaktionär und antisemitisch wendeten. Auch auf der Linken gibt es durchaus Tendenzen, Superreiche als verantwortliche hinter dem Weltgeschehen auszumachen. Berger umschifft die Gefahr, Machtverhältnisse zu subjektivieren. Obwohl er auch Ross und Reiter nennt, handelnden Personen ausmacht, ihren Einfluss, ihre Entdeckungen und ihre Lebensgeschichte aufschreibt, die Strukturen bleiben sichtbar oder werden gerade so anschaulich erläutert und verständlich.

Nach der Finanzkrise 2008 waren sie in aller Munde CDOs und CDS, ABS und MBS, Derivate, Zertifikate und synthetische Papiere. Inzwischen haben wohl die meisten Zeitgenossen wieder vergessen, wie sie funktionierten, wie sie sich unterschieden und was sie mit der Subprime Krise zu tun hatten. Berger erinnert Nicht-Finanzjongleure an diese vielfältigen Formen von Finanzprodukten und erklärt ihre Funktion und Wirkung.

Aber er geht einen Schritt weiter und zeichnet auch nach, Wie sich seit den neoliberalen Deregulierungen Reagans und Thatchers in den 1980er Jahren die Finanzmärkte aufblähen konnten, wie sie zu unkontrollierten Monstern wurden. Er zeichnet nach, wie die „Massenvernichtungswaffen“ der Finanzindustrie, so der selbstkritischen Finanzmogul Waren Buffet über Derivate& Co., entstanden und welche Erfindungen welcher Personen Anteil am Aufstieg der Finanzindustrie hatten. Die Digitalisierung hatte – man ahnt es – ihren Anteil. Der Hochfrequenzhandel funktioniert über die Algorithmen megaschneller Computer. Und es sind Algorithmen, welche die Solidität von Finanzprodukten bewerten. Die Sparkassen und Banken, die Gelder ihrer Kunden einsammelten und weiter verliehen, nachdem Sie die Chancen und Risiken eines Kreditausfalls geprüft hatten, stammen aus Urgroßmutters Zeiten. „Über BlackRock Solutions analysiert BlackRock als Gutachter Finanzprodukte,“ schreibt Berger, „die es in seiner Funktion als Vermögensverwalter kauft. Der damit verbundene Informationsvorsprung ist nicht mit Gold aufzuwiegen und stellt gleichzeitig einen ganz massiven Interessenkonflikt dar.“ (S.43)

Berger erläutert, das republikanische wie demokratische US-Regierungen ihren Anteil am Aufstieg der Finanzindustrie hatten. Der Republikaner Reagan steht wie kein anderer für die Deregulierung auch der Finanzmärkte, aber der Glass-Steagal-Act, mit dem der Demokrat Roosevelt 1933 auf die Weltwirtschaftskrise reagiert hatte, indem das Gesetz die strikte Trennung von Geschäfts-und Investmentbanken vorschrieb, wurde vom Demokraten Jimmy Carter aufgekündigt. Nach der Finanzkrise 2008 reagierte die Obama Administration mit einem neuen Gesetz: „Der Dodd-Frank Act umfasst insgesamt 16 Titel mit 541 Gesetzesartikel und 849 Seiten. Da ist auch viel Platz für Schlupflöcher und ein gut bezahltes Heer an gut bezahlten Lobbyisten der Finanzkonzerne traten nun an, um die Paragraphen mit Schlupflöchern und Hintertüren zu versehen.“ (S.149)

Berger beschreibt aber nicht nur detail- und kenntnisreich die Entwicklung in den USA und diejenige der US-Finanzgiganten. Auch die Entwicklung in Deutschland, die Entfesselung der Finanzmärkte, welche die Rot-Grüne Schröder Regierung ins Werk setzte, ist Thema bei Berger. Er fasst sie zusammen als Weg von der „Deutschland AG zur World Inc“. (S.207) die Politik schuf die Rahmenbedingungen. Kopper, Breuer und Ackermann lehrten der Deutschen Bank das „Investmentbanking am Hochreck“ und „ aus den bodenständigen Banken der Deutschland AG wurden moderne Turbofinanzkapitalisten, die sich nur noch für die kurzfristigen Renditeziele interessierten und dem Shareholder-Value frönten“ (S.210), womit sie nicht nur die Deutsche Bank in die gegenwärtige Misere trieben.

Berger schreibt locker flockig, so dass man seine kleine Geschichte des Finanzkapitals in wenigen Stunden mit Vergnügen lesen kann. Sicher behält man nicht alle Details, die Berger ausbreitet, wird aber über die Grundlagen und -linien der Entwicklung informiert oder an sie erinnert. Insgesamt ist Bergers Buch über die Finanzkonzerne als heimliche Herrscher der Welt eine lesenswerte Lektüre.


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