Was hat das TTIP mit den Kommunen zu tun?
Bei den Verhandlungen zwischen der EU und der USA um das Transnationale Investitions- und Freihandelsabkommen (TTIP) geht es nicht nur um Warenhandel, sondern in nicht geringem Umfang um den Handel mit Dienstleitungen (Die Freihandelsfalle , 14). Nicht nur um Dienstleistungen, die von Privatpersonen oder Unternehmen erbracht und in Anspruch genommen werden, sondern auch um öffentliche Dienstleistungen. Für viele öffentliche Dienstleistungen sind in Deutschland die Kommunen zuständig. Sie erstellt diese entweder selbst oder geben ihre Erstellung bei privaten oder halböffentlichen Unternehmen in Auftrag (Global denken – lokal handeln, 18). Daher liegt es nahe, dass Städte und Gemeinden von TTIP betroffen sein werden und zwar in dreierlei Hinsicht.
- Das TTIP wird Einfluss darauf haben, welche Dienstleistungen zukünftig noch von Städten und Gemeinden selbst erstellt werden dürfen.
- Welche Dienstleistungen in einem Wettbewerbsverfahren ausgeschrieben werden müssen und unter welchen Bedingungen dies zu erfolgen hat, wird auch von den Regelungen dazu im TTIP abhängen.
- Die Investitionsschutzregelungen des TTIP werden voraussichtlich dazu führen, dass die Entscheidungsfreiheit der Kommunen eingeschränkt wird, weil sie Schadensersatzansprüche von Investoren befürchten müssen.
Das TTIP als Brechstange für weitere Privatisierungen bei den Kommunen
In seiner Stellungnahme zum TTIP vom November 2013 bringt der Bayrische Städtetag seine Sorge zum Ausdruck, dass mit dem TTIP der Privatisierungsdruck auf Städte und Gemeinde zunehmen wird. Wie kommt er darauf? Beim TTIP werden so genannte Negativlisten verhandelt, auf denen unter anderem Dienstleistungen, bzw. Regelungen zu ihnen aufgelistet sind. Alle Dienstleistungen, die auf diesen Listen stehen, werden nicht dem Markt geöffnet. Für alle Dienstleistungen, die nicht auf ihnen stehen, muss freier Marktzugang gewährleistet werden. Die Negativliste besteht aus zwei Teilen. Im Anhang I werden bereits bestehende Maßnahmen aufgelistet (Gesetze oder Verwaltungspraxis), die zukünftig gegen das Abkommen verstoßen würden, aber beibehalten werden dürfen. Alle Maßnahmen die nicht aufgelistet sind, aber gegen das Abkommen verstoßen, müssen abgeschafft werden. Im Anhang II werden sowohl bestehende wie zukünftige Regelungen aufgenommen. Alle Dienstleistungen, die nicht auf dieser Liste stehen, müssen dann liberalisiert werden. Die EU hat in ihrem Verhandlungsmandat definiert, dass nur wenige öffentliche Dienstleistungen wie Justiz, Polizei, Strafvollzug u.ä. von der Liberalisierung ausgeklammert werden sollen, nicht aber Bildung, Kultur, Wasser und Abwasser. In einem von Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) beauftragten Gutachten wird dazu für den Wasserbereich festgestellt, dass damit nationale oder lokale Einschränkungen, die Wasserversorgungen nur über öffentliche Unternehmen erstellen zu lassen, nicht mehr zulässig wären. Damit würde die Privatisierung der Wasserversorgung, um die es in der Vergangenheit in der Bundesrepublik eine breit geführte öffentliche Debatte gegeben hat und die von der Bevölkerung abgelehnt wird, durch die Hintertür erzwungen.
Ausschreibungspflichten und die Ökonomisierung des kommunalen Handels
Wenn eine Kommune ihre Schulen sanieren will, darf sie sich nicht einfach auf dem Markt umsehen und dann eine Firma mit der Sanierung der Schule beauftragen weil diese am Ort ansässig ist, besonders ökologisch arbeitet, die örtlichen Sportvereine unterstützt oder Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Kommunen müssen über ein Ausschreibungsverfahren bekannt geben, dass sie die Sanierung einer Schule beabsichtigen und den Auftrag dann an das Unternehmen geben, dass ihnen das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Andere soziale oder ökologische Aspekte dürfen in der Regel keine Rolle spielen. Nun ist dies bei der Sanierung einer Schule vielleicht ärgerlich aber nicht so kritisch. Ganz anders sieht es aus, wenn beispielweise kulturelle Leistungen (Theater), Bildungsleistungen (Volkshochschule, Hausaufgabenbetreuung) oder Leistungen der Jugendhilfe (Wohngruppen) ausgeschrieben werden müssen und an denjenigen Anbieter gehen, der das günstigste Angebot abgibt. Mit dem TTIP, so befürchten viele Vertreter_innen von Städten und Gemeinden, wird sich dieser Zwang zur Ausschreibung auf viel mehr öffentliche Dienstleistungen als bisher ausweiten. Wenn ein Verein ein kommunales Kino betreibt und dafür Zuschüsse der Kommune erhält, könnte diese gezwungen werden, dies als öffentlichen Auftrag auszuschreiben. Sie müssen dann allein nach wirtschaftliche Kriterien und ohne Berücksichtigung von sozialen, lokalen, kulturellen oder sonstigen Fragen, den Auftrage an das Unternehmen vergeben, das das wirtschaftlichste Angebot vorlegt.
Diese Entwicklung ist nicht neu. Seit gut 30 Jahren wird die Forderung nach immer weiterer Ökonomisierung kommunalen Handelns wieder und wieder erhoben. Die EU hat mit ihrer Wettbewerbspolitik in den letzten Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Forderung in Richtlinien gegossen wurde und die deutschen Bundesregierungen sowie die Landesregierungen haben ihren Anteil dazu beigetragen, dass daraus Recht wurde, das die kommunale Handlungsfreiheit immer weiter eingeschränkt hat. Mit TTIP wird dieser Trend nochmals deutlich verstärkt und vor allem unumkehrbar gemacht. Denn, was im TTIP einmal vertraglich vereinbart ist, ist nahezu nicht rückholbar.
Buy American
In der Diskussion um das TTIP wird in Deutschland oft so getan, als wäre das Abkommen in erster Linie der Versuch amerikanischer Konzerne, ihre Chancen auf dem europäischen Markt zu verbessern. Übersehen wird dabei, dass Konzernen mit Sitz in europäischen Ländern ein genauso großes Interesse am Abkommen haben, weil sie ihrerseits auf den amerikanischen Markt wollen. Worin sie sich unterscheiden, sind die Branchen und Marktsegmente, die sie in den Blick nehmen. Bei den kommunalen Dienstleistungen gelten beispielweise die amerikanischen Märkte als stärker politisch reguliert und gegen Wettbewerb abgeschlossen. Europäische Dienstleistungskonzerne möchten die in den USA übliche „Buy-American-Regelungen“ durch TTIP beseitigen. Diese Regelungen sehen vor, dass bei der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungen US-Betriebe bevorzugt werden. Eine Regelung, die europäischem Wettbewerbsrecht widersprechen würde.
TTIP und Investitionsschutz
Mit dem TTIP sollen Investoren vor direkter oder indirekter Enteignung geschützt werden. Was soll das mit Städten und Gemeinden zu tun haben? Plant etwas eine Kommune die lokale Niederlassung der Deutschen Bank zu beschlagnahmen? Ganz sicher nicht. Trotzdem werden die Vertragsvereinbarungen zum Investorenschutz Auswirkungen auf den politischen Handlungsspielraum von Kommunen haben. Verschärft sie beispielweise Umweltauflagen und macht damit eine Fabrik in ihrem Gemeindegebiet unrentabel, die ohne die Auflagen satte Profite eingefahren hätte, kann der Investor dies als indirekte Enteignung interpretieren. Er hat Kapital in eine Anlage gesteckt, die erst durch die Umweltauflagen ihre Profitabilität verliert und kann die Entwertung von investiertem Kapital vor ein Schiedsgericht bringen und von der Kommune Schadensersatz fordern. Diese Schiedsgerichte sind keine ordentlichen Gerichte, in denen Richter_innen im Rahmen bestehender Gesetze Recht sprechen, sondern geheim tagende Gremien, in denen Deals aushandeln werden. Wer so etwas für undenkbar hält, sei auf das Verfahren Vattenfall gegen die Bundesrepublik verwiesen, in dem der Konzern vom deutschen Staat 3,7 Milliarden Schadensersatz verlangt, weil es die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel vorzeitig abschalten (Freihandel Projekt der Mächtigen, 18). Diese Art Investorenschutz wird dazu führen, dass sich eine Kommune sehr genau überlegt, ob sie Umweltauflagen verschärft oder Regularien zum Bau preisgünstiger Wohnungen in Bebauungspläne hinein schreibt, wenn sie befürchten muss, dafür Schadensersatz zahlen zu müssen.
Lokale Akteure wehren sich
Obwohl die Verhandlungen über das TTIP im Geheimen ablaufen und zudem für viele das Thema sehr abstrakt und weit weg von täglichen Leben scheint, hat die Kritik am geplanten Abkommen inzwischen auch die Städte und Gemeinden in Deutschland erreicht. In etlichen kommunalen Gremien wurde TTIP bereits zum Thema gemacht und so hat beispielsweise der Rat der Stadt Erkrath auf Initiative der Erkrather Wohlfahrtsverbände eine Stellungnahme verabschiedet, in der er die Bundesregierung auffordert, sich gegen das TTIP auszusprechen. Verschiedene kommunale Spitzenverbände warnen in Stellungnahmen vor den Auswirkungen des Freihandelsabkommens. Noch sind dies aber eher Randerscheinungen, als eine breite Protestwelle. Je mehr allerdings die Aufklärung über die Auswirkungen des TTIP auf Städte und Gemeinden voran kommt, desto mehr ist damit zu rechnen, dass sich weitere kommunale Akteur_innen gegen die Verhandlungen aussprechen.
TTIP als Anlass zur Kritik am Primat des Freihandels und der Ökonomisierung aller Lebensbereiche nehmen
Es ist erfreulich, dass sich immer mehr Menschen gegen das TTIP wenden und das Scheitern der Verhandlungen ist möglich. Wenn es allerdings nicht gelingt, dass TTIP zum Anlass zu nehmen, auch weitere Abkommen wie das CETA und das TISA zu stoppen und die ganze Freihandelsideologie zu demaskieren, könnte sich dies als Pyrrhussieg erweisen. Denn die Kampagnen gegen Freihandelsabkommen haben es bisher nicht geschafft, die Tendenz zur Ökonomisierung immer weiterer Lebensbereiche (Gesundheit, Bildung, Kultur …) zu stoppen. Die geht auf allen Ebenen weiter, sei es auf der kommunalen, sei es weltweit. Wer gute öffentliche Dienste in den Städten und Gemeinden will, muss dem ‚soviel (kapitalistischer) Markt und Konkurrenz wie möglich‘ der Neoliberalen ein ‚nur soviel Markt und Konkurrenz wie nötig‘ und ein ‚soviel kooperative Formen des Wirtschaftens wie möglich‘ entgegen setzen.
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