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Solidarische Agrarwende

Die multiplen Krisen unserer Zeit wurden Ende 2023 / Anfang 2024 auch  wieder in der hiesigen Landwirtschaft offensichtlich. Da gingen tausende Bäuer:innen für die Förderung fossilen Brennstoffs auf die Straße. Das hat mich als Gärtnerin stark irritiert: waren wir mit unseren Forderungen nicht schon weiter?

Mittlerweile ist die Kfz-Steuer für Fahrzeuge in der Land- und Forstwirtschaft wieder gestrichen, die Agrardiesel-Subventionen fallen bis Ende 2026 schrittweise weg.

Im Folgenden geht es um die politischen Forderungen einer solidarischen Agrarwende. Das alle in ihren alltäglichen Konsumgewohnheiten gefragt sind – wird vorausgesetzt :)

Wo wir alle stehen

Die Situation in der Landwirtschaft ist prekär. Profitmaximierung, Intensivierung, hoher Kostendruck und eine schlechte Verhandlungsposition von Betrieben gegenüber den großen Handelsketten machen diese Branche zu einem gebeutelten Niedriglohnsektor, der zu allem Unglück sehr direkt unter den Folgen des Klimawandels leidet. Und durch seine industrielle, rohstoffintensive Produktionsweise dessen Ursachen befeuert. Und dieser Bereich ist für essentielle Aufgaben wie die Produktion von Lebensmitteln, den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und den Schutz von Umwelt, Tier und Klima zuständig. Wie genau das unter diesen Rahmenbedingungen und in Zukunft geschehen kann – um diese Antwort hat sich in den letzten Jahrzehnten jede Regierung gedrückt. Nicht erst die Ampel.

Die AbL schreibt: „Es fehlt seit vielen Jahren an einer mutigen Agrarpolitik, die langfristige Perspektiven und verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Stattdessen denken die politisch Verantwortlichen viel zu häufig in vermeintlich kurzfristigen Erfolgen und Klientelpolitik“.

Dass diese Themen jetzt sehr in der Öffentlichkeit stehen – begrüße ich – denn es braucht jetzt eine gesamtgesellschaftliche Debatte dazu und entsprechende politische Handlungen – jetzt. In diesem Zuge bin ich gelinde gesagt genervt, wenn in den Medien die Positionen von Bauernverband (der Agrarindustrielobby) und CSU / CDU überhaupt noch Sendezeit bekommen. Seit Gründung der Bundesrepublik hatte die Union von 75 genau 51 Jahre lang das Landwirtschaftsministerium unter sich und hat komplett versagt. Ihre „Wachse-oder-weiche“-Logik mit dem Bauernverband als ausführendem Organ, führt seit den 60ern zum Aussterben kleinbäuerlicher Landwirtschaft.

Aus meinem Berufsalltag

Ich arbeite in einer solidarischen Gemüsegärtnerei in Thüringen, die für 40 bzw. dieses Jahr 60 Haushalte Gemüse produziert. Bei einer Fläche von 0,5 Hektar brauchen wir uns um Flächensubventionen keine Gedanken machen. Wir bauen nach ökologischen Kriterien an und bemühen uns um die Erhöhung von Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität. All das trägt in unserem Fall eine Abnehmer:innengemeinschaft, die sowohl unser vielfältiges Gemüse als auch unsere Bestrebungen für Umwelt-, Tier- und Klimaschutz komplett finanzieren und sie als essentiellen Teil unserer Arbeit begreift.

Nach Förderungen für unseren neu gegründeten Betrieb haben wir gesucht – es gibt im landwirtschaftlichen Bereich aber keine halbwegs auskömmlich dimensionierte und ebenso mit wenig bürokratischem Aufwand verbundene Förderung für das, was unsere Ernteteiler:innen tragen.

Auch um die in Thüringen letztes Jahr erstmalig vergebene Junglandwirt:innen-Förderung (Gelder des Thüringer Landwirtschaftsministeriums kofinanziert von ELER-Mitteln) haben wir uns beworben. Wir haben sie jedoch nicht bekommen, weil wir nicht selbständig tätig sind, sondern uns über einen kollektiv organisierten Verein anstellen Lebensmittel in guter Qualität und Quantität für Alle zu produzieren, ist eigentlich öffentliche Daseinsfürsorge. Stattdessen haben selbständige Landwirt:innen und Gärtner:innen hierfür die Verantwortung und sie tragen dabei die mannigfaltigen Risiken ihres Berufsstandes – inklusive körperlicher Überarbeitung – komplett selbst. Aber jetzt komme ich schon ein bisschen ins Nörgeln und damit lieber zum nächsten Punkt.

Wo wir hingehen

Der Staat und die EU müssen jetzt massiv in den Umbau der Landwirtschaft investieren und ihre derzeitigen Förderstrategien grundlegend ändern. Ziel muss es sein, resiliente Betriebe zu schaffen, die überwiegend in Direktvermarktung lokale Wertschöpfungsketten beliefern. Betriebe, die auf Dauer nicht von Subventionen abhängen und sich selbst und die Umwelt nicht ausbeuten.

Jetzt:

  • Ein guter Start für diesen Prozess ist der 6-Punkte-Plan der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): Stärkung der Betriebsposition gegenüber dem Handel, Tierwohlabgaben, Erhöhung der Grunderwerbssteuer für Großgrundbesitzer:innen, Entlohnung von Umweltschutz, Umverteilung der GAP-Gelder zur „Einkommensstützung“ und Sicherung der Gentechnikfreiheit.
  • Den Leitfaden der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL, 2021) und der „Borchert-Kommission“ (2023) in konkrete Politik umsetzen. In beiden Gremien haben sich verschiedensten Interessensgruppen zusammengesetzt -  Landwirtschaft, Wirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft – um wegweisende Vorschläge für die Transformation der landwirtschaftlichen Praxis zu erarbeiten.
  • Wirksame Mechanismen (Agrarstrukturgesetze) erlassen, die den Verkauf von Land aus außerlandwirtschaftliche Investor:innen verhindern. Damit hinken vor allem die ostdeutschen Länder hinterher, bei denen dieser Ausverkauf noch rasanter vonstatten geht.
  • Unterstützung für Hofübernahmen und -neugründungen. Dazu hat die junge AbL gute Ideen.

Gleich:


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