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Regionalisierung statt Globalisierung; Plädoyer für eine neue Handels- und Entwicklungspolitik

Der nahezu grenzenlose Welthandel hat wenige Gewinner, dafür aber sehr viele Verlierer hervorgebracht. Gewonnen haben insbesondere die international agierenden Konzerne, für die sich durch die Globalisierung zusätzliche Gewinnchancen eröffnet haben.

Gewonnen haben auch diejenigen Staaten, die zunächst ihre Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz geschützt haben, die mit einer klaren Strategie die Bevölkerung und die Wirtschaft für die Industrialisierung fit gemacht, und sich erst anschließend am grenzenlosen Welthandel beteiligt haben. Beispiele aus der jüngeren Zeit hierfür sind Taiwan, Südkorea und China.

In einigen Staaten wiederum haben lediglich die gebildeten Schichten von der Globalisierung profitiert, wohingegen die ärmeren Schichten abgehängt wurden, wie beispielsweise in Indien, Südafrika und Brasilien. In einer dritten Gruppe von Staaten wurde zwar eine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen geschaffen, die auf diesen Arbeitsplätzen Beschäftigten aber werden so miserabel entlohnt, dass sie die Produkte, die sie erzeugen, nicht selbst konsumieren können. Sie sind moderne Sklaven für die Profiteure der Globalisierung.

Es gibt eine sehr große vierte Gruppe von Staaten, sie sind die großen Verlierer der Globalisierung. Das sind vor allem die Staaten Afrikas, aber auch Asiens, Lateinamerikas und der Karibik. Es sind die Staaten, die es nach der Befreiung aus der kolonialen Besetzung nicht geschafft haben, ein effektives Staats- und Bildungssystem aufzubauen, es sind Staaten mit weit verbreiteter Korruption und schlechter Staatsführung. Im internationalen Gefüge sind sie nur als billige Rohstofflieferanten und im Gegenzug als Abnehmer von Industrieprodukten und überschüssigen (oft minderwertigen) Nahrungsmitteln interessant. Ihre Bevölkerung ist zu Armut und Elend verdammt.

Zu allem Übel sind es oft gerade diese Staaten, die nun zusätzlich von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Immer mehr Menschen sehen einen Ausweg nur noch in der Flucht nach Europa und Nordamerika.

Doch auch in den Industriestaaten gibt es Verlierer: Es handelt sich dabei vor allem um Menschen ohne Berufsausbildung. Aber auch ausgebildete Arbeitskräfte sind betroffen, wenn ihre Arbeitsplätze in Niedriglohnländer verlagert werden, und sie in der Folge keinen oder nur einen geringer entlohnten Arbeitsplatz finden können.Auch sie sind zur Armut verdammt, wenn wir es nicht schaffen eine neue Wirtschafts-, Handels-, Sozial- und Entwicklungspolitik zu erstreiten.

Verlierer sind aber auch die kommenden Generationen, weil durch den globalisierten Welthandel der Ausstoß von Treibhausgasen wesentlich beschleunigt wurde.

In diesem Artikel möchte ich einen Vorschlag für eine neue Handelspolitik unterbreiten und zum Schluss andeuten, in welche Richtung sich die Entwicklungspolitik zukünftig verändern muss.

Nahezu weltweit ist die Marktwirtschaft etabliert und ich persönlich halte sie für erhaltenswert. Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Marktwirtschaft nicht mit Kapitalismus gleichzusetzen ist. Marktwirtschaft gibt es seit der Zeit, in der die Menschen begonnen haben sich zu spezialisieren und Handel zu treiben, also seit etwa 10 000 Jahren. Der Kapitalismus dagegen entstand erst in der Neuzeit.

Aber: Eine Marktwirtschaft kann nur dann zufriedenstellend funktionieren, wenn für alle Beteiligten die gleichen Rahmenbedingungen bestehen, also:

  • Ein vergleichbares Lohnniveau
  • Ähnliche soziale und arbeitsrechtliche Bestimmungen
  • Ähnliche Steuerbelastungen
  • Vergleichbare Umweltvorschriften
  • Ähnlicher Ausbildungsstand der Bevölkerung

Es ist leicht zu erkennen, dass diese Bedingungen in der nun globalisierten Wirtschaft bei weitem nicht einheitlich sind. Die nahezu grenzenlos globalisierte Wirtschaft ist daher für eine globale Marktwirtschaft völlig untauglich. Es war ein großer Fehler diese Politik kritiklos zu akzeptieren. Sie verursacht sehr hohe Anpassungsverluste und sie macht die Reichen reicher und die Armen ärmer.

Ein trauriges Beispiel (unter vielen) für die Fehlentwicklungen die hierdurch entstehenden, ist der Niedergang der Solarindustrie in Deutschland. Wir waren technologisch weltweit führend, bis China diesen Industriezweig mit hohen Subventionen auf ein internationales Niveau brachte und nun mit dem geringen Lohnniveau konkurrenzlos günstig PV-Module anbieten kann. In Deutschland gingen dadurch in dieser Zukunftsindustrie innerhalb kurzer Zeit 80 000 Arbeitsplätze verloren. Das sind viermal mehr Arbeitsplätze, als derzeit in der deutschen Braunkohle-Industrie beschäftigt sind.

Noch schlimmer ist die Tatsache, dass dadurch der weltweite Ausbau an erneuerbaren Energien nicht so schnell geschieht wie es nötig ist und wie es möglich wäre, wenn alle Kapazitäten genutzt würden, auch die im relativ hochpreisigen Deutschland.

Damit die aufgezeigten Probleme behoben werden können, ist eine ganz andere, eine regionalisierte Handelspolitik erforderlich.

Grundzüge für eine regionalisierte Handelspolitik

Eine Alternative zur derzeit vorherrschenden grenzenlosen Globalisierung des Handels sind regionale Wirtschaftszonen, bestehend aus Staaten mit ähnlichem Entwicklungsstand, ähnlichen klimatischen Bedingungen und ähnlicher Kultur.

Hier ist vielleicht eine kurze Erläuterung erforderlich, weshalb in diesem Zusammenhang auch klimatische Bedingungen und die Kultur wichtige Kriterien sind. Die Industrienationen liegen überwiegend in den klimatisch gemäßigten Breitengraden. Von hier werden Arbeitszeiten und Arbeitsleistungen vorgegeben, die in subtropischen und tropischen Ländern nicht dauerhaft und ohne negative Folgen für die Gesundheit erbracht werden können. Es ist auch völlig falsch, allen Ländern unsere Kultur aufzuzwingen, die sehr stark von Arbeitsethik und Leistungswille geprägt ist. Wir müssen uns ändern um zukunftsfähig zu werden, nicht die anderen, die eine andere Vorstellung von einem guten Leben haben.

Ziel dieser Wirtschaftszonen ist es, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu erleichtern, gleichzeitig aber nach außen vernünftige, schützende Handelsschranken zu definieren. Dadurch wird die für eine Marktwirtschaft erforderliche Chancengleichheit wieder hergestellt und die im Aufbau begriffene Wirtschaft einer Region oder gar eines ganzen Kontinents kann geschützt und gefördert werden. So ist eine Befreiung der Menschen in den Niedriglohnländern aus der Versklavung durch internationale Konzerne möglich.

Natürlich ist auch in diesem System ein internationaler Austausch von Rohstoffen, Wissen und Waren erforderlich, damit überall in fairer Partnerschaft die besten Methoden zur Anwendung kommen können, und so der Wohlstand für alle gemehrt werden kann. Das ist in der bisherigen ausbeuterischen Art der Globalisierung nicht möglich, sie dient nur den Konzernen, den Reichen und den Leistungsfähigen.

Auch wegen der kulturellen, klimatischen und religiösen Unterschiede ist es falsch, alle Menschen in dasselbe Wirtschaftssystem zu zwingen. Und genau das geschieht heute, getrieben von der WTO, den USA, der EU, von Japan und nun auch von China.

Ich bitte darüber nachzudenken, ob dies nicht auch ein Grund für die Ausbreitung des Terrorismus ist, denn der internationale Wettbewerb zwingt sie anders zu arbeiten und zu leben. Sie sind nicht mehr frei.

Es ist ein Mittelweg zwischen gleichgeschalteter Globalisierung und totaler Isolation zu suchen. Ein Weg, der den Austausch ermöglicht, und die Eigenständigkeit bewahrt und der vor allem dazu führt, dass die Produktivitätsfortschritte in einem Land allen Menschen dieses Landes zugutekommen, denn erst und nur dann, wenn die gesamte Bevölkerung in den Genuss ihrer steigenden Wertschöpfung gelangen kann, tritt für alle mehr Wohlstand ein.

Das bedeutet: Wenn unsere Unternehmen in Niedriglohnländern investieren und produzieren, dann muss dies in erster Linie für den lokalen Markt geschehen, dann arbeiten auch in diesen Ländern die Menschen zur Steigerung ihres Wohlstandes.

Damit Unternehmen mit dieser Zielsetzung in Niedriglohnländern investieren, müssen Bedingungen geschaffen werden, unter welchen sich vor Ort ein ausreichend großer Absatzmarkt bilden kann, daher die Gründung von regionalen Wirtschaftszonen, in denen die oben genannten Bedingungen für eine funktionierende Marktwirtschaft erfüllt werden.

Dies ist erforderlich, damit sich die Mitgliedsstaaten des gemeinsamen Marktes nicht gegenseitig Konkurrenz bei der Ansiedlung von Betrieben machen und damit in der Folge kein Steuerdumping entsteht. (Die EU ist hier ein abschreckendes Beispiel.)

Die Staaten sollten sich nur in der Schaffung des stabilsten politischen und sozialen Umfeldes Konkurrenz machen, sowie in der weiteren Förderung des Bildungsstandes der gesamten Bevölkerung und in der Bereitstellung einer guten Infrastruktur.

Zur Erleichterung des Handels innerhalb des gemeinsamen Marktes müssen die Währungen untereinander mit einem festen Wechselkurs handelbar sein. Und ganz wesentlich für die Effektivität der gemeinsamen Märkte ist eine (weitgehende) Zollfreiheit innerhalb der Gemeinschaft und gemeinsame Zollbestimmungen nach außen; es werden Ein- und Ausfuhrzölle erforderlich sein.

Ja - selbst Ausfuhrzölle können sinnvoll und erforderlich sein. Wenn sich beispielsweise in einem Land mit geringer Produktivität Betriebe mit modernen Fertigungsmethoden und entsprechend hoher Produktivität ansiedeln, dann könnte den Beschäftigten dieser Betriebe wesentlich höhere Löhne bezahlt werden als den Beschäftigten anderer Betriebe. Dies könnte die Gesellschaft spalten und soziale Unruhen provozieren. Außerdem könnten die weniger privilegierten Bevölkerungskreise am Konsum der neuen, im Land produzierten Waren kaum teilnehmen. Es würde sich eine Zweiklassengesellschaft entwickeln.

Um dies zu verhindern, müssen die Löhne in den neuen Betrieben dem Lohnniveau des Landes im Allgemeinen entsprechen. Das ist zwar heute bereits oft der Fall, nutzt den Menschen aber gar nichts, weil die Produkte mit hohen Gewinnen für die internationalen Konzerne in reicheren Ländern verkauft werden.

Damit werden die Menschen im Herstellerland der Früchte ihrer Arbeit beraubt. Um dies zu verhindern kann es angebracht sein, auf Waren einen Exportzoll zu erheben. Dadurch wird erreicht, dass ein Teil des Gewinns im Land bleibt. Die Regierung kann mit diesen zusätzlichen Einnahmen beispielsweise das Bildungs- und Gesundheitswesen verbessern, was der Bevölkerung des Landes im Allgemeinen zugutekommt. Außerdem wird dadurch eher ein Teil der Produkte auch im Herstellerland zum Verkauf angeboten. So führt die eigene Wertschöpfung auch zu mehr Wohlstand für alle – was das Ziel sein muss.

Es ist also keine grenzenlose Globalisierung erforderlich, sondern eine regionalisierte, geregelte Welthandelspolitik, die den Austausch ermöglicht und die Vielfalt erhält.

Dadurch wird auch der Wachstumsdrang und das Lohndumping in den Hochlohnländern reduziert und der Erhalt von Arbeitsplätzen in traditionellen Branchen ermöglicht. Dies reduziert auch die Arbeitslosigkeit in den Hochlohnländern und verhindert hohe Anpassungsverluste.

Leitlinien für eine wirkungsvolle Entwicklungspolitik

Diese neue Handelspolitik muss von einer angepassten Entwicklungspolitik begleitet werden, die hier nur kurz skizziert werden soll. Die wichtigsten Maßnahmen sind:

  1. Restrukturierung der staatlichen Verwaltung, der Polizei und der Justiz, sowie Bekämpfung der Korruption und – falls erforderlich – Entmachtung des Militärs bzw. von militärisch organisierten Banden.
  2. Verbesserung der Methoden der Lehrkräfte und Ausbau von Bildungseinrichtungen, von der Vorschule bis zur Universität. Erstellung eines Bedarfsplanes für alle Schulen und Hochschulen und Bereitstellung der erforderlichen Lehrkräfte.

Allen Kindern müssen bis zum 16. Lebensjahr der Besuch einer Schule ermöglicht werden. Dies ist insbesondere für Mädchen wichtig, es ist eine Voraussetzung dafür, dass das Bevölkerungswachstum verlangsamt wird.

  1. Erstellung eines Ernährungsplanes für die Bevölkerung und eines Entwicklungsplanes für die Landwirtschaft. Priorität hat ein hoher Selbstversorgungsgrad der Bevölkerung.
  2. Erstellung eines Entwicklungsplanes für Handwerk und Industrie.
  3. Planung und Ausbau der Infrastruktur.
  4. Planung und Verbesserung der medizinischen Versorgung und der Familienplanung.
  5. Langfristplanung für die Nutzung von vorhandenen Rohstoffen und Naturschätzen.

Bei all diesen Punkten ist zu bedenken: Finanzielle Hilfe für die Entwicklung der ehemaligen Kolonialstaaten kann nicht in Form von Krediten erfolgen, weil die dadurch entstehende Verschuldung zu neuen Abhängigkeiten führen würde.

Mit einer solchen neuen Handels- und Entwicklungspolitik ist tatsächlich das Versprechen von mehr Wohlstand für alle einlösbar. Damit wird auch ganz nebenbei die Reduzierung des internationalen Transportvolumens erreicht, was für den Klimaschutz sehr wichtig ist.


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