PETER HERRMANN: KRISE UND (K)EIN ENDE
Wachstum und Nicht-Wachstum scheinen die großen Kontrahenten der Zeit und doch fragt sich, wie weit es da um eine reale Gegenüberstellung geht. Dabei steht der traditionelle mainstream – ein Konglomerat aus Liberalismus, Neo-Liberalismus und verschiedenen Keynesianischen Varianten scheinbar auf festen Beinen: trotz des vielfachen Versagens kann der Anspruch aufrechterhalten werden, das der Wachstumsmotor zugleich Wohlstandmotor ist, wenngleich zugegeben wird, dass einige kleinere Reparaturen erforderlich sind. Dagegen stehen Forderungen nach Nicht-Wachstum (De-Growth, buen vivir etc.) eher auf wackeligen Beinen, die nach Willensbekundungen und Umorientierungen von Werten getragen werden.
– Schein und Sein? Ideologie und Wirklichkeit?
Der Versuch, die gegenwärtige Krise „nach vorn „ zu denken“, die Potenziale, die zur Verwirklichung drängen, aber von der noch bestehenden Hegemonie erstickt oder uminterpretiert und integriert werden, mag eine andere Perspektive bieten ….
Mit seinem Aufsatz “Krise und (k)ein Ende” geht Peter Herrmann diesen Fragen nach. Seine zentralen Thesen aus dem Text:
“1. Die Krisendiskussion ist nach wie vor in den alten Gleisen gefangen – und dabei geht es zumeist um das halb leere bzw. halb volle Glas – dies gilt auch vielfach bei relativ fundamentaler Kritik gegenüber einigen mainstream-Positionen. Wenn man aber von einer strukturellen Krise spricht, muss die Frage sein, ob das Glass nicht tatsächlich völlig in Scherben liegt. Ferner, die Krisendiskussion darf nicht auf die kurzfristigen dramatischen Folgen, insbesondere die „sozialen Kosten“ reduziert bleiben. Es geht darum, klar die Krise der amerikanischen Hegemonie mit Blick auf Produktionsregime, verbundene Lebensweisen und nationale und internationale Regulierungsmechanismen zu thematisieren.
2. Es geht bei allem um die Kritik eines hegemonialen Systems. Wenn diese aber als Macht der Ideen gesehen wird, so doch auch zu betonen, dass diese Ideen des sog. Neoliberalismus eine Interpretationsvariante der gegebenen objektiven Bedingungen ist, die einem einseitigen Interessenkalkül entspricht. Scheint dies banal, so ist eine solche Betonung doch wichtig. Denn nur so kann ein Gegenentwurf entwickelt werden, der sich nicht gegen die Grenzen des Wachstums richtet und eine neue Moral (oder gar die Wiedergewinnung einer alten, vermeintlich besseren Moral) stützt. Vielmehr ist aus dem objektiv gegebenen Stand der Produktivkräfte und der real-möglichen, und teils implizit verwirklichten Vergesellschaftungsformen eine mutige neue Utopie zu erarbeiten.
3. Die Grenzen des Wachstums sind nicht schlicht als solche negativ zu diskutieren, sondern aus dem Zusammenhang zu begreifen: es geht um ein weites Verständnis dieser Grenzen des Wachstums, die zu einem Grossteil direkt und kausal mit fortbestehenden Grenzen der Einschränkung in Zusammenhang stehen. Es geht um die sich zuspitzenden Ungleichheiten, die viel weitreichender sind, als dies von Piketty dargestellt wurde: Es geht immer noch um die sehr grundlegenden Fragen des [Nicht-]Zugangs zu grundlegenden Ressourcen wie Wasser, Grundnahrungsmittel, Wohnung etc., all dies zunehmend ein Problem in allen Gesellschaften.
4. Schließlich ist heute Politik für eine ungewisse Zukunft zu machen – Risiken dürfen weder Lähmen noch zu übermäßigen Bereitschaft zu opportunistischen Kompromissen führen.”
Wir dokumentieren den Text wegen seiner Länge nicht im TheoieBlog sondern unter AUTOR_INNENBEITRÄGE auf der Attac Homepage.
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