Neoliberale Globalisierung
Aufbau des Buches
Seine Analyse der Handlungsoptionen von Städten in Deutschland beginnt Heinz im ersten Kapitel mit der Beschreibung der wesentlichen Merkmale neoliberaler Globalisierung, weil die „strukturellen Veränderungen“ von Städten „Ausdruck spezifischer ökonomischer, sozialer und politischer Konstellationen und Kräfteverhältnisse“ sind und ohne deren Einbeziehung diese nicht verstanden werden können. (10) Mit den 1970er Jahren, also dem Beginn des Siegeszugs des Neoliberalismus, erfahren die Städte einen „gravierenden Umbruch“ (11), der ohne ein Verständnis der neoliberalen Globalisierung nicht begriffen werden könne. Im zweiten Kapitel widmet sich Heinz dann der sich daraus ergebenden marktdominierten Transformation städtischer Strukturen, um im dritten Kapitel die wesentliche wirtschaftspolitische Weichenstellungen im Kontext der neoliberalen Globalisierung und ihre Auswirkungen auf die Städte zu beschreiben. Im vierten und fünften Kapitel stellt er zwei herausragende Reaktionen der Städte auf die veränderten Rahmenbedingungen dar - einmal die „außenorientierter Wettbewerbspolitiken – new urban policy“, die er sehr dominant sieht und mit deren Hilfe die Städte versuchen, sich im internationalen Wettbewerb zu positionieren und zum zweiten die innenorientierter Versorgungspolitiken – Öffentliche Daseinsvorsorge die im Wesentlichen versucht, negative Auswirkungen der neoliberalen Globalisierung abzufedern. Abschließens zieht Heinz im sechsten Kapitel Bilanz, bevor er im siebten Kapitel Bedingungen formuliert, die die Städte wieder in die Lage versetzen könnten, nicht mehr nur Getriebene, sondern wieder Gestaltende zu werden.
Wesentliche Merkmale neoliberaler Globalisierung
Die wesentlichen Merkmale für die neoliberale Globalisierung sieht Heinz in der „Durchdringung von immer mehr Räumen, Ebenen und Bereichen – so auch der kommunalen – durch die Dynamik des Kapitalismus“ sowie einem damit einhergehenden massiven Strukturwandel, einer zunehmenden Vernetzung im Weltmaßstab sowie einer signifikanten Beschleunigung des Transports von Gütern, Finanzen und Informationen (21). Gleichzeitig erlebten wir eine tendenzielle Funktionsverschiebung der Finanzmärkte (21) und eine zunehmende Macht transnationaler Konzerne (22). Verändert habe sich die internationale Arbeitsteilung und die Rolle des Staates, der sich zum nationalen Wettbewerbsstaat entwickelt habe, dem es in erster Linie darum gehe, als Standort für Firmenansiedlungen attraktiv zu sein: „durch den Ausbau direkter und indirekter öffentlicher Subventionen für die Wirtschaft, den gleichzeitigen Um- und Abbau sozialstaatlicher Regelungen und die wachsende Einbindung relevanter – demokratisch nicht legitimierter – Akteure und Organisationen aus Wirtschaft und Gesellschaft in die Definition und Umsetzung staatlicher Politiken.“ (24) Heinz thematisiert hier auch die Rolle der EU in diesem Prozess, die die Privatisierung öffentlichen Eigentums voran treibe (30) und die Städte und Gemeinden zur Aufnahme immer weiterer Wettbewerbselemente in ihr Verwaltungshandeln zwingt (30). Insgesamt sei innerhalb Deutschlands ein Wettbewerbsföderalismus in Gang gesetzt worden (37) der das Handeln der Länder und der Städte seither maßgeblich bestimme. Folge sei unter anderem eine Steuersenkungspolitik die die Städten und Gemeinden um Einnahmen beraube.
Marktdominierte Transformation städtischer Strukturen
Im Zuge der neoliberalen Globalisierung unterlägen die städtischen Akteure immer mehr Zwängen aber nicht nur deshalb komme es in der Folge zu marktdominierten Transformation städtischer Strukturen, sondern auch aufgrund von den Kommunen selbst zu verantwortenden Modernisierungsstrategien (41). Von außen wirke sich die Veränderung der Beschäftigtenstruktur massiv auf die Städte aus. „In Städten wie Düsseldorf, Köln oder Berlin, das einmal als ‚größte Industriestadt Europas’ galt, sind inzwischen mehr als 80 Prozent aller Beschäftigten im tertiären Sektor tätig, in Frankfurt belief sich ihr Anteil 2013 auf nahezu 90 Prozent.“ (43) Gleichwohl bleibe Deutschland Industriestandort (43) was nicht zuletzt an der Bedeutung des Exports zu erkennen sei. Allerdings habe der Rückbau von Industrieanlagen in den Städten „zu einer deutlichen Veränderung ihrer baulich-räumlichen Struktur geführt.“ (44) Wenn ganze Industriebereiche verlagert würden, seien die betroffenen Städte dieser Entwicklung oft relativ hilflos ausgesetzt (45), zumal wenn die Entscheidungen über Standortschließungen oder Verlagerungen von Finanzinvestoren getroffen werden, zu deren Vorstandsetagen die Kommunalpolitik nicht einmal einen Kontakt habe (49). Auch die Zunahme hybrider und prekärer Beschäftigungsverhältnisse und sinkende Reallöhne haben Auswirkungen auf die Städte. Zum einen hätten sie höhere Belastungen zu tragen, zum anderen kommt es zu arbeitsbedingten Wanderungsbewegungen zwischen Städten und Regionen. Erkennbar sei ein „Nebeneinander von wachsenden und schrumpfenden Städten, Regionen und Gemeinden mit der Tendenz zu einer weiteren Verstädterung.“ (65) In den Städten fänden eine zunehmende Ökonomisierung der Gesellschaft und Formen der Abschottung verschiedener innerstädtischer Gruppen entlang ökonomischer, ethnischer und sozialer Trennlinien statt (76). „Die sozial gespaltene Stadt wird immer mehr auch zu einer räumlich sortierten, häufig mit einer Überlagerung von sozialer und ethischer Segregation.“ (83) In der Banken- und Dienstleistungsmetropole Frankfurt gäbe es deshalb einerseits Stadtviertel, in denen ein Fünftel bis ein Viertel der Wohnenden bedarfsorientierte Sozialleistungen zum Lebensunterhalt erhalte. „In gentrifizierten Quartieren wie dem südlichen Westend oder Teilen des Nordends liegt die Quote ... hingegen bei unter fünf Prozent.“ (84) Die Spaltung sei aber nicht nur innerhalb der Städte erkennbar, sondern auch zwischen diesen. Es gebe ein Nebeneinander an Gewinnern und Verlieren: „die Kluft zwischen armen und reichen Städten hat in den letzten Jahren extrem zugenommen.“ (91)
Wirtschaftspolitische Weichenstellungen im Kontext der neoliberalen Globalisierung
Wie Heinz feststellt, gibt es nicht die eine, „den globalisierungsbedingten Herausforderungen begegnende Stadtpolitik“ sondern eine Vielzahl von Reaktionsmustern, nicht zuletzt aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen und Akteurskonstellationen. Zudem differenziert Heinz die Politiken der Städte danach, ob sie zum Bereich der außenorientierten, in der Regel prioritären, wettbewerbs- und angebotsorientierten Aktivitäten im Sinne der Standortprofilierung gehören oder eher nach innen orientierte sind und dem Bereich der klassischen kommunalen Daseinsvorsorge zugeordnet werden können (100).
Vorrang außenorientierter Wettbewerbspolitiken – new urban policy
Mit Wettbewerbspolitiken versuchten die Städte ihre Standortbedingungen zu verbessern, um Unternehmen und hochqualifizierte Beschäftigte anzulocken und zu halten. Dazu gehörten unter anderem der Aus- und Umbau von Verkehrsinfrastruktur (112), die Bereitstellung von Flächen und Einrichtungen für Zukunftstechnologien (115) und image- und attraktivitätssteigernde Großvorhaben (116). Zunehmend spiele auch Wohnen, Bildung und Familienfreundlichkeit eine Rolle, wenn es darum gehe, gutverdienende Bevölkerungsschichten anzulocken (125). In diesem Sinne werde oft auch kommunale Wohnpolitik „als Instrument der kommunalen Wirtschaftsförderung verstanden“ (125) und selbst die Versorgung mit Kita-Plätzen gelte nicht nur als sozialpolitische Maßnahme, sondern als Wirtschaftspolitik, weil sie Menschen mit Kindern ermögliche, einer Berufstätigkeit nachzugehen (128).
Innenorientierte Versorgungspolitiken – Öffentliche Daseinsvorsorge
Die eher nach innen und auf soziale Kohärenz gerichteten kommunalen Versorgungspolitiken der Städte, das was gemeinhin als öffentliche Daseinsvorsorge bezeichnet wird, reiche „von den originären Aufgaben der Sozialpolitik“ bis zu versorgungspolitischen Aufgabenfeldern wie der „Unterhaltung von Einrichtungen der Bildungsinfrastruktur, Integrationsmaßnahmen (...) Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitiken, (...) wohnungspolitischen Interventionen, Strategien zur Stabilisierung benachteiligter Stadtteile“ und ähnlichem (135). Für Heinz teilen diese Politiken mehrere Gemeinsamkeiten: „eine starke städtische Binnenorientierung; eine Konzentration auf Quartiere und Stadtteile, die nicht für die Identität der Stadt, sondern für die Lebensbedingungen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner von Bedeutung sind sowie eine gleichfalls selektive Fokussierung auf bestimmte Adressatenkreise.“ (135)
Am Beispiel des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ macht Heinz deutlich, wie wenig solche gut gemeinten Programme in der Regel in der Lage sind, die Situation am lokalen Arbeitsmarkt zu verbessern. „Sie können allenfalls Symptome bekämpfen.“ (155) Teilweise führen sie sogar dazu, dass in Folge der Aufwertung innenstadtnaher Stadtteile einkommensschwache Bewohnerinnen und Bewohner daraus verdrängt werden (155).
Bilanz
Anschließend kommt Heinz zum Ergebnis, dass die Bemühungen der Städte, die Herausforderungen der neoliberalen Globalisierung durch eine attraktive Standortpolitik zu meistern, ambivalent sind. Zwar hätten die Direktinvestitionen ausländischer Konzerne z. B. in Städten wie Hamburg, Düsseldorf oder Frankfurt zugenommen und es ist hier auch gelungen, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und für Touristinnen interessanter zu werden (156). Die Städte könnten sich sehen lassen, doch der äußere Schein trüge vielfach: „Die Zahl derer, die sich diese Städte und ihre Angebote leisten können, wird immer kleiner.“ (157) Zudem hätten die sozialen, ökonomischen und räumlichen Spaltungstendenzen weiter zugenommen (157) und die kommunalen Schwerpunktsetzungen auf wettbewerbsorientierte Großprojekte ginge zwangsläufig mit Kürzungen und Streichungen an anderer Stelle einher, zum Beispiel bei der Unterhaltung der Schulen, wo sich immer größere Investitionslücken auftäten (158). Insgesamt stellt Heinz fest, dass die „Kompetenzen der Kommunen zur Gestaltung der Herausforderungen der neoliberalen Globalisierung und ihrer Konsequenzen“ begrenzt sind und „ihre Mittel zur Bekämpfung von sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung oft unzureichend. (...) Dem ihnen im Grundgesetzt zugestandenen Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln’ (Artikel 28, Abs. 2) können sie immer weniger nachkommen.“ (161)
Was tun?
Bei der abschließenden Frage, “wie können Kommunen von Getriebenen zu Gestaltern ihrer Entwicklung werden?“ ist Heinz eher skeptisch. Was Not täte, wäre seiner Ansicht nach ein „genereller Politik- und Paradigmenwechsel: von der vorrangigen neoliberalen Angebots- und Wettbewerbsorientierung zu einer verstärkten Ausrichtung städtischer Politiken an den Bedürfnissen und sozialen Belangen aller städtischen Bewohner und Bewohnerinnen.“ (174) Von der EU oder der Bundespolitik erwartet er dabei nichts und selbst die Ausweitung kommunaler Mitwirkungsrechte scheint ihm wenig hilfreich (176). Dagegen erhofft er sich eine Veränderung von den kommunalen Akteuren, wenn diese ihr Selbstverständnis ändern würden und „sich nicht länger als bloße Marktteilnehmer, sondern als steuernde Akteure der kommunalen Entwicklung verstehen“ würden (176).
Resümee
Werner Heinz gibt in seinem 177 Seiten starken Buch einen guten und lesenswerten Überblick über die Auswirkungen der neoliberalen Globalisierung auf Städte in Deutschland. Dass er sich dabei im Wesentlichen auf die Situation in den Großstädten beschränkt, ist der Komplexität der Sache und dem Buchumfang geschuldet. Wer sich heute mit Kommunalpolitik beschäftigt, sollte es lesen, nicht zuletzt um die kommunalpolitische Praxis besser in globale Prozesse einordnen und verstehen zu können. Einfache Rezepte, was zu tun wäre, sollten allerdings nicht erwartet werden.
Die Zahlen in Klammern verweisen auf die Seitenzahlen des Buches.
Werner Heinz: (OHN-)MÄCHTIGE Städte in Zeiten neoliberaler Globalisierung
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