Klimapolitik und soziale Ungleichheit
Soziale Ungleichheit und Klimawandel
Schon 2010 haben Richard Wilkinson und Kate Pickett den Zusammenhang zwischen neoliberalem Wettbewerb und gravierendem Umweltverbrauch durch Wachstumszwang festgestellt. Einkommensungleichheit erzeugt sozialen Druck, mit anderen mithalten zu können und dies z.B. durch den Erwerb von luxuriösen Gütern öffentlich zu demonstrieren. Für eine Wirtschaft ohne Wachstum wäre dagegen mehr Gleichheit die Voraussetzung.
Der Anteil der Reichen an der Steigerung der Erderwärmung lässt sich sowohl auf individueller als auch auf staatlicher Ebene beziffern: die reichen Staaten des globalen Nordens tragen hierzu im Vergleich zu den Entwicklungs- und Schwellenländern des globalen Südens überproportional bei. Dies ist vor allem auf die Ober- und Mittelschichten zurückzuführen, die im Süden einen wesentlich geringeren Anteil an der Bevölkerung haben.
Thomas Piketty (2022a) hat festgestellt, dass das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung zwischen 2010 und 2018 mehr Kohlendioxid ausgestoßen hat als die unteren 50 % zusammen. Besonders hoch ist der Anteil des obersten Prozents der Bevölkerung Nordamerikas (USA und Kanada), die 14 % der Gesamtemissionen ausgestoßen haben. Extrem krass ist der Beitrag der Superreichen mit ihren Superyachten. Grégory Salle (2022) hat herausgefunden, dass die 300 größten Superyachten im Jahr mehr CO2 emittieren als alle Einwohner*innen des ostafrikanischen Staates Burundi (etwa 12 Millionen) zusammen.
Der Beitrag zur Klimaerwärmung beschränkt sich jedoch nicht auf die Superreichen, sondern betrifft auch das Konsumverhalten der Mittelschicht, was man am pro Kopf - Ausstoß von CO2 sehen kann. Dieser liegt in Deutschland beim obersten Hundertstel bei 117,8 t pro Jahr, bei den oberen 10 % bei 34,1 t. Die „Mitte“ emittiert 12,2 t während die unteren 50 % nur 5,8 t pro Kopf produzieren (Ulrike Herrmann 2022). Ein häufig zitiertes Beispiel für den erhöhten Beitrag der Mittelschicht sind Kauf und Nutzung von PKWs. Während die Unterschicht sich nur kleine Fahrzeuge mit geringem CO2-Ausstoß bei der Herstellung und Nutzung leisten kann, nimmt in den höheren Einkommensklassen der Erwerb von SUVs zu, die schon durch ihr Gewicht mehr Energie verbrauchen. Dies gilt nicht nur für Verbrenner, sondern auch für Elektrofahrzeuge.
Matthias Quent et al. (2022) bezeichnen die gravierenden sozialen und internationalen Unterscheide als „strukturellen Klimarassismus“ - zum einen durch Benachteiligung der ehemals kolonialen Länder des Südens, die die schlimmsten Folgen des Klimawandels ertragen müssen – zum anderen durch Diskriminierung von Menschen. Strukturellen Rassismus gibt es deswegen nicht nur zwischen Norden und Süden, sondern auch innerhalb Deutschlands. So sind Haushalte mit niedrigem sozioökonomischem Status und Migrationshintergrund überproportional von Luftverschmutzung betroffen, weil sie sich nur Wohnungen in stark vom Verkehr belasteten Straßen leisten können.
Ebenso wie von strukturellem Rassismus kann man auch von „Klimaklassismus“ sprechen, weil diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, am meisten unter dessen Folgen leiden. Das gilt nicht nur international, sondern auch innerhalb Deutschlands, weil Armut krank macht. Davon betroffen ist nicht nur die Luft, sondern auch die Ernährung. Häufiger Konsum von billigem Fleisch ist nicht nur klima-, sondern auch gesundheitsschädlich. Deswegen sterben ärmere Menschen im Durchschnitt früher als wohlhabende.
Strukturelle Diskriminierung bleibt nicht auf Rassismus und Klassismus beschränkt, sondern betrifft z. B. auch Frauen und gebrechliche Menschen, die ebenfalls in geringerem Maße am CO2 - Ausstoß beteiligt sind, aber unter dessen Folgen verstärkt leiden. Auch Intersektionalität kommt häufig vor, z.B. arme und farbige Frauen. So kann salziges Trinkwasser durch steigenden Meeresspiegel in afrikanischen Ländern zu Frühgeburten sowie zum Tod von Müttern und Neugeborenen führen.
Zur systematischen Diskriminierung zählt auch die Reduzierung der Chancen künftiger Generationen auf Gesundheit, Freiheit, gleichwertige Lebensverhältnisse und gelingendes Leben.
Für die Beseitigung der hohen Unterschiede zwischen unterschiedlichen Einkommensklassen sind deswegen nicht nur die bekannten Vorschläge wie größere Einkommensgleichheit und höhere Steuern für hohe Einkommen und Vermögen erforderlich, sondern auch die stärkere Berücksichtigung bei der CO2 Besteuerung. Piketty (2022 b) hat hierzu für Frankreich folgenden Vorschlag einer progressiven Steuer gemacht: die unteren 50-60 % der Bevölkerung, die nur einen Ausstoß von durchschnittlich 5 t CO2 produzieren, sollen von der Steuer befreit werden. Die Priorität muss darin bestehen, diejenigen mit steigenden Steuern zur Reduktion des Ausstoßes zu bringen, die die Umwelt mit 25-100 t CO2 pro Jahr belasten.
Soziale Ungleichheit, Klimawandel und Rechtsextremismus
Größere Einkommensgleichheit ist nicht nur zur Reduktion des menschengemachten Klimawandels erforderlich, sondern auch zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, der gerade in der Klimakrise starken Auftrieb erhält. Ärmere Menschen sind von Klimawandel nicht nur wegen der oben genannten Nachteile betroffen, sondern auch deswegen, weil sie für sich vor allem Einschränkungen und nur wenige positive Perspektiven sehen. Auch die Demokratie wird von ihnen kritisch betrachtet, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab. Nur 59 % der Menschen unterhalb der Armutsgrenze finden diese Staatsform gut - 11 % weniger als in der Gesamtbevölkerung (LN 2022).
In der Literatur werden zwei rechtsradikale Tendenzen im Zusammenhang mit der Klimapolitik unterschieden: Populismus und Faschismus. Während der Populismus sich vor allem durch die Leugnung des menschengemachten Klimawandels auszeichnet, akzeptiert der Faschismus den Klimawandel, will seine Folgen aber nicht durch Reduktion des CO2 -Ausstoßes, sondern durch Rassismus bekämpfen. Gemeinsam ist beiden die Ablehnung einer Änderung des Lebensstils in den Ländern des Nordens und die Bekämpfung internationaler Solidarität.
Ebenfalls gemeinsam sind die ideologischen Hintergründe, die nach Quent et al. (2022, 162 f.) u.a. in einem Papier der neu gegründeten Organisation „World National-Conservative Movement“ niedergelegt sind: Dort heißt es, die Welt werde von Ideologien des Liberalismus, Multikulturalismus und er der Toleranz regiert. „Das alles führe zur >> Erosion der Nationen, Massenmigration aus Ländern mit fremden Zivilisationen<<, zu der >>Abkehr von der Religion, dem Ersetzen der Spiritualität durch den Materialismus, der Verarmung der Kulturen<< und zur >>Zerstörung der Familie und gesunder moralischer Werte<< durch >>Abtreibung und Propaganda der Ausschweifung und Akzeptanz sexueller Perversionen<< .
Die populistische Leugnung des Klimawandels zeichnet sich durch eine enge Verbindung mit rechtsautoritärem Neoliberalismus und insbesondere den Konzernen aus, die fossile Energien produzieren bzw. diese für die Herstellung ihrer Produkte benötigen. Wirtschaftswachstum und Profite sind für sie wichtiger als Naturerhalt und Menschenleben.
Noch problematischer als die Leugnung des menschengemachten Klimawandels ist der Ökofaschismus, der in der Tradition der völkischen Blut- und Boden - Ideologie steht und nach Quent et al. eine Verschlechterung der Lebensbedingungen vor allem durch die Bekämpfung der Überbevölkerung verhindern will. Die beste Umweltpolitik bestehe in der Abschottung gegen „Menschenüberschuss“ in Afrika (113). Es wird deswegen u.a. die Einführung einer Ein-Kind-Politik für diese Länder als noch relativ harmlose Variante verlangt. Problematischer ist der Rechtsterrorismus, der im Manifest des Attentäters von Christ - Church in Neuseeland mit der Entwicklung der Geburtenraten begründet wird. Besonders krass ist in diesem Zusammenhang die Position des finnischen Autors Pentti Linkola, der die Menschen im globalen Süden als Ursache der Probleme der Erde sieht und nach Mason (2022, 135) vor Genozid nicht zurückschreckt: „Er befürwortete die Eugenik, die nicht nur dazu dienen sollte, die >>Schwachen auszusortieren<<, sondern auch dazu, die Weltbevölkerung auf eine halbe Milliarde zu verringern, und zwar nötigenfalls durch einen genozidalen Bürgerkrieg“.
Ideologische Hintergründe sind Nietzsches Konzeption vom „Übermenschen“, der sich durch Selbstsucht und Kompetenz auszeichnet und Hitlers These, dass die menschliche Gesellschaft überall dort fehlerhaft sei, „wo sie nicht wie die Natur funktioniere, und Schwächen beseitigte“ (Mason 2022, 136). Diese rassistische Position, die gemeinsame Menschenrechte leugnet und sogenannte „minderwertige Menschen“ nicht nur an den Grenzen zurückweist, sondern vor einer Ermordung nicht zurückschreckt, muss entschieden bekämpft werden.
Handlungsmöglichkeiten gegen Klimarassismus
Wenn soziale Ungleichheit zur Abschaffung gleicher Menschenrechte führt, ist es dringend notwendig zu handeln. Erforderlich ist eine internationale Solidarität, die sich gleichermaßen für das Klima und soziale Gerechtigkeit einsetzt. Die für die nationale Ebene schon dargestellten hohen Besteuerungen für klimaschädlichen CO2 Ausstoß müssen auf nationaler und internationaler Ebene durch eine Beendigung des schrankenlosen Wachstums und des als Freiheit verklärten Profitstrebens der Reichen beendet werden. Außerdem müssen zusätzlich zu der schon auf der letzten Klimakonferenz in Ägypten beschlossenen Einrichtung weitere internationale Fonds zum Ausgleich zwischen Nord und Süd geschaffen werden, die durch progressive Besteuerung der Reichen und Superreichen und deren Ausstoß von klimaschädlichen Gasen finanziert werden.
Dabei muss auch „grüner Nationalismus“ vermieden werden, der in Fortsetzung des Kolonialismus den Ländern des Südens Klimavorschriften macht und ihre Ressourcen ohne Berücksichtigung der lokalen Probleme extrahiert.Kerem Schamberger (2022, 16) führt hierfür den Abbau von großen Kupfer - und Lithiumvorkommen in Chile an, die in Europa für den Ausbau der Elektromobilität benötigt werden und dort massive Umweltschäden anrichten. Für den Kupferabbau wurden in Chile 2019 500 Milliarden l Wasser benötigt.
Für die Durchsetzung internationaler Solidarität gegen Populismus und Faschismus in Gesellschafts - und Klimapolitik ist nach Mason (2022, 376) ein Bündnis zwischen Linken und Liberalen notwendig, für welches der liberale Politikwissenschaftler Yascha Mounk einen kontrollierten Rückzug aus dem Neoliberalismus durch „neue Wohnungsbauprogramme, einen großzügigeren Sozialstaat, ein progressives Steuersystem und >>sinnstiftende Arbeit<< vorschlägt. Damit schwenken die Liberalen auf ein Sozialprogramm ein, dass die Neoliberalen zwei Jahrzehnte lang attackiert hatten. Soziale, wirtschaftliche, ökologische und ethnische Gerechtigkeit sind für Mason die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kampf gegen Rechtsradikalismus und für internationale Solidarität. Sie sind auch die Basis für eine erfolgreiche weltweite Klimapolitik.
Literatur
Hermann, Ulrike: Party like it‘s 1978. Taz 31.12. 2022.
LN (Lüdenscheider Nachrichten): Arme Menschen blicken kritisch auf Demokratie. 25. 11. 2022
Mason, Paul: Klare, lichte Zukunft. Eine Verteidigung des Humanismus. Suhrkamp Berlin, 2019
Mason, Paul: Faschismus und wie man ihn stoppt. Edition Suhrkamp Berlin, 2022
Piketty, Thomas: Eine kurze Geschichte der Gleichheit. Beck Verlag München, 2022
Piketty, Thomas: Die Schweiz bewegt sich zu langsam. Gespräch mit Christoph Lenz. Das Magazin Nr. 34, 2022
Quent, Matthias / Richter, Christoph / Salheiser, Axel: Klimarassismus. Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende. Piper Verlag München, 2022
Salle, Grégory: Superyachten. Luxus und Stille im Kapitalozän. Suhrkamp Berlin, 2022. Zit. n. Conrads, Martin: Denkbar grotesk. Taz, 3. 12. 2022
Schamberger, Kerem: Ursache Klimakatastrophe - wie die Welt durch den globalen Kapitalismus unbewohnbar gemacht wird. Isw - Report 131, Dezember 2022, 15-20
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