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Immer-mehr und nie-genug! Eine kurze Geschichte der Ökonomie der Maßlosigkeit

Der Politikwissenschaftler und Wirtschaftspädagoge der Universität Graz Bernhard Ungericht hat in seinem 2021 veröffentlichten Buch eine Geschichte der Ökonomie der Maßlosigkeit veröffentlicht, die drei grundlegenden Fragen nachgeht: „Wie hat sich die maßlose Ökonomie herausgebildet? Wie verändert sich die Welt des Menschen durch die Ökonomie der Maßlosigkeit? Wie geht es weiter?“ (9).

Historische Entwicklung

Nach Ungericht prägte eine „Kultur des Genug“ lange Zeit das ökonomische Handeln der Menschen (12). Das Ende wurde vor 12.000 Jahren durch die „Neolitische Revolution“ (Sesshaftigkeit) eingeleitet, durch welche Land nicht mehr Gemeingut war, sondern privates Eigentum wurde. Dies führte zur Bildung von sozialen Hierarchien wie in Sumer vor 5000 Jahren mit vier gesellschaftlichen Schichten: führende Familien mit Zugang zu Ressourcen, gewöhnliche freie Personen, halbfreie abhängige Arbeiter und Sklaven (19).

Durch die Privatisierung von Land wurde die Herrschaft von Minderheiten über die ressourcenarme Mehrheit möglich. Im „Codex Hammurabi“ wurden um 1800 vor Christus in Mesopotamien Menschen erstmals nach ihrem ökonomischen Wert eingeteilt. Die dadurch entstandene Hierarchie wurde durch die Erfindung von „Herrschaftsgöttern“ legitimiert, die dadurch erweitert wurde, dass sich Könige selbst zu Göttern ernannten (25).

In der griechischen Antike und im Römischen Reich wurde der Aufstieg der maßlosen Ökonomie fortgesetzt. Wichtiges Instrument war die Einführung von Münzgeld. Dies wurde vor allem für die militärische Expansion und die Ausweitung der Repression nach innen benötigt, weil Soldaten und Staatsdiener anders nur schwer entlohnbar waren. Zur Ausweitung des Militärs zählte ab 500 vor Christus auch der Schutz des Seehandels gegen Phönizier und Perser. „Diese unheilvolle Allianz von maßloser Ökonomie und Militär zieht sich als tödliche Spur durch alle Epochen“ (32). Der römische Expansionsmilitarismus ist hierfür ein wichtiges Beispiel.

Die gesellschaftliche Schichtung wurde auch durch das römische Recht vorangetrieben, in dessen Zentrum ein radikales Verständnis von Privateigentum stand. Das „Recht an der Sache“ bestand darin, dass der Eigentümer keine Rücksicht auf das Wohl anderer nehmen musste.
Zum Erbe der Antike gehört unter anderem, dass eine kleine Elite der Mehrheit ihren Willen aufzwingen konnte. Zudem prägte das Verständnis von Eigentum und Besitz die Konzeption von Freiheit, die nicht in der Freiheit von der Macht anderer, sondern in der Freiheit über etwas oder jemanden bestand (45).

Die Ökonomie der Maßlosigkeit blieb nicht ohne Kritik: „Jesus verurteilte die neue Zivilisation des Mammon und stellte diesem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gegenüber“ (45).
Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches verlor auch die Geldökonomie an Bedeutung. Dies änderte sich erst wieder, als gegen Ende des zwölften Jahrhunderts atemberaubende Kathedralen errichtet worden, für welche viel Material und Arbeitskraft benötigt wurden. Ein zweiter wichtiger Impuls für die Wiedereinführung der Münzwirtschaft waren die Kreuzzüge, für welche die Kreuzfahrer ihr Vermögen ebenfalls in Geld verwandeln mussten. Durch die Eroberung von Konstantinopel standen erhebliche Mengen an Gold und Silber für weitere militärisch-ökonomische Unternehmen zur Verfügung. In der Folgezeit verlangten auch die Grundbesitzer von den abhängigen Bauern deshalb wieder Geldabgaben statt Naturalien. Für die Gewährung großer Kredite wurden in dieser Zeit vor allem die italienischen Bankiers und Händlerclans angesprochen.

Auch die Kirche als stabilste Machtinstitution des Mittelalters änderte sich durch die Ökonomisierung. Sie wechselte ihren Pakt vom Feudalismus zum Kapitalismus. Neben der Erhebung des Zehnten von allen Gläubigen wurde das Fegefeuer eine profitable Idee: das Gewissen der Sünder konnte durch die Berücksichtigung der Kirche im Testament entlastet und so das Fegefeuer verkürzt werden. Nachdem die Kirche lange Zeit Gier und Habsucht als Sünde verurteilt hatte, ließ sie nun diejenigen als Ketzer verbrennen, die von den Reichen forderten, ihren Reichtum mit anderen zu teilen.

In der Neuzeit wird die Ökonomie der Maßlosigkeit erstmals global. Im Unterschied zu den Chinesen, die kein Interesse an der Eroberung und Plünderung von Land hatten, trieb die ökonomische Gier die Europäer dazu, die Welt zu erobern. Während die europäischen Mächte um 1500 noch etwa 7 % der Welt beherrschten, waren es 1770 schon 35 %. Die insbesondere durch die Schuldenlogik angetriebene Gier wurde zudem religiös gerechtfertigt. Von den ursprünglich 50 Millionen Indigenen in Mittel- und Südamerika lebten um 1600 nur noch 3 Millionen. Die meisten Priester und Eroberer waren davon überzeugt, dass diese Vernichtung Gottes Wille sei.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich diese Politik durch die Regierung Roosevelt in den USA und die meisten europäischen Nachkriegsregierungen, die ebenso wie die Erstarkung der Gewerkschaften die Macht der Konzerne begrenzten. Spätestens durch die neoliberale Politik seit 1990er Jahren wuchs deren Einfluss jedoch wieder. Noam Chomsky bezeichnete Kapitalgesellschaften „als institutionelle Monster, die nur einer Intention folgen: der Vermehrung des eingesetzten Kapitals“ (91). Als Beispiel wird die Eroberung Bengalens durch die Briten angeführt, in deren Folge zwischen 1769 und 1773 10 Millionen Menschen verhungerten, weil die Anbaufläche für Nahrungspflanzen um 50 % reduziert wurde, um im Interesse der Londoner Aktionäre Ackerflächen für Exportgüter wie Schlafmohn zu erhalten.

Zur Steigerung der Profitabilität hat auch die Wissenschaft auf unterschiedlichen Ebenen ihren Beitrag geleistet. Dazu zählte auch die Legitimierung des brutalen Wettbewerbs, indem sie das „Recht des Stärkeren“ als natürlichen Auslesemechanismus zur Höherentwicklung definierte. Als Beispiel wird die rassistische Überlegenheitstheorie der Europäer angeführt, die dazu diente, Unterdrückung und Ausbeutung bis zur Ausrottung anderer Ethnien zu rechtfertigen. Mindestens ebenso problematisch war die industrielle Entwicklung von Mordwerkzeugen während des Ersten und Zweiten Weltkriegs mit dem Höhepunkt der Atombombe. „Nicht die Beseitigung von Hunger, Krankheit und Krieg oder die Frage, wie eine gute Gesellschaft aussehen könnte, war das bislang größte wissenschaftliche Projekt der Menschheit, sondern eine Bombe die Hunderttausende in den Tod riss“ (106).

Auch die ideologische Verklärung des ökonomischen Wachstums als Motor des Fortschritts zählt zu den problematischen Beiträgen der Wissenschaft.
Die Globalisierung der maßlosen Ökonomie wurde im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts durch den Abbau von Zöllen vorangetrieben. Dadurch wurde ein Strukturwandel eingeleitet, der Billiglohnarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse nicht auf die Länder des Südens beschränkte, sondern auch auf die Industrienationen ausdehnte.

Mit Beginn der Neuzeit explodierte die Gewalt, weil die Eliten einen steigenden Finanzbedarf wegen der Konkurrenz um die Arbeitskraft und die Erträge der Bauern hatten und deswegen Söldnerheere etabliert wurden. Die Gewaltexplosion beschränkte sich jedoch nicht auf militärische Gewalt, sondern führte innerhalb der Gesellschaft zu massenhafter Zunahme von unfreiwilliger Arbeit. Diese innere Gewalt der Eliten führte nach dem Ersten Weltkrieg zu faschistischen Optionen und findet sich heute in antidemokratischen Organisationen wie privaten Wirtschaft-Schiedsgerichten wieder.

Weitere Einschränkungen erfährt die Demokratie heute durch die „marktkonforme Demokratie“, die nichts anderes bedeutet als ein System, das die Interessen der neuen Geldherren an die erste Stelle setzt (118 f.). Dies ist eine Refeudalisierung der Gesellschaft mit dem Unterschied, dass es nicht wie früher die Gutsherren, sondern die Geldherren sind, die die Rechte der Bevölkerungsmehrheit einschränken. Bekämpfung sozialer Ungleichheit wird als freiheitsgefährdender Eingriff verdammt.

Maßloser Konsum hat zu einem „imperialen Lebensstil“ geführt, der sich die dazu nötigen Ressourcen in den Ländern des Südens aneignet. So beansprucht Deutschland durch den Agrarhandel 5 Millionen Hektar im Ausland, die vor allem für den Sojaanbau genutzt werden (157).

Ungericht fasst die fünftausendjährige Geschichte der maßlosen Ökonomie seit dem Altertum wie folgt zusammen: zentrale Elemente sind der Drang zum Immer-mehr, zur Expansion und die Unterdrückung aller gemeinwirtschaftlichen Formen des Wirtschaftens. Das Erbe der Antike ist die Erfindung der Münzgeldwirtschaft und eine radikale Vorstellung von Eigentum mit einem entsprechenden Eigentumsrecht (161). Das Mittelalter brachte die neuen Geldmenschen: Kaufleute und Bankiers hervor. In der Neuzeit nahm die Ökonomie der Maßlosigkeit globale Dimensionen an, die zur systematischen Unterdrückung von Völkern führte (161).

Die Verwandlung des Menschen

Die Verwandlung des Menschen durch elitenfreundliche Vorstellungen hat dazu geführt, dass der erfolgreiche Mensch auf zwei wesentliche Merkmale reduziert wird: „seinen absoluten Willen zum Mehr und sein empathiefreies Kalkül…“ (164). Sein zentrales Anliegen ist der in Geld ausgedrückte Profit.

Die meiste Zeit seiner 200.000-jährigen Geschichte sah der Mensch sich nicht als konkurrierendes Individuum, sondern als ein an moralische Regeln gebundenes Mitglied des Gemeinwesens. Die Wandlung seit dem Mittelalter führte dazu, dass nicht mehr christliche Nächstenliebe und die Versorgung mit dem Notwendigen im Mittelpunkt standen, sondern der monetäre Profit, der im Unterschied zu konkreten Gütern wie Vieh oder Land unbegrenzt maximierbar erscheint. Geld wird nicht gehortet, sondern als Kapital eingesetzt, um noch mehr Geld zu bekommen (169).

Der Wille zum immer mehr fand auch Eingang in die christliche Religion. Als Beispiel wird der Ablasshandel genannt, gegen den Martin Luther wegen der Käuflichkeit des Heils Stellung bezog.

Die um 1520 begonnene Wirtschaftswissenschaft ist eine Wissenschaft für die Elite. Das wird durch ein Zitat von Bernard de Mandeville (1670-1733) deutlich: „Seine provozierende These: Nicht die Tugenden sind die Quelle des Gemeinwohls, sondern die Laster. Persönliche Tugenden wie Genügsamkeit oder Friedfertigkeit wären für den Fortschritt und die Prosperität der Gesellschaft weniger förderlich als Luxus, Verschwendung, Krieg und Ausbeutung“ (181).
Mit der Wirtschaftswissenschaft hat auch der Aufstieg des quantitativen Denkens begonnen. Einen wichtigen Beitrag hierzu hat die schnelle Verbreitung der mechanischen Uhr geleistet, wodurch die Arbeitszeiten der Beschäftigten kontrolliert werden konnten.

Die Herrschaft der Eliten wird vor allem durch die soziale Ausgrenzung von Menschen deutlich, die über keine Kaufkraft verfügen oder deren Arbeitskraft nicht gefragt ist. Nach von Hayek werden die Armen durch das Vorbild der Reichen zum ökonomischen Handeln motiviert. „Die gesellschaftliche Ungleichheit nütze langfristig den Armen. Die „faulen Armen“ würden einerseits durch bloße Not erzogen und gezwungen, sich anzustrengen und hätten andererseits als zukünftige Verheißung den Lebensstil der Reichen vor Augen“ (223). Soziale Gerechtigkeit hält er für einen quasi-religiösen Aberglauben, der die Zivilisation bedrohe.

George Herbert Walls (1866-1946) sieht Armut und Hunger nicht nur als gerechte Strafe für „Minderwertige“: „Wenn die Minderwertigkeit einer Rasse demonstriert werden kann, dann gibt es nur eines… zu tun - und dies ist sie auszurotten“ (210).

Drei neue Erzählungen werden aus historischen Leitbildern abgeleitet: „das Bild einer unerschöpflichen und grenzenlos ausbeuteten Natur, die Idee vom Fortschritt und das Bild von Menschen als ein natürlicherweise egoistisches, habgieriges Individuum“ (226). Als besonders problematisch hat sich die Vorstellung einer grenzenlos ausbeutbaren Natur erwiesen, die noch immer mit der Vorstellung verbunden ist, dass durch die Zunahme des Reichtums künftige Generationen die ökologischen Schäden leichter beheben können: „Ästhetische und ethische Maßstäbe ökonomischen Handelns werden ausgeblendet, das Mitgefühl mit den anderen wird unterdrückt und die Zukunft, die den nachkommenden Generationen gehört, schrumpft auf einen kalkulierbaren Investitionshorizont“ (239).

Ungericht konstatiert eine „verrückte Welt“, die er wie folgt definiert: „Weil wir als Gesellschaft nicht gelernt haben, uns über die gesellschaftlichen Ziele zu verständigen, wurde Wirtschaft von Instrument zum Selbstzweck, vom Objekt menschlicher Gestaltung zum Sachzwang, vom Versprechen auf das gute Leben zum drohenden Desaster“ (241).

Scheidewege – wie wird es weitergehen?

Ebenso wie in der Vergangenheit wird auch künftiger Wandel Elitenmacht, Repression und Expansionismus nicht antasten, wenn mögliche dystopische Entwicklungen realisiert werden. Hierzu gehört die Plünderung der Ressourcen des Weltalls, die sowohl von Regierungen als auch von Unternehmen intensiv geplant wird. Eine wichtige Perspektive des Immer-mehr zielt auf die Änderung des Menschen ab, dessen Körper, Gehirn, Psyche und Gene optimiert werden sollen. Das könnte zu einer Veränderung der DNA führen, die es Eltern ermöglicht, besonders intelligente Kinder zu bekommen, die im gesellschaftlichen Wettbewerb dadurch Vorteile erlangen. Auf der anderen Seite könnte eine für die Ökonomie nutzlose Klasse entstehen, die um ihre Existenzberechtigung fürchten muss.

Des Weiteren ist eine Verschärfung der ohnehin schon bekannten Kontrollmöglichkeiten zu erwarten, die Menschen zu Arbeit, Kauf oder politischen Entscheidungen führen. Die in China schon übliche Steuerung des Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen, Reisemöglichkeiten, Ausbildungen und Berufswahl durch die im Sozialtraining erreichte Punktzahl könnte insbesondere durch die künstliche Intelligenz erheblich verschärft werden. Besonders schlimm wäre die Weiterentwicklung von Gewalttechnologien wie Killerroboter.

Die KI kann auch einen wesentlichen Beitrag zur „technologischen Optimierung“ des Menschen leisten, wenn sie mit der Biotechnologie verbunden wird. „Supercomputer sollen in Zukunft die synaptische Struktur des Gehirns scannen und in ein elektronisches Medium implementieren“ (276). Ziel könnte die Abschaffung psychischen Leidens durch die Ausstreuung von Glückshormonen direkt im Gehirn sein. Ebenso könnten körperliche Beschränkungen aufgehoben werden. Selbst Unsterblichkeit wird nicht mehr ausgeschlossen.
„Zukünftig könnte sich die Menschheit göttlich wähnen, weil sie selbst in der Lage ist, einen Techno-Gott – eine vermeintlich allwissende und allmächtige KI – zu erschaffen“ (280).

Pfadwechsel

Voraussetzungen für einen Pfadwechsel sind „fundamentale Veränderungen in vier zentralen Dimensionen unseres Zusammenwirkens: der politischen, ökonomischen, technologischen und kulturellen“ (283). Auf politischer Ebene muss die Elitenmacht beschränkt werden, um die Spaltung der Gesellschaft in eine reiche und eine zunehmend ärmer werdende Gesellschaftsschicht zu beenden. Nur wenn diese Beschränkung gelingt, kann ein ökonomisches System entwickelt werden, dass anstelle des Profitwachstums eine solidarische Welt-Innenpolitik stellt.

An die Stelle der auf Wachstum und Profitabilität ausgerichteten muss eine Technologie treten, welche die psychologischen, sozialen und materiellen Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt stellt und auf dezentrale und lokale Märkte ausgerichtet ist.
Für die Erhaltung der Welt wäre kulturell ein Lebensstil erforderlich, der den Ressourcenverbrauch des Westens um 90 % senkt. Dies kann nur durch eine Kultur der Genügsamkeit und der Solidarität mit den schlechter gestellten Menschen sowie eine Kultur des Mitgefühls für alles Leben auf dem Planeten geschehen (290).

Bei der Antwort auf die Frage, ob dieser notwendige Wechsel geschehen wird, ist Ungericht skeptisch. Da wir aber die Wahl haben, könnten wir „uns dafür entscheiden, neu zu beantworten, wer wir sein wollen und was ein gutes Leben ausmacht“ (292).

Diskussion

Ungerichts Analyse der Ökonomie der Maßlosigkeit sorgt in vielen Bereichen für eine Änderung der Sichtweise. Vielfach bewunderte Denkmäler wie Paläste und Kathedralen haben nicht nur einen kulturellen Wert, sondern auch problematische ökonomische Implikationen im Materialverbrauch und Ausbeutung von Arbeitskraft.

Ein zentrales Element ist die mit dem Ende der solidarischen Gemeinschaft von Jägern und Sammlern begonnene Hierarchisierung der auf Eigentum basierenden Ökonomie. Die dadurch entstandene soziale Ungleichheit ist ein bis heute andauerndes Problem, dass zwar zahlreiche Wandlungen erlebt hat, aber für viele soziale Schieflagen wie Gefährdung sozialer Dienste, demokratischer Rechte und Rassismus verantwortlich ist. Hierzu tragen vor allem die Rechtfertigungsideologien bei, die im Laufe der Geschichte entwickelt wurden, um die Macht der feudalen und ökonomischen Eliten aufrecht zu erhalten. Besonders krass äußert sich das im Umgang mit Armen, die schon vor Beginn der neoliberalen Ideologie als minderwertig eingestuft und der Ausrottung preisgegeben wurden.

Gegenteilige ethische Prinzipien wie die von Jesus geforderte Gerechtigkeit haben zwar immer Gegenbewegungen gegen die Ideologie der Ungleichheit hervorgerufen und zu partiellen Einführungen von demokratischer Gleichwertigkeit geführt, konnten sich aber nie vollständig durchsetzen.

Besonders problematisch sind die zahlreichen Kriege, die im Interesse des „Immer-mehr“  durchgeführt wurden und werden. Dies gilt nicht nur für koloniale Eroberungen, sondern auch für gegenwärtige Auseinandersetzungen, die mit Hilfe nationalistischer Ideologien eigene Vorteile und Unterdrückung anderer rechtfertigen.

Die von Ungericht aufgezeigten Perspektiven der Ökonomie der Maßlosigkeit wie die Eroberung des Weltalls und die „Optimierung“ des Menschen durch medizinisch-technische Eingriffe werden die soziale Ungleichheit nicht reduzieren, sondern verschärfen.

Umso wichtiger ist es, dass jetzt Maßnahmen im Sinne des von ihm vorgeschlagenen Pfadwechsels in Politik, Ökonomie, Technologie und Kultur einzuleiten. Notwendig sind hierzu sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich der Abbau von hierarchischer Diskriminierung und die Entwicklung einer Kultur des Mitgefühls und der Solidarität. Seine Forderung nach Einführung eines Lebensstils, der anstelle des „Immer-mehr“ den Ressourcenverbrauch des Westens senkt und Solidarität mit allen Menschen und Völkern umsetzt, kann deswegen nur unterstützt werden.

Ungericht, Bernhard: Immer-mehr und nie-genug! Eine kurze Geschichte der Ökonomie der Maßlosigkeit. Metropolis-Verlag, Marburg 2021


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