Fliegen: Klimaschädlich und sozial ungerecht
Fliegen ist billig, weil es staatlich subventioniert ist
Fliegen ist unter anderem deshalb so billig, weil Kerosins von der Energiesteuer befreit ist und internationale Flüge zudem von der Mehrwertsteuer. Nach Berechnungen des Bundesumweltamt entgehen dem deutschen Staat dadurch jährlich mehr als 12 Milliarden Euro. Zwischen 2010 und 2018 sind die Fahrpreise im Schienenverkehr um 16 Prozent gestiegen, im Flugverkehr nur um 2 Prozent. Dies liegt auch daran, dass die Schiene der Energiesteuer, der EEG-Umlage, 19 Prozent Mehrwertsteuer (seit 2019 nur noch 7 Prozent) und zu 100 Prozent kostenpflichtigen CO2-Zertifikaten unterliegt. Der Flugsektor zahlt keine Kerosinsteuer, keinen Energiewendebeitrag, nur 6 Prozent kostenpflichtige CO2-Zertifikate und keine Mehrwertsteuern auf internationale Flüge. Nicht nur direkt werden Flüge in Deutschland subventioniert, sondern auch die Fluginfrastruktur in Form von Flughäfen. Zwölf der 14 kleineren Regionalflughäfen sind nicht wirtschaftlich und waren schon vor der Corona-Pandemie von zahlreichen staatlichen Hilfen abhängig. Das Bundesumweltamt summiert die Subventionen für das Jahr 2018 für die 14 Regionalflughäfen aus öffentlichen Kassen auf mindestens 40 Millionen EURO. Die Summe setzt sich zusammen aus Betriebskostenzuschüssen (12,7 Millionen EURO), Verlustübernahme (26,7 Millionen EURO) und Investitionszuschüssen (0,5 Millionen EURO).
Flugreisen sind unsozial
Die hochsubventionierten Flugreisen sind nicht nur klimaschädlich und ökonomisch unsinnig, sondern auch unsozial. Denn von den Subventionen profitieren in erster Linie diejenigen, die wirtschaftlich und sozial bessergestellt sind. Dies gilt im nationalen und europäischen Rahmen und noch mehr auf globaler Ebene.
Wir werden in eine soziale Lage hineingeboren, aus der wir es in den allermeisten Fällen ein Leben lang nicht schaffen heraus zu kommen. Von Geburt an sind wir unterschiedlich mit Geld, Bildungschancen und sozialen Beziehungen ausgestattet. Aber auch der Pass und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder dem Geschlecht spielen für unser weitere Leben eine dominierende Rolle. Und insofern bestimmt die soziale Lage, in die wir hineingeboren werden auch im hohen Maße darüber mit, wie mobil wir sein können und ob wir von Subventionen für den Flugverkehr profitieren oder nicht.
Laut einer Zusammenfassung des Ökoinstitutes fliegen pro Jahr nur ungefähr drei Prozent aller Menschen. Während vielfliegende Menschen über hundert Flüge pro Jahr machen, hat der überwiegende Teil der Menschheit noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung ist für ungefähr 50 Prozent der Emissionen aus dem Luftverkehr verantwortlich und eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass Menschen mit höheren Einkommen im Vergleich zu Menschen mit niedrigen Einkommen überproportional häufig fliegen.
90 Prozent der weltweiten Fluggäste stammen laut einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) von 2019 aus der Oberschicht und der oberen Mittelschicht. Die niedrigen Einkommen und die untere Mittelschicht sind mit nur zehn Prozent am Flugverkehr beteiligt, obwohl sie 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Oft wird so getan, als habe die Globalisierung dazu geführt, dass heute alle viel mobiler sind als früher. Wie falsch diese Einschätzung ist, lässt sich in Sortiermaschinen von Steffen Mau nachlesen. Während sie für die mit dem richtigen Pass und ausreichend Geld eine schier unbegrenzte Mobilität ermöglicht, schließt sie die mit dem falschen Pass und fehlendem Geld aus. „Der kosmopolitische Tourist und der in ein Lager eingesperrte irreguläre Migrant sind letztendlich die zwei Gesichter der Globalisierung, die untrennbar zusammengehören – Öffnungs- und Schließungsglobalisierung, Mobilität und Immobilität, müssen in ihrer kausalen Verbundenheit verstanden werden.“ (Mau 2021, S 164) Und während Menschen mit einem Pass aus Deutschland, Frankreich, Spanien in über 180 Länder ohne ein Visum reisen können, gilt das für Menschen aus Nepal (38), Somalia (32) oder Afghanistan (26) für deutlich weniger Länder. Reisefreiheit ist faktisch nach wie vor kein globales Menschenrecht, sondern eine Frage des Geldes und des Passes. Und Menschen mit „starken“ Pässen wohnen überwiegend in den Ländern des Nordens. Damit setzen sich auch bei der Mobilität imperiale Strukturen fort.
Ärmere und einkommensschwache Menschen fliegen nicht nur nicht oder selten, sie haben in der Regel auch stärker unter den Folgen des Flugverkehrs zu leiden. Sie haben weniger Ressourcen, um sich gegen die Folgen der Klimaveränderung zu schützen, sind weniger mobil und wohnen eher in Gegenden, die durch Fluglärm belastet sind oder in Ländern, die von der Klimakrise besonders betroffen sind.
Flugverkehr regulieren und sozial gestalten
Wenn eh nur eher Wohlhabende fliegen, dann kann doch einfach der Preis für Flugreisen erhöht werden, so wird oft argumentiert. Klimaschädliches Tun nur teurer zu machen führt allerdings dazu, dass es sich eine Minderheit weiter leisten kann ohne Rücksicht auf die Klimafolgen nehmen zu müssen. Trotzdem ist es richtig, alle Subventionen des Luftverkehrs sofort einzustellen. Das Geld sollte dafür verwandt werden, den öffentlichen Verkehr auszubauen. Zudem bedarf es aber auch einer Regulierung des Flugverkehrs.
Ultra-Kurzstreckenflüge mit angemessener Bahnalternative, beispielweise Flüge von Düsseldorf nach Berlin, sollten sofort eingestellt werden. Die Hälfte aller Kurzstreckenflüge in Deutschland und viele Flüge in benachbarte Länder können ohne Komfortverlust durch die Bahn ersetzt werden, weil die Flugziele innerhalb von etwa vier Stunden per Zug erreicht werden können. Die Verkehrsrechte für solche Flüge können auf Grundlage der EU-Luftfahrtverordnung 1008/2008 entzogen werden. Der Artikel 20 (Umweltschutzmaßnahmen) legt fest, dass „im Fall von schwerwiegenden Umweltproblemen“ der zuständige Mitgliedstaat „die Ausübung von Verkehrsrechten einschränken oder verweigern“ kann, „insbesondere wenn andere Verkehrsträger Verkehrsdienste in angemessenem Umfang zur Verfügung stellen.“ Und dies ist vor allem bei Ultrakurzstreckenflügen in der Regel der Fall. 1,6 Millionen Tonnen CO2 können dadurch pro Jahr eingespart werden.
Durch eine Verbesserung der Bahnverbindungen können auch Strecken bis 600 km ohne Komfortverlust ersetzt werden. Durch den Ausbau des europäischen Nachzugnetzes ließen sich die Alternativen zum Fliegen auch auf weitere Strecken ausbauen. Es braucht einen sozial-ökologischen Ausbau des Bahnverkehrs in Deutschland und Europa mit mehr attraktiven und günstigen Bahnverbindungen, vernünftigen Investitionen in das Schienennetz, vermehrter Elektrifizierung, neuen Nachtzugverbindungen und verbesserten Taktungen (Deutschlandtakt), sowie der Entwicklung eines europäischen Netzes schneller Zugverbindungen.
Sofort ändern ließe sich auch das Bundesreisekostengesetz, das Dienstreisen regelt. Dienstreisen per Kurzstreckenflug dürften nicht länger zulässig sein. Die Einschränkungen während der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass sich viele Dienstreise durch Videokonferenzen ersetzen lassen. Hier ließe sich in vielen Fällen ansetzen und Dienstreisen reduzieren.
Als Einstieg in eine Politik der drastischen Reduzierung des Flugverkehrs fordert die Kampagne Züge statt Flüge, in der auch Attac aktiv ist:
• Ultra-Kurzstreckenflüge mit Bahnalternative bis 4 Stunden sofort abzuschaffen!
• Im Bundesreisekostengesetz Kurzstreckenflüge zu untersagen!
• Klimaschädliche Subventionen für den Flugsektor zu stoppen und die Bahn zu stärken!
Auch nach einem Ausbau des Bahnnetzes wird es noch Reisen geben, die am vernünftigsten mit dem Flugzeug durchgeführt werden. Zum Beispiel, wenn Migrant*innen die Familie in ihrer Heimat besuchen wollen und dafür weite Strecken zurücklegen müssen. Eine extreme Verteuerung könnte hier zu ungewollten soziale Folgen führen. Hier wäre es die gerechteste Lösung Kontingente einzuführen, um einen sozial gerechte Mobilität für alle zu gewährleisten.
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