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Die Entsenderichtlinie – ein sozialeres Europa?

Nachdem die sogenannte Entsenderichtlinie im Jahr 2018 reformiert wurde, riefen Polen und Ungarn gegen diese Änderungen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an – und blieben dabei erfolglos, denn das Gericht wies die Klagen der Republiken ab. Was ist unter einer Entsendung zu verstehen und welche Bedeutung kommt den Urteilen aus dem Dezember zu?

Die Entsenderichtlinie aus 1996

Der Austausch von Dienstleistungen ist ein essenzieller Bestandteil des gemeinsamen Binnenmarktes der Europäischen Union. Dieser führt dazu, dass Dienst- und Werkverträge auch grenzübergreifend geschlossen werden; schließlich werden Arbeitnehmer*innen in andere Mitgliedstaaten entsandt und erfüllen dort zivilrechtliche Verbindlichkeiten ihres*r Arbeitgebersin. Problematisch erwies sich in diesem Zusammenhang, dass bestehende Lohnunterschiede ausgenutzt wurden; durch die niedrigen Lohnkosten in einigen Mitgliedstaaten versuchten Unternehmer*innen, für sie lukrative Wettbewerbsbedingungen zu eigenen Vorteilen auszunutzen. Vor rund 20 Jahren hat die Europäische Gemeinschaft die Richtlinie 96/71/EG, die sogenannte Entsenderichtlinie, verabschiedet. Damit sollte nicht ausschließlich das Arbeitsrecht des Entsendestaates, sondern in gewissen Teilen die Bestimmungen des Empfängerstaates gelten.

So ist unter einer Entsendung generell zu verstehen, dass Arbeitgeber*innen Arbeitnehmer*innen in andere Mitgliedstaaten schicken, damit diese dort Arbeitsleistungen im Rahmen eines entsprechenden Vertrages erbringen. Hierfür bestehen nach der Richtlinie (Art. 1 Abs. 3 Buchstaben a bis c) drei Möglichkeiten:

  • Eine direkte, grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung liegt etwa vor, wenn die Arbeitnehmer*innen eines italienischen Unternehmens ein Bauwerk auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland errichtet.
  • Eine andere Form ist die unternehmensinterne Entsendung, bei welcher innerhalb international agierender Konzerne Arbeitnehmer*innen zu Niederlassungen geschickt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union liegen: ein Konzern mit Niederlassungen in Deutschland und Italien entsendet eine Arbeitnehmer*in aus Italien in eine deutsche Niederlassung.
  • Die Entsenderichtlinie erfasst schließlich auch den grenzüberschreitenden Einsatz von Leiharbeitnehmer*innen.

Da es sich dabei um eine Richtlinie handelt, waren die Mitgliedstaaten seiner Zeit binnen einer bestimmten Frist verpflichtet, die Richtlinie in eigenes nationales Recht umzusetzen. Entsendete sollten durch die Richtlinie unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis geltende Recht einen „harten Kern“ derjenigen Beschäftigungsbedingungen erfahren, welcher in demjenigen Staat gilt, in den die Beschäftigen entsandt wurden. Nicht entscheidend sollte damit bezüglich dieser Inhalte sein, in welchem Mitgliedstaat der die Arbeitnehmer*in tatsächlich ansässig ist. Inhalte der Richtlinie waren etwa Regelungen über den Schutz der Gesundheit, Hygienevorschriften sowie die Sicherheit der Arbeitnehmerinnen am jeweiligen Arbeitsplatz, die Gleichbehandlung von Mann und Frau, Regelungen zur Mindestruhe- bzw. Höchstarbeitszeit sowie zu vergüteten Mindestjahresurlaubszeiten. Der wichtigste Aspekt der Richtlinie ist die Entlohnung von Arbeitnehmerinnen. Gemäß der im Jahr 1996 erlassenen Richtlinie war insbesondere die Einhaltung der Mindestentgeltsätze, also die Einhaltung des Mindestlohns verbindlich.

Entsprechend ihrer Inhalte zielte die Richtlinie auf die Wahrung lokaler Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und ihren Schutz ab, außerdem sollten gerechte Wettbewerbsbedingungen hergestellt und gewährleistet werden; es sollte dem Missbrauch unterschiedlicher Lohnniveaus innerhalb der Union begegnet werden.

Als problematisch erwies sich in diesem Zusammenhang allerdings, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Richtlinie nicht in allen Mitgliedstaaten der Union ein gesetzlicher Mindestlohn existierte. So wurde der Mindestlohn in Deutschland erst im Jahr 2014 eingeführt, ehe er zum 1. Januar 2015 in Kraft trat. Um dennoch faire Arbeitsentlohnung für Entsendete zu erzielen, versuchten einige Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland, ein bestimmtes Lohnniveau durch Tarifverträge zu erzielen, die jedenfalls bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Unternehmen und Subunternehmen verbindlich sein sollten.

Das Rüffert-Urteil aus 2008

Im Rüffert-Urteil (EuGH, Rs. C-346/06) stellte der Europäische Gerichtshof im Wege eines Vorlageverfahrens fest, dass die schriftlich fixierte und sanktionsbewährte vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung von nicht verbindlichen Tarifverträgen nicht EU-rechtskonform ist.

Was war geschehen? Bei dem Bau einer Justizvollzugsanstalt erteilte das Land Niedersachsen im Jahr 2003 einem Unternehmen den Auftrag für Rohbauarbeiten. Im Vertrag wurde schriftlich fixiert, dass Bauaufträge nur an solche Subunternehmer zu vergeben seien, die Arbeitnehmer*innen nach den im Tarifvertrag geltenden Lohnsätzen entlohnen (sog. Tariftreueklausel). Sollte sich der Unternehmer nicht daran halten, sei eine Vertragsstrafe zu entrichten. Das sodann zur Bauausführung eingesetzte polnische Unternehmen stand unter dem Verdacht, die insgesamt 53 Arbeitnehmerinnen nicht nach den im Tarifvertrag für das Land Niedersachsen geltenden Lohnsätzen entlohnt zu haben. Der Tarifvertrag im Bausektor war im Land Niedersachsen nach dem Landesvergaberecht nicht für allgemein verbindlich erklärt worden. Als das Bundesland schließlich die Zahlung der Vertragsstrafe gerichtlich geltend machte, setzte das OLG Celle das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Tariftreueklausel im Einklang mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht steht. Es befürchtete einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit aus dem damaligen Art. 49 EG.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte im Wege eines Vorlageverfahrens aus Art. 234 EG fest, dass mit dem Gemeinschaftsrecht, namentlich mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar sei, wenn ein öffentlichen Auftraggeber mittels einer gesetzlichen Maßnahme verpflichtet würde, die entsprechenden Aufträge zur Erbringung von Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, welche sanktionsbewährt zur Einhaltung von Tarifverträgen verpflichtet seien. Aus Sicht des EuGH im Jahr 2008 beschränke eine sanktionsbewährte Tariftreueklausel die Dienstleistungsfreiheit, denn sie sei jedenfalls dazu geeignet, den freien Austausch von Dienstleistungen im Gebiet der Europäischen Union „weniger attraktiv“ erscheinen zu lassen. Nach ständiger Rechtsprechung sei daher ein zwingender Grund des Allgemeininteresses erforderlich, um die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Ein solcher zwingender Grund des Allgemeininteresses sei jedenfalls nicht „in der [Abhängigkeit der] Leistungsfähigkeit des Sozialversicherungssystems vom Lohnniveau für die Arbeitnehmer“ erkennbar. Ein solcher rechtfertigender Grund sei die Verhinderung „eine[r] erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit“. Eine solche sei im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.

Mit dem Rüffert-Urteil hat der EuGH die verbindliche Anwendung auch von Tarifverträgen, die nicht im gesamten Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats flächendeckend gelten, als unvereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit erklärt und in ihr ein Hindernis gesehen, das vor dem Hintergrund dieser Grundfreiheit nicht zu rechtfertigen sei. Dies führte dazu, dass bis zur Reform der Entsenderichtlinie im Jahr 2018 nur insgesamt 15 Tarifverträge für entsandte Arbeitnehmer*innen in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden waren, wenn sie für allgemeinverbindlich erklärt worden waren.

Die Gewerkschaften kritisierten das Urteil scharf: Die restriktive Auslegung der Dienstleistungsfreiheit wurde als harter Schlag für die Tariftreue gewertet. Zusammen mit den Urteilen Laval (Rs. C-341/05) und Viking (Rs. C-438/05) löste das Urteil in vielen Mitgliedstaaten der Union eine Debatte über die soziale Verfasstheit Europas aus. In beiden Fällen ordnete der EuGH gewerkschaftliche Aktionsfreiheit, in diesem Fall auch das Streikrecht mit dem Ziel der Verteidigung eines höheren Lohnniveaus, den Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes nach. Es wurde in der Folge befürchtet, die Grundfreiheiten seien schrankenlos gewährleistet, auch wenn sie zum Sozialdumping führen.

Erst im Jahr 2015 war eine erste Relativierung des Rüffert-Urteils in der Rechtsprechung des EuGH erkennbar: als das rheinland-pfälzische Landesvergabegesetz vom EuGH einer Prüfung auf seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht unterzogen wurde, erklärte der EuGH die verbindliche Einhaltungspflicht der Tariflöhne als unionsrechtskonform. Grund hierfür sei allerdings, dass der Tariflohn in diesem Gesetz – anders als im Rüffert-Urteil – für „allgemein verbindlich“, das heißt branchenunabhängig und allgemein galt. Hieran habe es im Rüffert-Urteil gefehlt. Das sogenannte RegioPost-Urteil (Rs. C-115/14) wurde von den Gewerkschaften begrüßt und veranlasste diese, eine entsprechende Gesetzeslage im gesamten Bundesgebiet zu fordern.

Die Reform der Entsenderichtlinie

Die Reform der Entsenderichtlinie erfolgte im Jahr 2018. Nach langen Verhandlungen schlossen die Arbeits- und Sozialminister*innen der EU-Länder einen Kompromiss und einigten sich auf im Wesentlichen folgende Reformen:

  • Für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort soll der gleiche Lohn bezahlt werden. Insbesondere sollen Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer*innen anwendbar sein, für durch Subunternehmen Beauftragte sollen ebenfalls Regelungen geschaffen werden.
  • Außerdem wurde der Katalog der Mindestbedingungen um das Kriterium der Unterbringung ergänzt. Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Unterbringungsunterkünfte sollen ausweislich des siebten Erwägungsgrund auch behördlich überprüfbar sein.
  • Entsendungen sind auf zwölf Monate zu begrenzen, danach gelten insgesamt die arbeitsrechtlichen Bestimmungen desjenigen Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Dienstleistung erbracht wird und
  • für die Transportbranche sollen Sonderregelungen gelten.

Durch die Reform stieg die Anzahl der anwendbaren Tarifverträge allein in der Bundesrepublik Deutschland von 15 auf bis 440.
Die Urteile des EuGH im Dezember 2020

Nicht alle Mitgliedstaaten begrüßten die beschlossenen Reformen der Entsenderichtlinie. So erhoben die Republiken Polen (EuGH, Rs. C-626/18) und Ungarn (EuGH, Rs. C-620/18) Nichtigkeitsklage vor dem EuGH und äußerten Zweifel an der Vereinbarkeit der Reformen mit dem Gemeinschaftsrecht bzw. insbesondere mit der Dienstleistungsfreiheit, die im Art. 56 AEUV garantiert ist.

So führten Polen und Ungarn aus, die Änderung des Begriffs „Mindestlohns“ in „Entlohnung“ sei unzulässig, weil Arbeitgeber*innen hierdurch zusätzlichen administrativ und wirtschaftlich belastet würden. Polen behauptete, es würde zulasten der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistungserbringer*innen ein Wettbewerbsvorteil beseitigt. Dieser Wettbewerbsvorteil ergebe sich aus den niedrigeren Entlohnungssätzen im Vergleich zu jenen im Aufnahmestaat. Unlauterer Wettbewerb sei dabei nicht zu befürchten, da auch nach alter Fassung der Richtlinie eine Entlohnung nach dem individuell im Aufnahmestaat geltenden Mindestentgelt zu entrichten sei. Es bestehe daher kein Erfordernis, die Richtlinie zu ändern. Dass kein unzureichender Schutz der Arbeitnehmer*innen bestanden hätte, zeige sich, so Ungarn, bereits dadurch, dass der prozentuale Anteil der Entsendungen stark angestiegen ist. Hieraus habe man nicht schließen können, „dass der Schutz der Arbeitnehmer unzureichend gewesen sei.“ Überhaupt bestehe für Beschäftigte bei einer Beschäftigung im eigenen Herkunftsstaat keine entsprechende Verpflichtung, über den gesetzlichen Mindestlohn hinaus auch ein tarifliches Entgelt zu zahlen. Dass bei einer Entsendung ein regelmäßig höherer Tariflohn gezahlt werden muss, impliziere, dass der Mindestlohn für unzureichend gehalten würde, was aber von Ungarn als unzutreffend angesehen wird.

Zuletzt rügt die Republik Polen die Beschränkung der Entsendung auf einen Zeitraum von zwölf Monaten, da aus der Richtlinie nicht hervorgehe, welcher Berechnung und Berechnungsbeschränkung diese Dauer unterliege. Entsendende Mitgliedstaaten würden zudem stärker belastet, da diese sich nicht nur an die rechtlichen Bestimmungen des eigenen Herkunftsstaates halten müsse, sondern vielmehr auch ausländische Regelungen zu beachten habe. Dienstleistungsfreiheit führe nicht zum Gebot der Gleichbehandlung, sondern lediglich zum Verbot der Diskriminierung. Insgesamt liege eine Beschränkung vor, die keine Rechtfertigung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses erführe.

Der EuGH wies sämtliche Einwände ab. Er führt hierzu aus, dass die Gewährleistung der Dienstleistungsfreiheit nicht nur den Schutz eben dieser zum Gegenstand hat, sondern den Unionsgesetzgeber anhalte könne, andere Interessen zu schützen, die durch die Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt seien. Dies liege auch im Ermessen des Unionsgesetzgebers. Sinn und Zweck der Richtlinie sei sowohl in der Ursprungsform als auch im Rahmen der Reform das Ausbalancieren der Dienstleistungsfreiheit einerseits und den Schutz der Arbeitnehmer*innen und die Einrichtung und Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen andererseits. In der Vergangenheit habe die Europäische Kommission konstatiert, dass trotz der Richtlinie in der Fassung von RL 96/71/EG ein erhöhtes Missbrauchsrisiko der unterschiedlichen Lohnniveaus innerhalb der Europäischen Union vorherrsche. Ein Entlohnen auch nach Maßgabe von Tarifverträgen zu ermöglichen, sei daher auch „geeigneter“ dieses Ziel zu verfolgen, als ein Entlohnen nur nach Mindestlohnsätzen vorzuschreiben. Etwaige stärkere administrative oder finanzielle Belastungen erfolgten ebenfalls aus dieser Zielsetzung der Richtlinie und dienen insgesamt auch der Realisierung des Binnenmarktes. In Bezug auf die Dauer einer Entsendung sowie ihrer vermeintlich fehlenden Berechnungsgrundlage sieht der EuGH keinen Verstoß gegen das Gebot hinreichender Normklarheit. Das Verbot sei eindeutig formuliert. Zudem gehe nach zwölf Monaten der nur vorübergehende Charakter einer Entsendung verloren, sodass daher folgerichtig nationales Arbeitsrecht des Aufnahmestaates Anwendung finden solle.

Generell, so betont es das Gericht mehrfach, erleichtern erlassene Maßnahmen im Bereich der garantierten Grundfreiheiten nicht nur die Ausübung eben dieser Freiheiten, sondern vielmehr auch den Schutz anderer anerkannter grundlegender Interessen gewährleisten, die durch die jeweilige Grundfreiheit beeinträchtigt werden können. Für die Dienstleistungsfreiheit und den Schutz von Arbeitnehmer*innen als beeinträchtigtes Interesse gelte nichts anderes.

Fazit: Bessere Arbeitsbedingungen für alle?

Die Reform der Entsenderichtlinie hat wie aufgezeigt im Bereich der Entlohnung von Beschäftigten weitreichende Konsequenzen. Im Fokus stehen nunmehr auch die Lebensbedingungen der Entsendeten in Unterkünften. Dennoch zeigen auch Fälle aus der Bundesrepublik Deutschland, dass trotz der faktischen Umsetzung der Richtlinie in nationales Gesetz noch immer unzählige entsendete Arbeitnehmer unter verheerenden Bedingungen im Mitgliedstaat leben; besonders offensichtlich wurde dieser Zustand zur Zeit der globalen COVID-19-Pademie bei den Beschäftigten einer Fleischfabrik in Gütersloh. Fest steht: Solange sich an nationalen Arbeitsbedingungen nichts ändert, wird auch der Schutz Entsendeter nicht zur Änderung derartiger Bedingungen führen. Zu Recht kritisierte Arbeitsminister Hubertus Heil seinerzeit die verheerenden Arbeitsbedingungen und Umstände der Unterbringung. Zuletzt trat das Arbeitsschutzkontrollgesetz in Kraft, welches künftig unter anderem Mindestbedingungen für Gemeinschaftsunterkünfte, die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeit und ein jedenfalls grundsätzliches Verbot des Einsatzes von Subunternehmen im Kerngeschäftsbereich vorsieht.

Die Richtlinie als solche vermag jedenfalls aber das vielfach kritisierte Sozialdumping auch nicht gänzlich zu beseitigen: Auch bei Auslandseinsätzen im Sinne einer Entsendung bleiben diejenigen Bestimmungen zur Sozialversicherung anwendbar, die im jeweiligen Heimatland gelten. Beitragssätze und entsprechend niedrige Sozialausgaben bleiben dem jeweiligen Mitgliedstaat individuell vorbehalten.

Nichtsdestoweniger ist die Rechtsprechung des EuGH aus dem Dezember 2020 ein zu begrüßendes Signal, vor allem, wenn man die Unterschiede der Auslegung zum Rüffert-Urteil berücksichtigt: Der EuGH betont mehrfach, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht nur den Schutz eines Dienstleistungsverkehrs ohne jegliche Beschränkung garantiert, sondern gerade das Verhältnis zwischen Dienstleistungsfreiheit einerseits und dem Schutz von entsendeten Arbeitnehmern andererseits regeln soll (und muss). Fast erwächst der Eindruck, die Urteile seien von völlig unterschiedlichen Gerichten gefällt worden. Doch fest steht: Erlaubt der Binnenmarkt den vermeintlich freien Austausch von Dienstleistungen, müssen ihm auch Vorkehrungen immanent sein, die einen solchen Austausch für die Entsendeten nicht nur zumutbar, sondern auch für Arbeitnehmer*innen attraktiv gestalten; die Ansässigkeit der Beschäftigten ist in diesem Fall jedenfalls kein Kriterium, das eine andere Entlohnung oder eine nachteilige Unterbringung rechtfertigen könnte.


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